Die Siegerinnen-Ehrung in Darmstadt - Foto: Ludwig Reiser
Von schnellen Füßen, überaus fitten Masters, einer Vollblut-Freiwilligen und einer tapferen Frau mit dem zweiten Herzen berichtet Ludwig Reiser vom Traditions-Frauenlauf in Darmstadt
Flotte Fersen machen ihrem Namen alle Ehre
Die Stadtpolizei hatte stets ein (entspanntes) waches Auge auf das flotte Geschehen im großherzoglichen Herrngarten, die Streckenhelfer hatten eher ihren Schaff mit den schnellen Radfahrern auf dem kürzesten Weg von der Innenstadt ins Johannesviertel oder vom Kantplatz zum Landesmuseum dem sportlichen Treiben beim Darmstädter Frauenlauf schien dieses jedoch keinen Abbruch zu tun.
Entspannter kann eine kleine, aber feine Veranstaltung, wie es der Frauenlauf im Herrngarten nun einmal ist, kaum über die Bühne gehen. Zumal sich das Wetter überaus läuferfreundlich zeigte, denn nach den zum Teil heftigen Regenfällen noch am Vortag schien sogar während des Events die Sonne, sodass selbst die Fotografen etliche Mühe mit der tiefstehenden Sonne hatten.
Eitel Sonnenschein herrschte freilich bei der in gewohnter Kürze durchgeführten Siegerehrung auf dem Karolinenplatz, während die fleißigen Helferhände des veranstaltenden ASC Darmstadt und der Eventagentur wus-media UG die Laufspuren im Herrngarten im Eilverfahren beseitigten. Wie schon auf der Strecke strahlten bei der Siegerehrung die Frauen und Mädchen um die Wette.
Statt den mit nur einer kurzen Verweildauer versehenen (allgemein üblichen) Schnittblumen hatten die Organisatoren kleine Blumentöpfchen parat – und versprachen im kommenden Jahr auch auf die aus Plastik bestehenden Töpfchen zu verzichten. Schließlich gilt auch hier das Gebot der Nachhaltigkeit und der Umweltverträglichkeit. Bei den Toiletten sind die Frauenlauf-Macher schon einen Schritt in die richtige Richtung gegangen, schließlich gab es anstelle der üblichen Chemieklos die aus städtischer Hand angelieferten Kompo-Toiletten in netter Holzverpackung.
Einmal mehr jedoch machen alleine die Teilnehmerzahlen den Organisatoren um Wilfried Raatz etwas Sorgen, denn gerade einmal eine Hundertfrauschaft drehte ihre Runden im gepflegten Herrngarten. „Vielleicht ist auch eine reine Frauenlauf-Veranstaltung wie die unsrige trotz der langen Tradition ein Auslaufmodell. Aber eines ist sicher, die vielen Stammläuferinnen lieben diesen Lauf schon alleine wegen der familiären Atmosphäre, die einfach zum Laufen motivierend ist!“
Und der unermüdliche Organisator ist auch um eine „sanfte, allerdings nicht aufdringliche Bewerbung“ bemüht, wie er es gerne formuliert. „Vielleicht müssen wir doch noch neue Wege bestreiten, um frau zum Frauenlauf in den Herrngarten zu bringen“.
Eine nette Geste sind die Laufbezeichnungen Maiglöckchenlauf für ambitionierte Läuferinnen (über 5 km) und Pusteblumenlauf für Schülerinnen bis 15 Jahre (über 1300 m) oder auch der Fliederlauf, einem Schnupperlauf über 4 km ohne Klassierung mit lediglich Zeitmessung. „Mit diesen Namen möchten wir etwas vom klassischen Wettkampfgeschehen und somit etwas Leistungsdruck nehmen“, sagte Charlotte Teske, das große Darmstädter Langstreckenass früherer Jahre, die zusammen mit Wilfried Raatz den Frauenlauf vor mehr als drei Jahrzehnten aus der Taufe gehoben hatte.
Dieser wurde zunächst stets am Muttertag mit starker internationaler Präsenz ausgetragen, aus eher familiären Gründen war man dann auf einen Freitagabend in unmittelbarer Nachbarschaft zum Muttertag gewechselt – und dabei ist es im Prinzip geblieben. Es sei denn, der Freitag wird als idealer Brückentag für einen Kurztrip für die Familie genutzt, wenn der Himmelfahrtstag wie 2024 direkt davor liegt.
