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06
01
2022

Symbolbild - Skispringer Noriaki Kasai - Titisee-Neustadt 2016 - Foto: Wladyslaw Sojka- www.sojka.photo - Wkipedia

Vierschanzen-Tournee 2021/2022 – Kobayashis großes Geheimnis: Er verspürt keinerlei Druck – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Markus Neitzel kennt Ryoyu Kobayashi ziemlich gut. Der Mann aus dem Schwarzwald hat viele Jahre lang als Pfarrer in Japan gearbeitet; bei der Vierschanzen-Tournee fungierte er als Dolmetscher.

Warum, Herr Neitzel, ist Kobayashi allen anderen derart überlegen gewesen? Warum ist es ihm jetzt als Einzigem gelungen, gleich zweimal (2019 und 2022) die Vierschanzen-Tournee zu gewinnen? „Ryoyu ist völlig entspannt“, erklärt Neitzel, „er verspürt keinerlei Druck.“ Das sei es – mehr an Geheimnissen gäbe es nicht. Deshalb habe er auch in Bischofshofen nicht alles auf eine Karte gesetzt.

Dennoch: Kobayashi liebe das Fliegen und weite Sprünge, deshalb bezeichnet er wohl Bischofshofen – wo am Donnerstag das letzte Springen der Tournee 2021/22 stattgefunden hat – als seine Lieblingsschanze. Er war bereits im letzten Sommer dort; einen Monat lang trainierte er mit seinem österreichischen Coach Richard Schallert in Europa. Schallert erzählte jetzt in Bischofshofen, er habe den gesamten Sommer über keinen einzigen schwachen Flug von Kobayashi erlebt.

Vor allem aber: Die Zusammenarbeit zwischen Schallert und Kobayashi ist wohl einer jener seltenen Glücksfälle, von denen niemand zu träumen wagt. Genauso ist es nämlich dem Vorarlberger Richard Schallert (56) ergangen, als im April 2018 dessen Telefon klingelte. Am anderen Ende war Noriaki Kasai, Japans Skisprung-Ikone. Nach dem unerwarteten Abgang seines finnischen Trainers Janne Väätäinen suchte er dringend einen Ersatzmann. Diesen Job bot er Schallert an. Kasai, der mittlerweile 49jährige Skiflug-Weltmeister von 1992 ist zwar immer noch aktiv, doch zugleich arbeitet er auch als Sportdirektor der Tsuchiya Holdings, einer Immobilienfirma im Olympiaort Sapporo; eines Unternehmens, das sich des Skispringens angenommen hat. Schallert zögerte nicht, sondern sagte sofort zu.

Er hatte schließlich Einiges vorzuweisen. Einst arbeitete er unter Toni Innauer und Alexander Pointner als Assistenztrainer in Österreich. Überaus erfolgreich. Von 2014 bis 2018 wirkte er dann in Tschechien. Als Schallert nach Japan kam, gab ihm Kasai allerdings zu verstehen, dass im Training keine großen Veränderungen erwünscht seien. Dennoch stellte Schallert das Krafttraining um. Den anfangs skeptischen Kobayashi überzeugte er damit aber erst, als dieser die Konkurrenten beim Sommer-Grand-Prix in Hakuba deklassiert hatte.

Von da an versetzte Kobayashi alle mit seinem kräftigen und präzisen Absprung in Erstaunen. Kein anderer Springer fand jemals so schnell in die Flugposition wie er; niemand anderer schafft es, seine Ski so plan zu führen und dabei soviel Geschwindigkeit mitzunehmen wie er. Das Geheimnis des Erfolges, sagt Schallert, sei „die sehr koordinierte Knie- und Hüftstreckung.“

Erlernen könne man das freilich nicht. Hinzu käme die innere Ruhe. Sie sei seine größte Stärke. Kobayashi lebe auf einem eigenen Planeten und denke dabei nicht ständig ans Skispringen.

Wie fast jeder 25-jährige bewegt er sich gern in den sozialen Internet-Medien. Dort bezeichnete er sich auch als „Neo-Japaner“; also weniger den Traditionen verbunden. Er mache eben alles, was junge Leute in seinem Alter sonst so machen: Shoppen, Faulenzen. Und er fährt gern in seinem schnellen Sportwagen aus Deutschland durch die Lande. Sein Vermögen wird derzeit auf eine Million Euro geschätzt.

Aber darüber spricht er nicht. Seine Antworten sind ohnehin sehr knapp gehalten. Er sagt dann meistens, wie auch in Bischofshofen, dass er einfach nur glücklich sei, Teil der Skispringer-Szene zu sein.

Mehr habe er gar nicht angestrebt.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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