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18
03
2009

Weitspringer Sebastian Bayer über seinen Hallen-Europarekord von 8,71 Meter, die Last der Ausnahmeleistung und seine Rückkehr zur Normalität.

„Was Neider äußern, verdränge ich eben“ – Sebastian Bayer – Interview: Thomas Hahn in der Süddeutschen Zeitung

By GRR 0

SZ: Herr Bayer, fast eine Woche ist es her, dass Sie bei der Hallen-EM in Turin zur Überraschung der gesamten Leichtathletikwelt mit 8,71 Metern, der zweitbesten je erzielten Hallenleistung im Weitsprung, Gold gewonnen haben. Haben Sie den Schock schon verwunden?

Bayer: Das war ja ein positiver Schock. Von daher: Ich denke schon.

SZ: Mit einem Sprung sind Sie vom international wenig bekannten Neu-Bremer Bayer zu einer Figur des Weltsports aufgestiegen. Wie haben Sie das erlebt?

Bayer: Wirklich geändert hat sich nur, dass ich mehrmals am Tag mit meiner Managerin Esther Kölmel telefoniere und sie sehr viel Arbeit hat. Aber sonst? Die ersten paar Tage waren sehr stressig, mittlerweile ist es wieder akzeptabel.

SZ: Haben Sie schon wieder trainiert?

Bayer: Nee, habe ich nicht. Deswegen bin ich auch schlecht zu erreichen gewesen, oder bin es noch immer, weil ich nach der Hallen-EM laut Trainingsplan erstmal eine Woche Ruhe habe und die auch komplett ausleben wollte.

SZ: Sie haben also auf sich wirken lassen können, was passiert ist in Turin?

Bayer: Am Montag bin ich direkt von Turin nach Berlin geflogen, was erstmal alles umgebucht werden musste, weil in Berlin die Pressekonferenz stattgefunden hat zur Kampagne für die WM 2009 "Gesichter für Berlin", an der ich teilnehme. Dienstagfrüh war ich dann nochmal im Fernsehen, und seit Dienstagnachmittag ist es eigentlich relativ entspannt. Ich habe mich noch der Bremer Presse angenommen. Und dann habe ich die letzten zwei Tage genutzt, um Zeit für mich und meine Freundin zu haben (welche die Hürdensprinterin und Olympia-Teilnehmerin Carolin Nytra ist, Anm. d. Red.).
 
SZ: Wie fanden Sie die durchaus umfänglichen Reaktionen auf Ihre 8,71?

Bayer: Ich habe das nur teilweise mitbekommen. Ich verfolge das auch nicht. Wenn sich irgendwelche Zweifler oder eventuell auch Neider dazu äußern, verdränge ich das eben. Weil die wird es immer geben. Die gab es schon vorher, jetzt sind es vielleicht noch ein paar mehr. Mir ist das mehr oder weniger egal.

SZ: Es gab zweierlei Zweifler: Jene, welche Ihre plötzliche Leistungssteigerung um über 50 Zentimeter verdächtig fanden. Und den spanischen Verbandspräsidenten Jose Maria Odriozola, der an einen Messfehler glaubt.

Bayer: Tja, Leistungssteigerung, also … mein Bundestrainer Uwe Florczak hat mir gestern erst gesagt, dass er schon beim Hallenmeeting in Chemnitz gesehen habe, dass ich wesentlich weiter springen kann als 8,17 Meter. Da habe ich nach dem zweiten Versuch (auf die Sieges- und damalige persönliche Bestweite von 8,17 Meter, d. Red.) abgebrochen, und er meinte, da habe man schon gesehen, dass es auf 8,30 zuging. Er hat mir das nur nicht schon früher gesagt, weil er mich nicht unter Druck setzen wollte.

Was ich auch allen gesagt habe nach Turin: Ich schenke relativ viel den perfekten Bedingungen bei der EM und dem Boden dort. Und wenn dann irgendwer zweifelt, in diesem Fall der spanische Verbandspräsident, tja … das lässt mich relativ kalt. Ist zwar schade, dass die Weite infrage gestellt wird, aber ich kann eh nichts dran ändern. Die Leute sollen es bitte überprüfen, dann muss ich mich dazu auch nicht mehr äußern.

SZ: Sie haben nach den 8,71 gesagt, dass Sie die Fortbildungsangebote des Deutschen Leichtathletik-Verbandes mit dem Brasilianer Nélio Moura, Trainer des panamesischen Olympiasiegers Irving Saladino, nicht mitgemacht hätten, weil Moura-Athleten schon des Dopings überführt worden seien. Richtig?

Bayer: Mehr oder weniger. Ich habe gesagt, dass ich meinen Trainern, Jens Ellrott und Joachim Schulz, komplett vertraue und die genug Fachwissen haben, so dass man keine Hilfe aus dem Ausland braucht. Und dass Moura als Trainer Athleten hat, die eine Dopingvorgeschichte haben. Das ist ja erwiesen, Maurren Higa Maggi, Brasiliens Weitsprung-Olympiasiegerin, die bei ihm trainiert, ist schon mal zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen worden (2003, wegen Steroid-Dopings, d. Red.). Darauf habe ich angespielt.

SZ: Sie sind also selbst skeptisch gegenüber gewissen Leuten im Sport.

Bayer: Ich will niemandem etwas unterstellen. Und ich möchte natürlich, dass diese Fragezeichen und das Thema Doping aus unserem Sport irgendwann mal verschwinden. Es ist mein Ziel, als sauberer Botschafter dazustehen. Aber es ist nun mal so, wie es ist, und ich hoffe, dass Moura und seine Gruppe nicht mehr tun, was sie getan haben.

SZ: Glauben Sie daran, dass eines Tages jemand 50 Zentimeter weiter springen kann als in den Wettkämpfen zuvor, ohne bezweifelt zu werden?

Bayer: Ich will meinen 8,71 Meter nicht als Jahrhundertsprung sehen, oder wie auch immer die Presse ihn betitelt. Ich werde meine Ziele weiter verfolgen: konstant über 8 Meter zu springen, und in guten Versuchen hoffentlich knapp über 8,30 Meter. Ob ich in zwei oder in fünf Jahren nochmal so einen Sprung hinkriege, das steht in den Sternen. Ich hoffe es natürlich, wissen kann ich es nicht.

SZ: Wie schaffen Sie es, dass man diese 8,71 Meter nicht zum Maßstab macht, sondern die eher normalen 8,30 Meter, die ja ohnehin schon gut genug sind im internationalen Vergleich?

Bayer: Das kann ich eigentlich nicht schaffen, das kann nur die Presse schaffen. Für mich ist der Sprung ja schon mehr oder weniger abgehakt. Ich habe meine Ziele nicht verändert, und ich werde sie auch wegen dieses Sprunges nicht neu definieren. Was dann die Presse daraus macht, daran kann ich ja nichts ändern. Die Leute, die mit mir zu tun haben, die akzeptieren das und die verstehen das, und die sehen das genauso wie ich. Und wenn irgendwelche andere Leute sagen: Sebastian Bayer versagt mit 8,30, dann sollen sie das machen.

Das wäre zwar schade, das täte dem Sport nicht gut, aber ich kann es nicht ändern.

Interview: Thomas Hahn – Süddeutsche Zeitung, Freitag, dem 13. März 2009

author: GRR

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