Ganz im Gegensatz zu den letztjährigen Ausgaben, als namhafte „local heroes“ das Geschehen auf der offiziell vermessenen 5 km-Distanz bestimmten, gaben diesmal die „Flotten Fersen“ den Ton an. Hinter dem erst kurz vor der Nachmeldefrist entstandenen Namen verbergen sich drei TU-Studentinnen, die sich über das Fitnessangebot im Hochschulstadion kennengelernt hatten – und sogleich die Plätze eins, zwei und sieben belegen konnten.
Nach ihrem furiosen Auftritt stand für Viktoria, Meike und Debora als Gesamtzeit 58:54 Minuten zu Buche und die Triathletinnen des DSW 1912 Darmstadt (mit Kai, Joanna und Susanne) und das Frauenteam der SG Arheilgen (mit Marina, Iris und Beatrix) hatten mit 1:08:46 bzw. 1:12:30 das Nachsehen. Die drei Starterinnen des Organisationsteams hatten galant auf eine Wertung verzichtet und liefen somit „under cover“.
Übrigens, die „Flotten Fersen“ zeigten sich sehr spontan – und setzten sogleich auf dem Nachhauseweg noch den gewonnenen Pizza-Gutschein zur raschen Kalorienzufuhr um. „Ein sehr schöner Lauf, den wir um fast ein Haar verpasst hätten. Denn wir haben nur durch Zufall vom Frauenlauf erfahren, deshalb auch unsere Nachmeldung erst kurz vor dem Lauf“, zeigte sich Viktoria Hossbach als Tagesschnellste vom Frauenlauf 2024 sehr angetan. Die 27jährige Studentin der Medizintechnik, die zwar schon seit ihrem 15. Lebensjahr Leichtathletik betrieb, steigerte in der ihr eigenen Spontanität ihren 5 km-Hausrekord um gleich eine halbe Minute auf 18:38 Minuten. Mit 19:08 Minuten folgte Meike Baldus schon die nächste „flotte Ferse“, ehe die ASC-Läuferin Katja Sluijter als Dritte mit 19:31 das Podium abschloss.
Hinter der aus dem Nordhessischen stammenden Alina Rubener (20:11) kam mit erstaunlichen 20:29 die W50-Mastersläuferin Marina Lefort, die seit Jahren eine Stammläuferin beim Frauenlauf ist und nach eigener Einschätzung noch nie so weit vorne platziert war. „Wieder einmal eine sehr schöne Veranstaltung. Versprochen: Für das nächste Jahr mache ich viel Werbung!“ Überhaupt waren einige schnelle Mastersfrauen bestplatziert, wie die Kategoriensiegerinnen Maya (W40) und Christiane Brand (W60) auf den Rängen sechs und zwölf.
Bis nach Bremen hat sich übrigens der Darmstädter Frauenlauf herumgesprochen. Kurzentschlossen reiste Heike am Freitagmittag per Deutschlandticket an, half als „Vollblut-Freiwillige“ beim Aufbau der Veranstaltung vor und im Herrngarten mit, lief die 5 km und verabschiedete sich in Richtung Grünstadt, wo sie am Samstag wieder als engagierte Helferin mitarbeiten wollte. Die 53jährige Laufbegeisterte macht bei ihrem „Freiwilligendienst“ aber auch nicht vor Grenzen halt, denn sie war bereits schon bei den Marathonläufen in Salzburg oder in Zürich im Einsatz. Hut ab vor einem derartigen Engagement!
Beliebt ist gewiss die Familienwertung, bei der zwei Familienmitglieder (Mutter-Kind) gewertet werden. Die „Seitenstecher“ (Nadine und Sara) sicherten sich die Kombi aus Maiglöckchenlauf (5 km) und Pusteblumenlauf (1300 m), während die „Schnellen Gazellen“ aus Seeheim-Jugenheim die Kombi aus dem Maiglöckchenlauf gewannen. Schnellstes Mädchen auf der anerkannt schnellen Herrngartenrunde war Theresa Wiesler („Tolles Team“) mit 5:22 Minuten vor der erst neunjährigen Katharina Engraf („Die flotten Bienen“) mit 5:46 Minuten.
Für alle ist beim Frauenlauf im Herrngarten Zeit und Raum für ein sportliches Treiben, so auch für Ann-Kathrin, die mit ihrem „zweiten Herzen“ acht Monate nach der Operation über vier Kilometer unter Aufsicht walkte.
Und versprach frohgemut: „Das mache ich im nächsten Jahr wieder“.
Ludwig Reiser
https://www.darmstadt-laeuft.de/darmstadter-frauenlauf/