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07
2016

Telis-Teamchef Kurt Ring ©Wilfried Raatz/ wus-media

Vorfreude – In einer Woche beginnt die EM und wir sind sechs Mal dabei – LG Telis Finanz Regensburg

By GRR 0

Regensburg, 29. Juni 2016 (Ring) – Vorfreude kommt auf bei mir im Speziellen und im Regensburger Lager dazu. Vorfreude für die Europameisterschaften.

Nein, nicht diejenigen in Frankreich, wo der Fußball schon seit 10. Juni rollt, sondern jene in den Niederlanden, deren Fußballer zur derjenigen in Frankreich gleich gar nicht mitdurften, weil sie in der Qualifikation gegen die Wikinger aus Island hängen geblieben sind. Hängen geblieben sind aber nicht sechs Läufer aus Regensburg von der LG Telis Finanz, die sich alle für die kontinentalen Titelkämpfe vom 6. bis 10. Juli in Amsterdam durchgesetzt haben.

Auch wenn sich derzeit die regionalen Medien in geradezu epischer Breite über jeden Furz unseres National-Jogis und seiner „La Mannschaft“ auslassen, sechs Regensburger Leichtathleten bei ein und denselben Europameisterschaften sind ein sporthistorisches Ereignis der Sportstadt Regensburg, wie sie Kommunalpolitiker gerne nennen.

Wenn am 10. Juli abends um 21 Uhr die deutsche Nationalmannschaft ins Stade de France einläuft oder auch nicht, weil sie wieder einmal gegen Angstgegner Italien den Kürzeren gezogen haben, werde ich träumend im Flieger von Amsterdam nach München sitzen. Meine Gedanken werden dann nicht bei dem einen oder anderem verschossenen Elfmeter im Endspieldrama sein, sondern vielmehr in großer Dankbarkeit ruhen, dass am Vormittag desselben Tages (9.30 Uhr Männer/9.50 Uhr Frauen) auf den Straßen Amsterdams drei meiner Schützlinge ihr Bestes bei der Entscheidung im EM-Halbmarathon gegeben haben und vielleicht im deutschen Team mit auf’s Treppchen laufen.

Für Anja Scherl, der diesjährigen Sensationsfrau auf der Marathonstrecke – und dies nicht nur in Deutschland – und Kollege Philipp Pflieger wird jener Lauf nur Zwischenstation nach Rio sein, wo sich für Pflieger ein zehn Jahre langer Traum erfüllt und für Anja Scherl einer, den sie noch vor einem Jahr nicht zu träumen wagte.

Beide sind inzwischen gereifte Athleten, mitten im Leben und doch derzeit verständlicherweise ein wenig entrückt von der Wirklichkeit. Altersmäßig gilt dies nicht für Nesthäkchen Franzi Reng. Rotzfrech fuhr die damals noch nicht 20-Jährige im Februar nach Barcelona, scherte sich weder um Tod noch Teufel und erzählte Teamkollegin Anja Scherl im Ziel: „Wir fahren nach Amsterdam“.

So etwas bleibt auch mir als erfahrenen Coach als ewige Notiz in meinem Kopf. Jener unbedingte Wille, etwas schaffen zu wollen, was de facto eigentlich nicht möglich ist, macht eben die besondere Athletin aus. Auch wenn oder eben weil es die Franzi ist, die sich noch vor vier oder fünf Jahren als jugendliches Schulmädel tierisch ärgern konnte, weil sie bei den „Bayerischen“ nur Zweite geworden war.

Berauscht werde ich auch sein von der Amsterdamer Sonntagabendveranstaltung, weil dort mit Florian Orth im 5000m Finale (18.10 Uhr) wie schon 2012 mit Philipp Pflieger ein weiterer Blauer stehen wird und der Flo mit erst drei 5000ern in den Beinen zwar Mo Farah nicht gefährden wird, aber bestimmt in der dahinter folgenden Rangfolge nicht schlecht ausschauen wird. Nicht auszudenken wäre, wenn dann auch der frisch gekürte Deutsche 800m-Meister der LG Telis Finanz Benedikt Huber unmittelbar nachher (18.30 Uhr) an der Startlinie stehen würde, wenn Europas beste 800m-Läufer gesucht werden.

