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03
08
2010

Waldemar Cierpinski: Wir müssen Motivation für Talente schaffen

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Als am Sonntag der Europameisterschafts-Marathon der Männer in Barcelona gestartet wurde, war es auf den Tag genau 30 Jahre her, dass Waldemar Cierpinski in Moskau zum zweiten Mal Olympiasieger über die klassischen 42,195 km wurde. Eigentlich sollte sein Sohn Falk, den er unter anderen trainiert, bei der EM starten, doch eine Sehnenverletzung am Fuß verhinderte das Rennen über die 42,195 km.

Waldemar Cierpinski, der seine Bestzeit von 2:09:55 Stunden bei seinem Olympiasieg 1976 aufstellte und damit auch als erster deutscher Läufer unter 2:10 Stunden blieb, feiert am 3. August seinen 60. Geburtstag. Vorher gab er das folgende Interview:

Sie sind immer noch sehr fit – welche Sportarten betreiben Sie und wie häufig?

Waldemar Cierpinski: Zweimal in der Woche spiele ich Fußball in der Altherren-Mannschaft des SSV 67 Halle. Meine Position ist natürlich eine, auf der man viel laufen muss: ich spiele im Mittelfeld. Wir haben übrigens schon früher regelmäßig Fußball gespielt, denn das ist für einen Marathonläufer eine sehr sinnvolle Trainingsergänzung. Einmal pro Woche bin ich beim Lauftreff und am Wochenende laufe ich auch einmal, manchmal auch bei einem Volkslauf. Im April habe ich beim Kyffhäuser Berglauf sogar meine Alterklasse gewonnen.

Ist Marathon noch ein Thema? Wann sind Sie ihren letzten gelaufen?

Waldemar Cierpinski: Für einen Marathon habe ich nicht genügend Grundlage – den erlebe ich zurzeit nur auf dem Fahrrad, wenn ich Falk begleite. Ich hatte eine Vision, dass ich nach meinem 60. Geburtstag einen Marathon in zwei Stunden, 60 Minuten laufe – das hört sich doch viel besser an als drei Stunden! –, aber dieses Projekt musste ich aufgeben. Wenn ich Marathon laufe, dann will ich dabei auch Spaß haben. So werde ich nun am 6. September im Rahmen des Mitteldeutschen Marathons einen Halbmarathon laufen. Meinen letzten Marathon bin ich 1997 in Berlin zusammen mit Willi Lemke gelaufen – wir waren nach 3:41 Stunden im Ziel.

Olympiasieger im Marathon zu werden, ist ein einzigartiger Erfolg – das zweimal zu schaffen, muss für einen Läufer das Non-Plus-Ultra sein. Wie sehen Sie das und wie bewerten Sie diese beiden Siege heute?

Waldemar Cierpinski: Sicherlich ist ein Olympiasieg etwas ganz Besonderes. Wenn man einen Weltrekord bricht, ist das auch ein großer Moment, ebenso wie ein Sieg bei einer Weltmeisterschaft. Aber ein Olympiagold ist bleibender und nachhaltiger, was auch damit zusammen hängt, dass es Olympische Spiele nur alle vier Jahre gibt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich 1960 in unserem Dorf dorthin gegangen bin, wo der einzige Schwarz-Weiß-Fernseher stand. Damals liefen die Olympischen Spiele in Rom und ich sah wie der barfuß laufende Abebe Bikila Gold gewann. Da war mir zum ersten Mal klar: das will ich auch schaffen. Dass ich dann später mit dem Mann gleichzog, der mir den ersten entscheidenden Anstoß gegeben hat, und auch zweimal Olympiasieger wurde, das waren besondere Glücksmomente.

Sie haben auch beruflich Erfolg und hier gibt es ein weiteres Jubiläum: Vor 20 Jahren, also unmittelbar nach der Wende, eröffneten Sie in Halle Ihr erstes Sportgeschäft. Wie kam es damals dazu?

Waldemar Cierpinski: Ich war zurzeit der Wende einer von vier Lauftrainern in Halle und wusste, dass es zukünftig nur Platz für einen geben würde. Also habe ich nach Alternativen geschaut. Ich wollte im Sport bleiben und entschied mich, einen Laufsportladen zu eröffnen. Ich hatte damals aber kein Eigenkapital, denn die Prämien für meine Olympiasiege hatten wir zunächst in einen Trabi sowie eine Garage und nach 1980 in eine Wohnungseinrichtung investiert. Ich begann dann mit einem 60-Quadratmeter-Geschäft und verkaufte Asics-Schuhe, denn das Unternehmen hat mir entscheidende Starthilfe gegeben. Inzwischen haben wir in Halle ein Sporthaus mit 2.000 Quadratmetern.

Kommen die Kunden auch aufgrund Ihrer Marathon-Olympiasiege zu Ihnen?

Waldemar Cierpinski: Ja, das merke ich schon – besonders übrigens in unserem zweiten, kleinen Geschäft in Quedlinburg. Da kommen viele Touristen in den Laden und fragen, ,Ist der Olympiasieger da?’. Ich bin selten in Quedlinburg, aber ich hinterlasse dort immer ein paar Autogrammkarten.

Der Marathon feiert in diesem Jahr sein 2.500-Jahr-Jubiläum – wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Rennens über die klassische Distanz?

Waldemar Cierpinski: Der Marathon wird seinen besonderen Stellenwert als Ikone des Langstreckenlaufes behalten. Natürlich gibt es mal Phasen, in denen die Teilnehmerzahlen etwas zurückgehen, aber dann steigen sie auch wieder. Der Marathon bleibt eine Vision für viele Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen diese Strecke laufen möchten.

Wird es noch einmal einen deutschen Marathon-Olympiasieger geben oder bleibt Waldemar Cierpinski einzigartig?

Waldemar Cierpinski: Das ist schwer zu beantworten, aber im Grunde glaube ich, dass das irgendwann wieder möglich sein kann. Es gibt in allen Disziplinen ein Kommen und Gehen. Die Afrikaner würden auch lieber zu Hause etwas leichteres arbeiten, wenn sie damit entsprechendes Geld verdienen könnten, anstelle sich im Training täglich zu quälen. Wir müssen in Deutschland vor allem eine Motivation schaffen für unsere Talente und sie so unterstützen, dass sie uns nicht verloren gehen. Es ist nach wie vor auch für europäische Läufer möglich, die Weltspitze zu erreichen.

Nennen Sie uns drei Geburtstagswünsche – einen persönlichen, einen beruflichen und einen bezüglich Ihrer Trainertätigkeit.

Waldemar Cierpinski: Ich wünsche mir, dass ich mit 60 weiter gesund und leistungsfähig bleibe. Was das Geschäft angeht, möchte ich es gerne so halten können wie es jetzt ist. Und bei den Olympischen Spielen in London 2012 wünsche ich mir, dass wir mit drei deutschen Läufern am Start sind und sie zeigen können, dass sie auch als Europäer gut laufen können. Ich würde mich zudem sehr freuen, wenn Falk meine Marathon-Bestzeit knacken könnte.

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