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10
2006

Was macht den Unterschied der Marathonläufe zwischen damals und heute aus? - Dr. Detlef Kuhlmann über die Laufbewegung

Vor 25 Jahren machten Frankfurt und Berlin den Anfang … Marathonläufe in den Innenstädten: die City als Open-Air-Sportstätte

By GRR 0

In Frankfurt fing alles an. Vor genau 25 Jahren wurde in der Mainmetropole der erste City-Marathon Deutschlands gestartet: 2.588 Läuferinnen und Läufer erreichten im Jahre 1981 hier beim „1. Internationalen Stadt-Marathon Hoechst-Frankfurt“ das Ziel. Im gleichen Jahr zog Berlin mit fünf Finishern weniger nach. In der Hauptstadt ist heute der größte Marathon für Läufer und Skater auf dem europäischen Festland beheimatet mit zuletzt 47.755 Meldungen aus 105 Nationen – Tendenz steigend, der Kurs durch die flächendeckend durch die City ist schließlich „flach und fantastisch“ ist.

Was früher nur die Ölkrise möglich machte, ist heute längst eine Selbstverständlichkeit geworden: Einmal im Jahr ruht der Autoverkehr in den großen In-nenstädten oder ist zumindest stark angeschränkt, weil stundenlang die Fußbewegten Vorfahrt haben. Und nicht nur das: Tausende Menschen ver-sammeln sich rechts und links an den Straßen. Sie bilden dann immer wie-der neu die längste Fanmeile der Welt, um stundenlang den Vorbeilaufenden – egal in welchem Tempo – zuzujubeln, sie klatschend, musizierend oder sonst wie lautstark zu unterstützen. Darin gleichen sich die Marathonläufe in Mainz und München genauso wie die in Hamburg oder in Hannover.
Die City als Open-Air-Sportstätte … vermessen auf genau 42,195 km.

Unterschied?

Was macht den Unterschied der Marathonläufe zwischen damals und heute aus? Petra Roth, Frankfurts sportliche Oberbürgermeisterin spannt den Bo-gen zwischen Vergangenheit und Gegenwart für ihre Stadt so: „War es 1981 des Stadtatmosphäre, die die Läuferinnen und Läufer nach Frankfurt gezogen hat, sehnen sich 2006 die Marathonis danach, in der Frankfurter Festhalle ins Ziel zu laufen“.
Für Berlin lässt sich einst und jetzt dagegen nicht so einfach auf den Punkt bringen: Bis 1989 führte der Kurs „nur“ durch den Westteil. Am 30. September 1990 liefen dann erstmals nach der Maueröffnung über 25.000 auch durch die Stadtbezirke im Osten:
„Die Welt blickt auf Berlin“, schreibt der 59-jährige Berliner Bernd Hübner, der einzige, der alle bisherigen Berlin-Marathonläufe absolviert hat, jetzt rückblickend in seiner als seinem Buch, in dem er eine „Liebeserklärung“ (Untertitel)an den BERLIN-MARATHON richtet. Seit dem Jahr 2003 ist das Ziel vom Kurfürstendamm in die Nähe des Brandenburger Tores auf der Straße des 17. Junis nahe dem Regierungsviertel verlegt worden, wo sich auch der Start befindet. Die in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegenen Teilnehmerzahlen in Berlin lassen auch erkennen:
Die Hauptstadt ist schon einen Marathon wert.

Immer mehr Veranstaltungen mit immer mehr Teilnehmenden

Versucht man das erste Vierteljahrhundert der City-Marathonläufe in Deutschland insgesamt Revue passieren zu lassen, dann sind nicht nur immer mehr Veranstaltungen mit immer mehr Teilnehmenden hinzugekom-men: Die ganz großen Marathonläufe sind längst ein Medien- und Wirt-schaftsfaktor, insbesondere für die Tourismusbranche geworden, nicht zu-etzt deswegen, weil mit jedem gemeldeten Läufer auch diverse Geldbewe-gungen ausgelöst werden. Der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Maennig, selbst einst Olympiasieger im Rudern, hat in einer viel beachteten Studie festgestellt, dass allein die auswärtigen Gäste bei einem Mara-thon wie dem in Berlin über 23 Mio. Euro ausgeben. Das Geld landet vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe:
„Der Marathonlauf hat eine sehr hohe volkswirtschaftliche Effizienz und höchste gesellschaftliche Priorität für die Region“, lautet eine Schlussfolgerung von Maennig, der auch Befragun-gen an Marathonläufern selbst durchgeführt hat. So wundert es kaum, dass sich die Veranstalter der Läufe einer weitgehenden Akzeptanz in der Bevölkerung und ebenso einer konkreten Unterstützung von Politik und Sponsoren erfreuen können – bis hin zum „name-droping“. Denn nicht nur Insider wissen: In Köln ist der Ford-Marathon zuhause.
Nebenan in Düsseldorf kann man sich zum Metro Group-Marathon anmelden, und wer am 13. Mai 2007 in Oberhausen oder Dortmund startet, um in Essen ins Ziel zu gelangen, der ist nicht nur im Ruhrgebiet unterwegs, sondern der läuft beim 4. Karstadt-Marathon. Übrigens: Der Sponsor dieses Marathons hatte sich kurzfristig in diesem Jahr zurückgezogen.
Der Lauf musste 2006 pausieren. Offensichtlich hat der Sponsor ihn doch vermisst …

