Die ersten ausgebildeten Lauftherapeuten © - Foto: DLZ 1993
Vor 30 Jahren – Am 17. April 1993 betraten die ersten ausgebildeten Lauftherapeut:innen den Markt – Von Wolfgang W. Schüler
Einen Fuß vor den anderen zu setzen, ohne dazwischen den Boden zu berühren – das ist Laufen. Was Laufen darüber hinaus ist, was ihm Inhalt und Bedeutung gibt, hängt von den Zielen und Motiven ab, mit denen es ausgeübt wird.
Die wesentlichste Stellschraube ist hierbei die Laufgeschwindigkeit. Wer ein schnelleres Tempo anschlägt, tut dies in der Regel aus anderen Gründen als derjenige, der es langsamer angehen lässt. Womit die Weiche gestellt ist, die mehr in die Richtung des leistungsorientierten oder des gesundheitsorientierten Laufens führt.
Ihre stärkste Ausprägung findet der Gesundheitslauf in der Lauftherapie. Eingesetzt bei verschiedenen Beeinträchtigungen im körperlichen und seelischen Bereich, fungiert sie als ein Mittel der Prävention, Therapie bzw. Rehabilitation. Im Fachlichen gründet sie auf einer Anfangsdiagnose, einer Behandlungskontrolle und einer abschließenden Erfolgsmessung. Bei leichteren Formen der Beeinträchtigung kann sie für sich allein stehen, bei ausgeprägteren Krankheits- und Störungsbildern – und soweit nicht kontraindiziert – in Kombination mit primären Behandlungsmaßnahmen der Medizin und Psychotherapie von dort ihre Legitimation erfahren, und zwar als begleitende, ergänzende bzw. flankierende Maßnahme.
Die Lauftherapie hat sich aus dem Gesundheitsansatz des Breitensports Laufen heraus entwickelt.
Und begeht dieser Tage einen besonderen Geburtstag. Vor 30 Jahren, exakt am 17. April 1993 erhielten die ersten ausgebildeten Lauftherapeut:innen nach bestandener Prüfung ihr Abschlusszertifikat. Sie hatten – damals noch zweijährig – die Ausbildung am Deutschen Lauftherapiezentrum (DLZ) im ostwestfälischen Bad Lippspringe bei Paderborn absolviert – Ausbildungsleiter: Prof. Dr. Alexander Weber. Die „Lauftherapie nach dem Paderborner Modell“ ist seine Erfindung und verlieh dem Laufen und der Laufbewegung ein weiteres, neues Gesicht.
Prof. Dr. Alexander Weber – Foto: © A. Weber
Ich erinnere mich an die seinerzeitige Feierstunde im Kongresshaus zu Bad Lippspringe. Facettenreich nachzulesen auch in der DLZ-eigenen „Rundschau“, Ausgabe 10. Das Heft lässt mit seinen verschiedenen Beiträgen und gesammelten Presseberichten die damalige Freude und Aufbruchstimmung deutlich werden. Denn nicht nur wurden die ersten Ausgebildeten in die Praxis verabschiedet – eröffnet wurde neben dem laufenden zweiten Ausbildungskurs auch Kurs 3. Nicht zuletzt konnte das DLZ, ein eingetragener Verein, Räumlichkeiten An der Jordanquelle 22 sein Eigen nennen und beziehen: Geschäftsstellen-, Seminar- und Versorgungsräume. Womit die bisherige „Tingelei“ der Auszubildenden ein Ende fand.
Dass so viel Gutes an einem Tag auch prominente Referenz vertrug, verstand sich von selbst. Sie wurde in Dr. Lindi Kalnoky gefunden, österreichische Politikerin und Geschäftsführerin der Steirischen Gesellschaft für Gesundheit in Graz. Ihr Vortrag „Bewußt gesund – ein Netzwerk von der politischen Verantwortung bis zur individuellen Begeisterung“ passte gut. Der Vorsitzende des DLZ Prof. Weber seinerseits hatte viele Pressefragen zu beantworten – zu neu war die Sache, um die es ging: Lauftherapie – was sie ist und wie sie wirkt. Lauftherapeut:innen – was sie in der Ausbildung lernen und in der späteren Praxis tun können. Von sich selbst sagte Weber auf Nachfrage: „Ich sehe mich nicht als Sportler, sondern als ganzheitlichen Erzieher.“
Zurück zu den ersten zertifizierten Lauftherapeut:innen: Es waren 15 an der Zahl. Mit noch deutlicher Dominanz der Männer, was sich über die Jahre und Jahrzehnte ändern sollte. – Die anhaltende Nachfrage nach Ausbildungsplätzen sowie die mittlerweile von einem auf vier angewachsenen Ausbildungsträger zeigen, welch sicheres Gespür Weber einst leitete und welchen Anstoß er über das DLZ hinaus in die Lauf- und Therapielandschaft hinein geben konnte.
Den Leser:innen, die sich für die Konzeption der Lauftherapie, ihre Tätigkeitsbereiche und die Ausbildung von Lauftherapeut:innen interessieren, sei das nachfolgende Übersichtswerk empfohlen: Wolfgang W. Schüler (Hrsg.): Lauftherapeutin, Lauftherapeut – eine Qualifikation für dich? FAQs – Best Practices – Ausbildung. Hildesheim: Arete Verlag, 2022, 164 S.
Wolfgang W. Schüler
Der Autor: Wolfgang W. Schüler ist Läufer seit 1967, Sozialpädagoge (Dipl.) und Pädagoge (M.A.), Lauftherapeut (DLZ) und Lauftherapeut (IART – USA) sowie Begründer einer evidenzbasierten Lauftherapie bei verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. Als Autor hat er 16 Bücher zum gesundheitsorientierten Laufen und zur Lauftherapie geschrieben bzw. herausgegeben.
Zu seinem Lebenswerk zählt „Lauftherapie mit Kindern und Jugendlichen. Psychische Gesundheit und Leistungsfähigkeit durch ausdauerndes Laufen. Der Ausbildungs- und Praxisbegleiter“ (Aachen: Meyer & Meyer, 2014, 432 S.).