Doch dazu muss der „Beni“, wie wir in alle nennen, erst Vorlauf (Donnerstag, 7.7. – 12.05 Uhr) und Semifinale (Freitag, 8.7. – 18.35 Uhr) überstehen, was dann sein drittes und viertes Wunderwerk Reng’schen Ausmaßes wäre. Wer hätte schon im letzten Herbst geglaubt, dass der Oberbayer im „Rengschburger“ Trikot Wunder eins und zwei mit dem DM-Titel und der EM-Quali schafft.

Auch Maren Kock kann es bis zum Sonntag schaffen. Ihr wahrlich holpriger 1500m Weg nach Amsterdam und Rio entwickelte sich fast zum Trauma und hätte sie nicht am 1. Mai die Olympiaqualifikation über 5.000m nur um 73 Hundertstel verpasst und jene für die EM sicher eingepackt, könnte sie wohl am Freitag, den 8. Juli um 18.15 Uhr nicht am Start ihrer Lieblingsstrecke 1500m stehen. Schafft sie den Einzug ins Finale, ist sie am Sonntag (10.7. – 17.45Uhr) noch einmal dran.

Wenn nicht, muss sie einen Tag vorher über 5.000m (9.7. – 21.05 Uhr) ran. Egal wie, ihr olympischer Traum wird lodern, solange diese beiden Rennen nicht vorbei sind, und wir Regensburger werden mitfiebern bis zuletzt.

Sechs auf einen Streich, das gab’s aus Regensburger Sicht noch nie, nachdem schon das 2012er Aufgebot der LG Telis Finanz mit Kock, Pflieger, Orth und – Harrer exorbitant war.

Richtig Corinna Harrer, jener Shootingstar des Jahres 2012, die es damals bis ins Halbfinale der Olympischen Spiele von London geschafft hatte und nach heutigen Gesichtspunkten als saubere Athletin auch ins Finale gehört hätte, entwickelte sich in den Folgejahren zum absoluten Pechvogel der Blauen. Bis zuletzt hat sie nach schwerster Verletzung um ihre EM- bzw. Olympiachance gekämpft und doch nicht Unmögliches möglich machen können. Vom Potential wäre sie die Siebte für Amsterdam gewesen.

Des einen Freud, wie im Falle Huber, Reng und Scherl und der anderen Drei, des anderen Leid.

Telis-Sternchen wie Thea Heim, Stella Kubasch, Valentin Unterholzner,  Manuel Ziegler oder Jonas Koller hatten auch ihre ganz persönlichen Träume, diese auch bisweilen artikuliert. Sie hatten einfach Pech in ihren Vorbereitungen, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ihr Bestes abrufen zu können. Auf dem Weg zum Gipfel muss letztendlich einfach alles stimmen, zumal, wenn man den Weg zum ersten Mal geht.

Wenn ich dann im Flieger sitze, am Sonntagabend von Amsterdam nach München, gehören diese Jungs und Mädels genauso in meine Gedankenwelt wie die derzeitigen „Big Six“, weil es immer weiter geht in der verrückten Welt des Hochleistungssports – 2017 London, 2018 Berlin, 2019 Doha, 2020 Tokio und ich um jeden dieser unvergleichlichen Momente meiner „Blauen“ unendlich dankbar bin. 

So schreibt denn auch Corinna Harrer auf ihrer Homepage: „Das Leben besteht nicht aus Momenten in denen du atmest, sondern aus denen, die dir den Atem rauben!“

Euer Telis-Teamchef Kurt Ring

Final entrys für die Europameisterschaften in Amsterdam (Teilnehmerverzeichnis)

Quelle: LG Telis Finanz Regensburg

LG Telis Finanz Regensburg

 

 

author: GRR

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