Zahlreiche andere „Bewegungen"

Die City-Marathonläufe haben in den letzten 25 Jahren noch zahlreiche andere „Bewegungen“ ausgelöst: Da gehen nicht wie einst nur und ausschließ-lich Läuferinnen und Läufer an den Start über die Marathondistanz. Die meisten Rennen haben mittlerweile Rollstuhlfahrer und Handbiker genauso integriert wie Walking- und Nordic-Walking. Vor genau zehn Jahren kamen die ersten Marathonläufe für Inline-Skater hinzu.
Hier machte Berlin den Anfang mit zuerst 474 Teilnehmern, beim 10. Geburtstag Ende September dieses Jahres gingen 7932 an den Start.
Berlin ist auch hier europaweit „Marktführer“. Die City-Marathonläufe sind aber auch im wahrsten Sinne des Wortes Läufe für den Nachwuchs: Beim Bambinilauf über Strecken von unter tausend Meter können die Jüngsten dabei sein. Ein Mini-Marathon, meist über ein Zehntel der gesamten Strecke, wird bei etlichen Veranstaltungen als schulischer Mannschafts-Wettbewerb für Jungen und Mädchen in verschiedenen Altersgruppierungen angeboten. Der Mini-Marathon in Berlin – im Jahre 1989 in Zusammenarbeit mit dem Schulsenat deutschland-weit als erster ins Leben gerufen – gilt mit seinen 9.437 mitlaufenden Schülern und Schülerinnen aus allen Regionen inzwischen als die größte Schulsportveranstaltung im Lande … und funktioniert ganz auf freiwilliger Basis … in aller Frühe an einem Sonntagmorgen.

Der gesundheitliche Wert eines moderaten Ausdauersports

Um die Zukunft der Marathonläufe in den Städten und anderswo muss sich im Grunde derzeit niemand groß Sorgen machen – zumal der gesundheitliche Wert eines moderaten Ausdauersports von immer mehr Menschen erkannt und geschätzt wird.
Aber muss es deswegen immer gleich ein Marathon sein? Der Trend geht auch hin zu kürzen Strecken wie dem Halbmarathon. Für immer Menschen gilt auch das Motto: „Erlebnis ist mehr als Er-gebnis“.
Die gelaufene Zeit ist das eine, jeden gelaufenen Kilometer zu genießen offenbar das andere:
„Angesichts der großen Palette von Laufangeboten werden Läufer immer wählerischer. Für die Veranstalter kommt es so gesehen darauf an, mehr Kundenfreundlichkeit und Sightseeing durch gute Organisation und weitere Serviceleistungen anzustreben“, meint Horst Milde, einst als Volkslaufwart in Berlin 1974 Erfinder des BERLIN-MARATHON und heute dessen Ehren Race Director.
Er organisiert seit über vier Jahrzehnten Laufveranstaltungen, gehörte vor zehn Jahren zu den Gründern von „German Road Races“ (GRR) und ist heute deren Sprecher. Diese Interessengemeinschaft der deutschen Straßenlaufveranstalter hat sich u. a. zum Ziel gesetzt hat, die Lobbyarbeit für den Laufsport auf der Straße zu forcieren, die Basis im Zusammenwirken mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband und seinen Landesorganisationen zu verbreitern, ohne jedoch weitere wichtige Anstrengungen in der Spitze aus den Augen zu verlieren.
Breite und Spitze laufen beim Marathon so vereint zusammen wie wohl kaum in einer anderen Sportart. Mehr noch: Der City-Marathon ist jetzt endlich auch bei der IAAF, dem Welt-Leichtathletikverband angekommen. Der hat nämlich zu entscheiden, ob bei der 12. IAAF Weltmeisterschaft der Leichtathletik 2009 in Berlin erstmals den Marathonwettbewerb (und die Gehwettbewerbe) nicht mit Start und Ziel in einem Stadion auszutragen, sondern als City-Kurs auf einer auch für Zuschauer attraktiven 10-km-Rundstrecke … fast überflüssig zu erwähnen, wo: natürlich rund um Regierungsviertel und Brandenburger Tor.

45. Mal wieder „Rund um den Baldeneysee“ im Jahr 2007

City-Marathonläufe hin oder her – dass man auch außerhalb der Innenstädte wunderbar laufen kann, verrät ein Blick in die Ausschreibungen der zahlreichen Veranstalter wie beim 5. AOK-Spreewald-Marathon (Motto: „Auf die Gurke fertig los!“) im April 2007 oder beim 4. Potsdamer Schlössermarathon im Juni 2007.
Und es gibt selbstverständlich auch Marathonläufe in Deutschland, die schon wesentlich älter sind als die durch die Skyline in den Metropolen.
Dazu zählt der Essen-Marathon, der seit den Anfängen vereinsbasiert von TUSEM, dem Turn- und Sportverein Essen-Margarethenhöhe, veranstaltet wird und auch im nächsten Jahr zum 45. Mal wieder „Rund um den Baldeneysee“ führt.
Ein Fazit zum Jubiläum der City-Marathonläufe in Deutschland: Möglichkeiten zum Mitmachen gibt es von Januar bis Dezember eines jeden Jahres auf unterschiedlich langen Strecken in der City und in ländlichen Gegenden … nur laufen muss jeder für sich.
Daran wird sich auch in den nächsten 25 Jahren nichts ändern!

Dr. Detlef Kuhlmann

author: GRR

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