Blog
01
09
2021

Symbilbild - Foto: Horst Milde

Vuelta 2021: Fabio Jakobsen Nach einem halben Dutzend Operationen einen Sieg als Marionette? Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Nur noch fünf Tage, dann hat es Fabio Jakobsen geschafft. Dann werden sie ihn vor dem Wallfahrts-Kloster Santiago de Compostello zum Gewinner des Grünen Trikots der dreiwöchigen Spanien-Rundfahrt 2021 küren.

Dann wird der 24-jährige Niederländer wiederholen, was er schon am letzten Ruhetag gesagt hat. Nämlich: „Es hat viel Zeit gekostet und sehr viele Leue haben sich extrem angestrengt. Dies ist auch ihr Sieg. Ich spreche von den Ärzten, den Chirurgen, dem medizinischen Personal in Polen bis zu meiner zweiten Familie hier in Spanien, meinem Team. Denn es ist definitiv auch ihr Sieg.“

Rückblende: 5. August 2020, erste Etappe der Polen-Rundfahrt. Im Sprint auf der gefährlichen abschüssigen Zielgeraden drängt der Niederländer Dylan Groenewegen seinen Landsmann Fabio Jakobsen  gegen die Straßenbegrenzung. Der fliegt mit achtzig Sachen gegen die Zielaufbauten! Die Folgen sind verheerend. Auch jetzt, in Spanien, und nach einem halben Dutzend Operationen, ist Jakobsen noch nicht wieder der Mann von früher.

Sein mit 130 Stichen zusammengeflicktes Gesicht wirkt anders, unnatürlich. Seine Stimme bleibt noch immer unklar, weil seine Stimmbänder nach dem Unfall gelähmt gewesen sind. Sein neuer Kiefer, aus dem eigenen Beckenknochen modelliert, enthält vorerst provisorische Kunstzähne. Im Herbst will man sehen, wie es weitergeht.

Und ausgerechnet so einer will das Grüne Trikot der Vuelta a Espana gewinnen. Einer dreiwöchigen Rundfahrt, die – von ihrem Profil und ihren Schwierigkeiten her – um Einiges härter ist als der Giro d‘Italia und die viel zu hoch gepriesene Tour de France. Derzeit trägt Fabio Jakobsen bereits das Grüne Trikot, doch wird es auch auf der letzten Woche so bleiben?

Denn da war auf der 13. Etappe auf einmal der große Ärger im belgischen Quick-Step-Team.

In einer Mannschaft, die sich selbst als „Wolfsrudel“ bezeichnet und zweite Plätze als Niederlagen einstuft. Drei Quick-Step-Profis hatten sich auf den letzten drei Kilometern jener Etappe vor Jakobsen gespannt, um ihn möglichst gefahrlos ins Ziel zu lotsen. Doch auf einmal ließ Jakobsen erst einen Tritt, dann sogar drei aus. Schluß. Nichts ging mehr. „Ich hatte einfach keine Beine mehr, um zu sprinten. Deshalb habe ich Florian Senechal per Funk angewiesen, meinen Job zu übernehmen.“ Was dieser auch prompt tat – und gewann.

Nun grübelt Jakobsen, ob der pfeilschnelle Senechal ihm bisher nicht nur deshalb den Vortritt überlassen hat, weil ihm das die Teamleitung so befohlen hatte. War er wirklich nach seinem lebensbedrohenden Unfall erst Mensch, dann Rennfahrer und schließlich wieder Sprinter geworden? Oder am Ende doch nur einen werbewirksame Marionette seiner Teamleitung?

Also ging Jakobsen auf der ersten Flachetappe der letzten Vuelta-Woche in die Offensive. Als sein – ihm zugeordneter Anfahrer Sechecal – fünfhundert Meter vor dem Ziel in die Pedale trat, wies ihn Jaobsen mit einer kurzen Kopfbewegung an, an den Rand zu fahren – und nahm selbst das Heft in die Hand!

Mutig, schnell und siegreich. Offenbar traut er niemanden mehr.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
22085 Hamburg
Tel: +49 (0) 40 229 7048
klausblume@t-online.de

author: GRR