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2013

Vielleicht könne die Schaffung eines Anti-Doping-Gesetzes im Kampf gegen Doping helfen, meinte der Sportwissenschaftler und Philosoph Gunter Gebauer, der schon den Besitz von Dopingmitteln unter Strafe stellen möchte. ©Institut für Philosophie der FU Berlin

„Was für einen Sport wollen wir? 3. Sportkonferenz des Deutschland funks (DLF) – Hanspeter Detmer berichtet

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„Was für einen Sport wollen wir uns in Deutschland leisten?“ In vier Diskussionsrunden haben  Olympiateilnehmer, hochkarätige Sportfunktionäre aus Vereinen, Institutionen und Verbänden, Sportwissenschaftler, der Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium, aber auch der „Olympia-Pfarrer“ der Deutschen Bischofskonferenz auf der 3. Sportkonferenz des Deutschlandfunks (DLF) in Köln versucht, Antworten zu finden.

Für einen temperamentvollen Konferenzauftakt sorge der ehemalige deutsche Judo-Meister Rainer Wolff, Vorsitzender des Beueler Judo-Clubs, Initiator von „Pro Sportstadt Bonn“ und inzwischen 2. Vorsitzender des Stadtsportbundes Bonn, mit seinem Impulsreferat. „Anerkennung und Wertschätzung für den Sport in Deutschland – leider Fehlanzeige“, lautete sein Fazit, das er auch damit begründete, dass beispielsweise Amateur-, Freizeit- und Breitensportler für Sport stättennutzung Gebühren aufzubringen hätten, die dann aber von Kommunen nicht zur Zweck-gebundenen Sanierung maroder Sportanlagen, sondern zur allgemeinen Sanierung städtischer Haushalte eingesetzt würden.

Walter Schneeloch, Vize-Präsident Breitensport im DOSB, widersprach jedoch auf das Heftigste. Gerade erst habe er in seiner Eigenschaft als Präsident des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen mit der NRW-Landesregierung einen Pakt geschlossen, der bis 2017 eine finanzielle Absicherung garantiere und damit die finanzielle Hilfestelle zugunsten des Sports in NRW auf eine breitere und kalkulierbare Basis stelle, sagte er.

Der angriffslustige Judoka Wolff attackierte aber auch Entscheidungen der Politik wie die Ein-führung der Ganztagsschule und der verkürzten Schulzeit bis zum Abitur: „Die Einbeziehung der Sportvereine in den Offenen Ganztag funktioniert nicht oder nur sehr selten“, erklärte er. „Mein Verein Beueler Judo-Club verliert durch die OGS jährlich 50 Mitglieder. Langfristig werden die Vereine ausbluten, weil der Nachwuchs ausbleibt.“

Dieser Aussage widersprach Frank Fechner.. „Bei uns funktioniert die Zusammenarbeit mit der OGS. Wo es dem Sport gelingt, in die Schulen zu kommen, da gewinnen auch die Vereine an Mitgliedern“, sagte der Vorsitzende des drittgrößten Hamburger Sportvereins Eimsbütteler TV. Unterstützung erhielt er vom ehemaligen Basketball-Nationalspieler Henning Harnisch, inzwi-schen Vizepräsident bei ALBA Berlin. Der sagte: „Wir müssen das Verhältnis von Schule und Sport komplett neu ordnen. So müssen wir neue Arbeitsfelder gestalten, die es zuvor nicht gab.“

Großvereine wie der Eimsbütteler TV mit 150 Mitarbeitern oder wie ALBA Berlin mit professionel-len Organisationsstrukturen tun sich bei dieser Entwicklung allerdings einfacher als kleinere, ausschließlich ehrenamtlich geführte Vereine. Der Sportwissenschaftler Nils Neuber aus Münster merkte an, dass jedes dritte OGS-Angebot zwar Sport bezogen sei. Aber vor allem in Grundschu-len sei ein hoher Prozentsatz der Lehrer ohne eine sportspezifische pädagogische Ausbildung. „Und außerdem ist Sport immer das erste Fach, das bei Lehrermangel ausfällt.“

Auch die Hockeyspielerin und gymnasiale Sportlehrerin Barbara Hopmann hält es für außer-ordentlich wichtig, dass Kinder und Jugendliche über einen guten Sportunterricht motiviert werden, sich auch in ihrer Freizeit noch sportlich zu betätigen.

Am Ende der ersten Diskussionsrunde waren sich alle Teilnehmer weitgehend einig: Die Attrak-tivität des Sports hänge zum Großteil auch von der Attraktivität der Sportanlagen ab. „Hier spielt die Musik in den Kommunen“, sagte DOSB-Vizepräsident Breitensport Walter Schneeloch.

Beklagt wurde, dass die gesellschaftspolitische Arbeit des Sports nicht zufriedenstellend von der Politik und den Medien wahrgenommen werde. Würden in einem kommunalen Haushalt die Mittel für die Kultur gekürzt, gebe es einen medialen Aufschrei. Bei Sport-Mittelkürzungen sei dies nicht der Fall. Schneeloch: „Die Sportstättennutzungsgebühren müssen für die Sportstätten-sanierung und nicht für die allgemeine Sanierung kommunaler Haushalte genutzt werden“.

Wollen wir Leistungssportler und Profis – lautete die Fragestellung in der zweiten Diskussions-runde. Impulsreferentin Dafni Bouzikou, ehemals Assistenztrainerin beim Basketballteam Frankfurt Skyliners und inzwischen Wirtschaftsberaterin, lenkte die Fragestellung auf die Vorausset-zungen für eine erfolgreiche Leistungssport- und Profi-Karriere. In der neuen Trainer-Offensive des DOSB heiße es zwar „ohne Trainer keine Medaillen“. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Trainer in Deutschland häufig schlecht bezahlt würden und ihre arbeitsrechtliche Situation oft sehr schwach sei, müsse man den DOSB-Slogan modifizieren: „Ohne ausgebeutete Trainer keine Medaillen.“

Michael Scharf, Leiter des Olympiastützpunktes Rheinland, stimmte der Referentin weitgehend zu. Außerdem vermisste er noch, dass zum Beispiel die Ausbildung an der Trainerakademie des DOSB in Köln in der staatlichen Anerkennung gleichgesetzt werde mit vergleichbaren akademi-schen Ausbildungsgängen.

Was die wirtschaftliche Position von Trainern anbetrifft, die letztlich medaillenträchtige Leistungssportler hervorbringen sollen, hat Bernhard Peters zwei Seiten kennen gelernt. Als Hockey-Bundestrainer führte er die deutschen Herren 2002 und 2006 zu zwei Weltmeister-Siegen. Seit Oktober 2006 ist er Direktor für Sport und Nachwuchsförderung beim Fußball-Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim. „Die Fußball-Heroen geben nicht das richtige Bild ab. Wir müssen auf die vielen Jugendtrainer und auf deren bescheidene Honorierung und Anerkennung blicken. Diese Leute arbeiten für kleines Geld, aber mit Leidenschaft“, sagte er.

Ausreichende finanzielle Mittel brauchen aber auch die Sportler, die sich dem Leistungssport verschreiben. „Und den Leistungssport wiederum brauchen wir in unserem Lande, weil von ihm eine große Vorbildfunktion ausgeht,“ so Olympiastützpunktleiter Scharf. Wie viel Geld wird jedoch benötigt? Säbel-Fecht-Weltmeister Nicolas Limbach gibt sich bescheiden: „Was ich durch den Sport erlebe, ist unbezahlbar; ich liebe meinen Sport, deshalb betreibe ich ihn, und nicht etwa, weil ich damit Geld verdienen will.“ Natürlich sei die Sporthilfe wichtig. In Zeiten, in denen er supererfolgreich war, sei sie höher ausgefallen. Ohne große Erfolge aber gebe es weniger. Limbach: „Ich studiere BWL – da habe ich gelernt, in guten Zeiten etwas zurück zu legen für schlechtere Zeiten.“ Im Übrigen sei die duale Karriere die Chance schlechthin. Gute Leistungen im Sport parallel zu einem Studium erhöhten später auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sagte der Fechter.

Über Existenzängste, wie sie von vielen Spitzensportlern inzwischen beklagt würden, klagte Limbach nicht. Und wieder kam der Verweis auf die Duale Karriere mit der Parallelität von Ausbildung und Sport. „Wenn sie konsequent geplant wird, wäre sie zugleich auch eine hervor-ragende Prophylaxe gegenüber allen Doping-Gefahren,“ stellte der Sportwissenschaftler Prof. Arne Güllich von der TU Kaiserslautern fest.

