Vielleicht müssten die europäischen Läufer zurückfinden zu unseren ,altmodischen’ Trainingsmethoden.
Viktor Röthlin: „Europäer haben immer eine Chance“ – Eine Umfrage des Magazins ,Spikes’ zur Situation der Eliteläufer in Europa (Teil 3)
Ist der europäische Laufsport tot? Diese provokante Frage stellte das britische Leichtathletik-Magazin ,Spikes’ in einer Ausgabe im vergangenen Jahr bezüglich des Spitzensportes einer Reihe von Athleten, Funktionären und Managern.
Hier folgt der dritte und letzte Teil dieser Umfrage:
Viktor Röthlin (Schweiz), Marathon-Europameister von Barcelona 2010:
„Nein, Europas Laufsport ist nicht tot. Als europäischer Athlet hast du immer die Chance, bei einer Meisterschaft eine Medaille zu gewinnen. Aber es ist extrem
wichtig den kompletten Fokus auf den ,Tag X’ zu legen. Diese absolute Konzentration auf ein bestimmtes Rennen ist unsere große Stärke. Ich selbst und andere haben dies in der Vergangenheit bewiesen und ich bin sicher, dass das auch in der Zukunft funktionieren wird.“
Bernard Lagat (USA), Weltmeister über 1.500 und 5.000 m 2007:
„Europas Athleten brauchen eine andere Herangehensweise beim Training. Was vor 25 Jahren bei Sebastian Coe klappte, funktioniert heute vielleicht nicht mehr. Länder wie Großbritannien schicken ihre Trainer auf Seminare, was eine gute Sache ist. Es ist wichtig, denn Europa ist ein großer Markt und das Interesse an der Leichtathletik ist dort sehr groß.“
Ingrid Kristiansen (Norwegen), frühere Marathon-Weltrekordlerin:
„Vielleicht sind die Läufer in Europa heute etwas zu bequem. In Europa haben alle mehr als genug von allen Dingen. Da es uns gut geht, wollen die Athleten nicht so hart arbeiten wie wir vor 30 oder 40 Jahren. Aber wer hart genug trainiert, der kann immer noch mithalten – wir brauchen nur zu Paula Radcliffe zu schauen.
Vielleicht müssten die europäischen Läufer zurückfinden zu unseren ,altmodischen’ Trainingsmethoden. Möglicherweise versuchen sie heute Abkürzungen zu nehmen, um zum Erfolg zu kommen. Ich glaube, viele rennen im Training zu langsam bei ihren langsameren Trainingseinheiten und zu schnell bei den schnellen. Vielleicht sollten sie mehr in ihrem Renntempo trainieren.“
Dieter Hogen (Trainer von einer Reihe von kenianischen Marathonläufern sowie früher unter anderen von Uta Pippig):
„Die derzeitige Situation ist aus vielen Gründen für niemanden gut – Verbände, Veranstaltungen, Sponsoren, die Athleten selbst. Trotz allem, obwohl es derzeit in Europa nicht viele gute Elite-Langstreckenläufer mehr gibt, ist der Lauf im Spitzenbereich nicht tot und nur weil vor allen afrikanische Athleten derzeit dominieren kann Aufgeben niemals zur Debatte stehen. Neben denen, die es derzeit versuchen gibt es immer wieder neue Talente, sie sind nicht ausgestorben und werden immer da sein, von 800 m bis Marathon.
Die derzeitige Elite sollte sich besinnen und oft da trainieren, wo die Besten zurzeit sind, Gruppentraining suchen im eigenen Land, in Europa, in Afrika, weil das eigene kleine Süppchen kochen noch nie funktioniert hat. Die Konkurrenz kennen, sich selbst immer wieder vergleichen, selbst Spaß dabei haben, das schafft neue Motivationen, mehr Begeisterung statt Resignation und nimmt die Angst vor Wettkämpfen. Genauso wichtig oder im Moment noch mehr ist die Nachwuchsförderung, die immer mit der Talente-Sichtung beginnt.
Eltern, Trainer, Betreuer, Veranstalter, aktive und ehemalige Spitzenathleten sind in der Verantwortung, Jugendliche für den Sport zu begeistern, ihnen die Freude am Laufen zu vermitteln, damit fängt es an. Kinder haben keinen Bezug zu den derzeitigen Spitzenzeiten und sollten sich auch nicht damit beschäftigen. Unbefangenheit ist der einzige Weg, damit Talente zum Ziel kommen.“
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