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01
2022

Symbolbild - Skispringer Noriaki Kasai - Titisee-Neustadt 2016 - Foto: Wladyslaw Sojka- www.sojka.photo - Wkipedia

Vierschanzen-Tournee: Warum der Bergisel in Innsbruck den großen Triumph einleitet – Von KLAUS BLUME

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Beim Neujahrsspringen 2022 auf der Olympia-Schanze in Garmisch-Partenkirchen – bei dem vor Ort keine Zuschauer zugelassen waren – sammelten sich 5,45 Millionen Deutsche vor ihren Fernsehgeräten.

Das bestätigte, bei einem Marktanteil von 29,8 Prozent fasziniert Skispringen noch immer. Woher aber rührt diese seit Jahrzehnten anhaltende Faszination? Der Österreicher Werner Schuster – von 2008 bis 2019 deutscher Bundestrainer – vermutet: „Vielleicht gibt es einen tiefen Wunsch der Menschen, fliegen zu können.“

Dieses Unvorstellbare ringe ihnen wohl tiefen Respekt ab.

Das Unvorstellbare:

Mit neunzig Sachen rasen die Springer auf den Schanzentisch zu, um sich von dort in die Lüfte zu katapultieren. Um zu fliegen, wie ein Vogel! Schaut so einfach aus und geht doch so oft schief.  Der Österreicher Toni Innauer, einst Olympiasieger, später daheim Cheftrainer der Weltbesten, derzeit ZDF-Kommentator, sieht es so: „Es hat einen simplen Grund, warum es so ist: Du kannst pro Tag nicht mehr als vielleicht zwanzig Sprünge von einer großen Schanze machen.  Die Pausen dazwischen sind so lang, dass das Dynamische im Kopf und im Körper verblasst, bis der nächste Versuch möglich ist. Dem Skispringer fehlt also das Training vieler aufeinander folgender Bewegungen, die diese einschleifen und selbstverständlich machen. Selbst die größten Erfolge beschleunigen einen Skispringer also nicht auf Umlaufbahnen, die er vorher nicht gekannt, nicht einmal gedacht hatte.“

Das gilt vor allem für die dritte der vier Sprungstationen dieser Tournee, für das Bergisel-Springen in Innsbruck. Auf einer Höhe von 746 Metern spielt sich hier der dritte von meist vier dramatischen Akten ab. Warum aber ausgerechnet in Innsbruck? „Sie ist nicht nur die schönste Schanze der Welt, sie ist auch die geilste Schanze der Welt.“ Das behauptet der Österreicher Gregor Schlierenzauer, 2013 Triumphator am Bergisel und damals auch Gesamtsieger der Tournee. Fällt hier, in einem menschenleeren Ski-Stadion, auch diesmal die Vorentscheidung?

Siebenmal in der 70jährigen Geschichte der Tournee entschied übrigens ein deutscher Skispringer in Innsbruck die Tournee vorzeitig zu seinen Gunsten: Helmut Recknagel (1958), Max Bolkart (1960), Hans-Georg Aschenbach (1974), Jochen Danneberg (1976), Manfred Deckert (1982), Jens Weißflog (1984) und Sven Hannawald (2002). Vielleicht faszinieren auch diese Erinnerungn die deutschen Skisprung-Fans. Immerhin interessieren sich rund 9,67 Millionen Menschen hierzulande für diese Sportart. Das ermittelte jedenfalls die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) auf einer breiten statistischen Basis.

Übrigens, von 2010 bis 2020 war der Gewinner auf dem Innsbrucker Bergisel zugleich auch Gesamtsieger der Tournee. Im letzten Jahrzehnt fing nur der polnische Olympiasieger Kamil Stoch, im Jahre 2017, im abschließenden Springen in Bischofshofen den damals führenden Norweger Andre Tande noch ab.

Ansonsten? 31mal triumphierte als Gesamtsieger auch der Sieger von Innsbruck. Innauer nennt es „ein markwürdiges Gemisch aus Zahlen und Emotionen.“

Der schweigsame und dem Alkohol nicht allzu abgeneigte Finne Janne Ahonen schaffte es gleich dreimal, sowohl in Innsbruck als auch in Bischofshofen als Gesamtsieger zu triumphieren – 2003, 2005 und 2008. Heute arbeitet er still und von den jungen Athleten kaum bemerkt, als Zeugwart der nordischen Kombinierer im finnischen Verband. Still geworden ist es auch um den ersten japanischen Gesamtsieger der Tournee im Jahre 1998, Kazuyoshi Funaki. Zurück gezogen lebt der Mitvierziger in Sapporo, der japanischen Olympiastadt von 1972.

Wer jedoch in den unendlichen Musikarchiven der Altstadt von Tokio stöbert, kann vielleicht dort noch auf einen österreichischen Schlager von ehedem stoßen – er trägt den Titel „Funaki“.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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