Selbst der Radsport, jahrelang als am stärksten verseuchte Sportart in Verruf, scheint der Leichtathletik voraus zu sein und setzt nun viel auf den Blutpass.
Vor der Leichtathletik-WM – Doping ist international außer Kontrolle – In Afrika noch keine unangemeldete Blutkontrolle, nur acht Labore, die Blutproben analysieren dürfen – die Dopingbekämpfung des Internationalen Leichtathletik-Verbandes offenbart Defizite, die selbst Experten überraschen. Friedhard Teuffel im Tagesspiegel
Berlin – Berlin – Die Dopingbekämpfung soll ein Katz-und-Maus-Spiel sein, ein Duell zwischen Jägern und Gejagten. Doch in der internationalen Leichtathletik sind die Jäger auf die Hilfe der Gejagten angewiesen. Der Athlet muss schon zum Dopingkontrolleur kommen, der Kontrolleur kommt jedenfalls nicht zu ihm.
So funktioniert in etwa das System der Blutkontrollen vor den Weltmeisterschaften, die am Samstag in Berlin beginnen. Nur in einem kleinen Teil der Welt gibt es derzeit unangemeldete Blutkontrollen.
In Afrika etwa hat es in diesem Jahr noch keine einzige unangemeldete Blutkontrolle gegeben. Gerade in dem Teil der Erde also, aus dem die besten Ausdauerläufer kommen. Das hat Chris Butler, Anti-Doping-Sprecher des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) auf Anfrage des Tagesspiegels eingeräumt. Der schwedische Forscher Bengt Saltin, Experte für Blutdoping, sagt dazu: „Das ist sehr überraschend und absolut inakzeptabel.“
Nur in Blutkontrollen kann zum Beispiel Wachstumshormon nachgewiesen werden. Und über Auffälligkeiten im Langzeit-Blutprofil versuchen Dopingjäger, Blutdoping indirekt nachzuweisen. Am Anfang dieses Jahres hatte die IAAF daher auch einen Blutpass eingeführt. Allerdings sagt Butler: „Wir haben noch keinen Testpool.“ Also keinen klar umrissenen Kreis von Sportlern, die kontrolliert werden sollen.
Sechs Labors in Europa, zwei in Nordamerika
Getestet wird das Blut nämlich vor allem von Athleten, die gerade in der Nähe eines akkreditierten Kontrolllabors sind. Acht dieser Kontrolllabors sind bislang von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zertifiziert, Blutkontrollen nach einem einheitlichen Verfahren untersuchen zu können, sechs davon befinden sich in Europa, zwei in Nordamerika. „Da ist es schwierig, eine Kontrolle durchzuführen, wenn die Athleten im Hochland von Afrika trainieren oder irgendwo in Russland“, sagt Butler, „selbst wenn es ein Labor in Südafrika gäbe, wäre es schwer, eine Probe aus Kenia dorthin zu bringen.“
Blutproben müssen nach der Entnahme bei vier Grad plus gekühlt werden und dürfen nicht länger als 36 Stunden unterwegs sein. Die IAAF hofft darauf, dass die Wada bald weitere Labors akkreditiert. Diese Labors müssen alle über bestimmte Geräte verfügen, damit ihre Testergebnisse international vergleichbar sind.
"Eine schlechte Ausrede" sagt der Experte
Bengt Saltin kritisiert dieses Verfahren: „Das ist eine schlechte Ausrede der IAAF. Ich habe genug Daten gesammelt, die zeigen, dass man die gleichen Ergebnisse auch mit unterschiedlichen Analysegeräten herausfindet.“ In jedem afrikanischen Krankenhaus könnte so zumindest der Hämoglobinwert bestimmt werden.
In diesen wissenschaftlichen Disput zwischen Wada und Saltin will die IAAF nicht eingreifen. „Dazu fehlt es uns an eigenen Forschungsergebnissen“, sagt Butler. Sie hielten sich daher an die Position der Wada. „Wir tun wirklich alles, was wir können. Aber warum sollten wir eine Million Dollar in Blutkontrollen investieren, nur um hinterher festzustellen, dass sie sich in einem juristischen Verfahren nicht verwerten lassen?“ Die bisher gesammelten 5000 Blutproben dienten vor allem als Grundlage für Zielkontrollen mit Urin.
Wilhelm Schänzer, Leiter des Kontrolllabors in Köln, spricht ebenfalls von Defiziten: „Wir haben Lücken bei den Labors.“ Sein Labor wird die 500 Blutproben untersuchen, die vor und während der Weltmeisterschaften in Berlin genommen werden. Am Montag begann der offizielle Testzeitraum.
Selbst der Radsport, jahrelang als am stärksten verseuchte Sportart in Verruf, scheint der Leichtathletik voraus zu sein und setzt nun viel auf den Blutpass. „Der Radsport hat den Vorteil, dass sie Teams mit vielen europäischen Fahrern haben und sich eben lange in Europa aufhalten“, sagt Butler. Die Leichtathletik dagegen ist eine globale Sportart – das kann ihr wie jetzt auf die Füße fallen.
Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Dienstag, dem 11.August 2009