„Und welchen Sport wollen die Fans, TV-Zuschauer, die Sponsoren und die Medien?“ fragte DLF-Redakteur Moritz Küpper zu Beginn der dritten Diskussionsrunde. Andreas Rettig, Ge-schäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, ließ gleich zu Beginn die Runde aufatmen: „Wir brauchen einen Sport, der in seiner Gesamtheit in der Gesellschaft einen höheren Stellenwert bekommt. Fußball gehört natürlich dazu, aber ist längst nicht alles.“

Mit Rettig stimmte Sabine Töpperwien, Bundesliga-Reporterin und Sportchefin Hörfunk beim WDR, überein, ergänzte dann aber noch: „Auch die Medien müssen dem Schulsport die not-wendige Aufmerksamkeit entgegen bringen.“ Thomas Nonte, Sportbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, schlug in die gleiche Bresche: „Wir wollen Sport, der seinen Charakter und seine Werte nicht über das Geld verliert.“

Apropos Geld: Jan-Henrik Gruszecki, Sprecher der Dortmunder Faninitiative 12:12 und Impuls-referent zu dieser Diskussionsrunde, wünschte sich, dass die Eintrittspreise in der Fußball-Bundesliga nicht noch weiter steigen; nur so könne der Volkssport Fußball erhalten bleiben. Immerhin stimmte DFL-Geschäftsführer Rettig mit Gruszeckis Wunsch dahingehend überein, dass die Bezahlbarkeit im Fußball weiterhin gewährleistet werden müsse.

Anno Hecker, Sportressortleiter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wünscht sich die echte Abbildung des Sports, wobei er bei der riesigen Bandbreite des Sports allerdings ein echtes Problem sieht. Aber er mahnte das Internationale Olympische Komitee an, endlich einmal ernst-haft das Programm Olympischer Spiele auf ein zeitgemäßes Interesse hin zu überprüfen und anzupassen.

Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einige, dass kommerzielle Auswüchse und damit oft zusammenhängend Doping und Wettbetrug eine Riesengefahr für den Sport seien.

Und letztlich dürfe man die Sportler, die sich über Jahre hinweg engagiert haben und andere Dinge hinten an gestellt hätten, am Ende ihrer Karriere nicht alleine lassen. Das gelte für Top-Profis ebenso wie für Amateure.

Also: „Welchen Sport wollen Politik und Gesellschaft?“ Impulsredner Horst Melzer von der Eliteschule des Sports Essen-Rüttenscheid schlug zu Beginn der vierten Diskussionsrunde eine Brücke zur ersten Diskussionsrunde, in der oftmals die Wertschätzung von Sport und Kultur verglichen wurde: „Der Sport hat eine eigenständige politische Kraft und muss seine eigenen Werte hochhalten. Auf keinen Fall sollte er einen Neidfaktor in seinem Verhältnis zur Kultur aufbauen“, sagte er.

Helge Meeuw, mehrfacher Schwimm-Europameister, rückte nochmals die Werte des Sports ins rechte Licht: „Politik, Gesellschaft und Medien sollten nicht nur die Sieger wertschätzen, sondern auch zum Beispiel den Sechstplatzierten. Denn der hat sich auf die Entscheidung genau so hart vorbereitet wie der Sieger.“ Mit dieser Äußerung lieferte Meeuw die Vorlage für Michael Vesper, den Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB): „Unsere Gesellschaft sollte sich Sport nicht nur leisten, weil man damit Einsparungen bei Krankenkosten erzielen kann. Seine Werte für junge Menschen sind unersetzlich. Und erfolgreiche Sportler sind wiederum großartige Repräsentanten für unser Land.“

Meinungsdifferenzen bleiben natürlich nicht aus. Gerhard Böhm als Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium war der Meinung, dass das BMI durchaus einen ausreichenden Teil zur Finanzierung der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) geleistet habe, derweil sich die Bundesländer und die Wirtschaft jedoch weitgehend zurück gehalten hätten.

Vielleicht könne die Schaffung eines Anti-Doping-Gesetzes im Kampf gegen Doping helfen, meinte der Sportwissenschaftler und Philosoph Gunter Gebauer, der schon den Besitz von Dopingmitteln unter Strafe stellen möchte. DOSB-Generaldirektor Vesper sieht die Aktionsfähigkeit des Staates jedoch in engen Grenzen: „Der Sport kann bei Anwendung seiner Regelwerke wesentlich schneller sanktionieren als der Staat. Aber Sport und Staat müssen zusammenarbeiten beim Austrocknen des Sumpfes.“

 

Quelle: DOSB –  Hanspeter Detmer

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