Vom Vater beflügelt – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – David Rudisha läuft einen neuen Weltrekord über 800 Meter
Ein 800-Meter-Lauf in weniger als 1:41 Minuten sei bestimmt möglich, sagte David Rudisha in Brüssel. Da war sein Weltrekord von 1:41,09 Minuten gerade vier Tage alt. Ein Mann, ein Wort: Zwei Hundertstel fehlen seit Sonntag zu der lange phantastisch erscheinenden Bestzeit.
In Rieti lief der 21 Jahre alte Kenianer am Sonntag, eine Woche nach seinem Weltrekord von Berlin und zwei Tage nach seinem Sieg über den sudanesischen Hallen-Weltmeister Abubaker Kaki beim Finale der Diamond League in Brüssel (1:43,50), die zwei Stadionrunden in 1:41,01 Sekunden.
Die Jagd nach der 1:40 vor dem Komma hat Rudisha nach der zweiten Weltrekordprämie von mindestens 50.000 Dollar innerhalb einer Woche allerdings abgeblasen. Nach dem Continental Cup am Samstag in Split will er seine Saison beenden und auf die Commonwealth Games im Oktober verzichten. „Zu einer großen Karriere gehören nicht nur Rekorde, sondern auch Medaillen“, findet Rudisha. „Rekorde verliert man. Titel bleiben.“
Weltrekord: Rudisha verbessert seine eigene Bestmarke
Deshalb will er mit der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2011 in Daegu und auf die Olympischen Spielen von London 2012 beginnen, sobald er zurück in Iten ist. Dort, in 2400 Meter Höhe, trainiert er seit fünf Jahren an der St. Patrick’s School bei dem irischen Gottesmann Brother Colm O’Connell. Der ehemalige Lehrer hat eine Vielzahl von Lauftalenten entdeckt, unter ihnen seinen damaligen Schüler Wilson Kipketer. Der lief 1997 innerhalb von elf Tagen zweimal Weltrekord über 800 Meter.
Seine Bestzeit von 1:41,11 Minuten war fast dreizehn Jahre lang unerreichbar – bis Rudisha kam. „Brother Colm ist ganz sicher der wichtigste Mensch in meiner Karriere“, sagt Rudisha. Der Junge David war Zehnkämpfer, als er bei einem Schulfest O’Connell begegnete.
Was beide damals nicht wussten: David Rudisha senior, inzwischen 65 Jahre alt und schwer behindert von Arthritis und Sehschwäche, gehörte zur kenianischen 4 × 400-Meter-Staffel, die 1968 bei den Olympischen Spielen von Mexiko die Silbermedaille gewann. „Ich habe realisiert, dass ich rennen kann, als ich herausfand, dass mein Vater ein Läufer war“, erzählte der Junior. „Das gab mir die Moral: Wenn er es geschafft hatte, dann könnte ich es vielleicht auch.“
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 30. August 2010
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