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17
05
2009

Warum Obama es besser hat als einst Owens – Interessante Podiumsdiskussion in Berlin über die gesellschaftliche Anerkennung durch sportlichen Erfolg – Hansjürgen Wille

By GRR 0

Die Politik hat mehr Einfluss auf den Sport als es umgekehrt der Fall ist. So lautete die Kernaussage von Mitchell R. Moss, dem Stellvertretenden Sprecher der amerikanischen Botschaft in Berlin, als in einer Podiumsveranstaltung versucht wurde, das interessante, aber durchaus nicht einfache Thema „Von Jesse Owens zu Barack Obama – gesellschaftliche Anerkennung durch sportlichen Erfolg“ von allen Seiten zu beleuchten.

Der recht illustre Kreis mit dem DLV-Präsidenten Clemens Prokop an der Spitze, dem Potsdamer Sportwissenschaftler Prof. Dr. Hans-Joachim Teichler, dem Sportausschuss-Vorsitzenden des Deutschen Bundestages, Dr. Peter Danckert, sowie dem aus Nowosibirsk stammenden und jetzt in Berlin lebenden Weitspringer sowie Videoproduzenten Semjon Pitschugin (7,45 m) verzettelte sich mitunter und wich auf Nebenkriegsschauplätze aus, weil die Moderatorin nicht energisch genug eingriff.

Schade, dass ein absoluter Owens-Kenner wie der ehemalige Istaf-Organisator Rudi Thiel, der Amerikas Leichtathletik-Legende nach dem 2. Weltkrieg zu zwei Anlässen nach Berlin holte, nicht mit in der Runde saß, um aus eigener Erfahrung darüber zu berichten, welche Rolle der vierfache Olympiasieger von 1936 in seinem Land einst spielte. Auf keinen Fall eine so über-ragende wie beispielsweise der Boxer Cassius Clay alias Muhammad Ali, der unter anderem durch seine Wehrdienst-Verweigerung von sich reden machte, oder der Farbige Golfer Tiger Woods in einer Sportart, die lange Zeit nur Weißen vorbehalten war.Wobei beide allerdings von dem großen Medieninteresse im Fernsehen profitieren und einiges bewegen konnten.

Owens hingegen fand nicht die gebührende Anerkennung in seinem eigenen Land.

„Er wurde weder vom Präsidenten der Vereinigten Staaten im Weißen Haus empfangen, noch bekam er eine Dozentenstelle an der Universität. „Mit Rennen gegen Pferde und Windhunde musste er sich sogar sein Geld verdienen, um die Familie zu ernähren!“, sagte Moss, „wobei man nicht verkennen darf, dass Amerika vor 70 Jahren noch nicht so weit war wie heute, da ein Farbiger wie Obama eine ganze Nation abführt. Die Situation hat sich zu damals entscheiden verändert. Jetzt kann jedermann Zutritt zur Musik oder Politik erhalten.“

Dass der Star der Berliner Spiele weltweit für ein sportgeschichtliches Ereignis sorgte, steht unumwunden fest. Prokop meinte, dass ein Individuum im großen Maßstab nicht allzu viel bewirken, wohl aber mitreißen, motivieren und bestimmte Dinge vorleben kann, wie beispielsweise die Freundschaft und Fairness im härtesten Wettkampf.

Davon zeugte das Weitsprung Duell zwischen Owens und dem Deutschen Luz Long, der seinem US-Konkurrenten wichtige Tipps gab, als dieser seine ersten beiden Versuche im Vorkampf übertreten hatte und dicht vor dem Ausscheiden stand.

Der Sport ist allerdings in der Lage, Akzente in Sachen Integration beziehungsweise im Kampf gegen den Rassismus zu setzen (Teichler), mitunter auch das politische Eis zu brechen wie das einstige Tischtennismatch USA – China bewies (Prokop), in speziellen Einzelfällen auch die eine oder andere Chance im beruflichen Leben zu ebnen (Pitschugin). Doch grundsätzlich sind es sind es andere Faktoren, die eine Gesellschaft prägen und zu Veränderungen führen, wie das in Deutschland durch 68er Generation geschah (Danckert). Alle waren sich schließlich einig, dass der Sport kein Paradies schaffen kann, sondern dass er mit den menschlichen Schwächen leben muss, sonst gäbe es weder Doping noch Korruption.

Eines zeigte die jüngste Vergangenheit, der Sport kann Stimmungen beeinflussen, wie beispielsweise bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, als schwarz-rot-goldene Flaggen an den Autos wehten und jedermann es cool fand, ein Deutscher zu sein.

Das Beeindruckendste bei diesem Symposium, das auf Anregung der Jesse-Owens-Initiative des Marie-Curie-Gymnasiums in Dallgow-Döberitz zustande kam, war eine Originalreportage des Deutschen Rundfunk-Archivs vom 100-m-Endlauf in Berlin. Hinreißend wie der Mann am Mikrofon den Kampf der drei Schwarzen gegen vier Weiß schilderte oder auch das Duell Amerika gegen Europa.

Und wie er zehn Sekunden lang nach dem Zieleinlauf schwieg, um das Geschehene wirken zu lassen, während das Stadion voller Begeisterung tobte.

Interviewt wurde damals der 23-jährige US-Sportler, wie ihm denn das Olympische Dorf in Dallgow-Döberitz unmittelbar vor den Toren Berlins gefallen habe. „Als eines der sieben Weltwunder“ bezeichnete Owens diese herrliche, in einem Kiefernwald gelegene Anlage, die später von den Deutschen und nach dem Krieg von Russen zu militärischen Zwecken benutzt wurde.

Inzwischen sind das Areal und einige Gebäude wieder einigermaßen hergestellt worden, wo nicht nur Jahr für Jahr ein bedeutendes DKB-Leichtathletik-Sportfest stattfindet, sondern auch die Jesse-Owens-Memorial-Staffel der Grund- und Oberschulen, die am 6. Juni zum vierten Mal ausgetragen wird und als Zeichen für mehr Toleranz und gegen Rassismus steht.

Apropos Staffel. Clemens Prokop teilte am Schluss des Symposium mit, dass der Deutsche Leichtathletik-Verband in Verbindung mit der Kultusminister-Konferenz im kommenden Jahr bundesweit einen Deutschen Schulstaffeltag für die Klassen 5 bis 8 veranstalten will, wobei jede Jahrgangsstufe die Distanz von 12 x 100 m zurückzulegen hat.

Die drei besten Schulen eines jeden Bundeslandes qualifizieren sich für das Finale Berlin, das von einem dreitägigen Rahmenprogramm umgeben ist. Teilnehmer und Betreuer werden in einer Zeltstadt untergebracht, die Läufe im Olympiastadion entschieden, wo vor nunmehr 73 Jahren Owens seine vier Goldmedaillen errang, ohne dabei zu Hause besonders profitieren zu können.

„Aber er war ein Symbolfigur für die schwarzen Menschen in unserem Land, besonders in den Südstaaten, wo damals noch viele ohne Rechte waren, zugleich auch der Beweis, dass man durch Fleiß, Talent und Ehrgeiz etwas erreichen kann“, befand Mitchell R Moss.

„So betrachtet sind Owens und jetzt Obama außergewöhnliche Persönlichkeiten. Dass heute bei uns alle gleiche Rechte und gleichen Zugang haben, das wurde erst Schritt für Schritt erreicht, wobei das gemeinsame Zusammenrücken im Krieg sicherlich auch einiges beitrug.“

Hansjürgen Wille in der DOSB Presse

author: GRR

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