Blog
04
07
2009

Lobinger ist ein Selbstdarsteller, eine Reizfigur, aber er fällt auf im Heer der Athleten. Deshalb hat er einen gewissen Marketing-Wert. Und der ist ja wichtig für die Funktionäre des Deutschen Leichtathletik-Verbands.

Vor der Leichtathletik-WM – Stars auf der Kippe – Mehrere Stars der deutschen Leichtathletik müssen erst noch die WM-Norm erfüllen – jetzt haben sie bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm die Chance dazu. Frank Bachner im Tagesspiegel

By GRR 0

Alexander Straub streift lässig durchs Ulmer Donaustadion. Es ist Freitagmittag, viel ist nicht los. Straub wohnt in der Nähe, also kam er her, um sich mal die Stabhochsprunganlage anzuschauen. Heute wird der Stabhochspringer Straub auf dieser Anlage um den Titel kämpfen, heute beginnen die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften.

Vor allem aber kämpft der 25-Jährige ums WM-Ticket. Er kann das gelassen machen, er ist in diesem Jahr 5,81 Meter gesprungen, er hat die A-Norm erfüllt. Straub muss nur noch unter die ersten Drei kommen.

Tim Lobinger hat mehr Stress. Er muss nicht bloß unter die ersten Drei kommen, er muss auch noch die A-Norm erfüllen (5,70 Meter). Sonst kann er sich die WM abschminken. Bisher steht seine Saisonbestleistung bei 5,63 Meter. Drei nationale Konkurrenten sind in dieser Saison schon höher gesprungen. Er ist nicht der einzige Star, der um seinen WM-Start kämpft. Der Weitspringer Sebastian Bayer, der Sprinter Tobias Unger, der Dreispringer Charles Friedek, der Diskuswerfer Michael Möllenbeck, alle stehen unter Druck. Lobinger, Bayer, Unger – Athleten, die der deutschen Leichtathletik ein Gesicht geben.

Lobinger ist ein Selbstdarsteller, eine Reizfigur, aber er fällt auf im Heer der Athleten. Deshalb hat er einen gewissen Marketing-Wert. Und der ist ja wichtig für die Funktionäre des Deutschen Leichtathletik-Verbands. Schließlich wird um einen neuen Fernsehvertrag verhandelt, und ARD und ZDF orientieren sich an den Quoten bei der WM. Lobinger ist von Meeting zu Meeting gezogen, um die Norm zu erfüllen, vergeblich. „Der Druck ist sehr groß, den man sich wegen der Heim-WM auferlegt“, sagt der 36-Jährige.

Sebastian Bayer ist bei der Hallen-EM sensationell 8,71 Meter weit gesprungen, deshalb hat ihn der DLV auf das Cover seines WM-Buchs genommen, das derzeit verkauft wird. Eine voreilige Entscheidung? Bayer hat nicht mal die schwächere B-Norm (8,05 Meter) erreicht. 8,02 Meter ist er im Freien in dieser Saison gesprungen. Springt er in Ulm die A-Norm (8,15 Meter), dann ist er bei der WM dabei. Sollte niemand diese Norm knacken, dann müsste Bayer die B-Norm erfüllen sowie zugleich Deutscher Meister werden.

Auch Tobias Unger ist Teil der Werbung. Der Sprinter ist auf den Plakaten, mit denen der DLV für die Deutschen Meisterschaften und die WM wirbt. Nur litt er zuletzt an einer Entzündung der Patellasehne. Weder über 100 noch über 200 Meter hat er eine WM-Norm erfüllt. In Ulm kämpft er um einen Staffelplatz.

Für Ex-Weltmeister Friedek und Diskuswerfer Möllenbeck geht es um einen Abschiedswettkampf. Beide beenden nach dieser Saison ihre Karriere, sie wollen unbedingt noch zur WM. Bei Friedek stehen die Chancen gut. Zur Erfüllung der B-Norm, die ihm fürs WM-Ticket wohl reichen würde, fehlen drei Zentimeter.

 Frank Bachner im Tagesspiegel, Sonnabend, dem  04. Juli 2009 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply