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04
12
2014

Alljährlich findet ein leichtathletischer Wettbewerb mit Seltenheitscharakter und trotzdem einschließlich Beliebtheitsfaktor im Hausstadion des Berliner Sportclubs Charlottenburg statt, für den Claus Wilutzky viel Arbeit investiert und Verantwortung trägt. ©Horst Milde

Vier Helden und sechs weitere -10 x 10 km-Staffel (2014) im Berliner Mommsenstadion – Horst Matznick berichtet

By GRR 0

Christi Himmelfahrt, meist immer ein schöner Tag 10 Tage vor Pfingsten. Die Wetterlage, nun ja, könnte manchmal besser sein, aber die Eisheiligen stellen sich wiederkehrend darauf ein. Religiöse Feste brauchen wir.

Zur Besinnung,  auch für die Freizeit, zum Ausgleich, Antrieb und  – wenn man so will –  zum Seelenheil  – auch durch Sport.

Alljährlich findet ein leichtathletischer Wettbewerb mit Seltenheitscharakter und trotzdem einschließlich Beliebtheitsfaktor im Hausstadion des Berliner Sportclubs Charlottenburg statt, für den Claus Wilutzky viel Arbeit investiert und Verantwortung trägt.

Immer zehn eingeschriebene Leute aus Vereinen zu finden, die sich unbedingt einen schnellen und doch beschwerlichen Lauf über 10.000 Meter gönnen wollen, ist nicht einfach. Dementsprechend ausgewählt sind die Teilnehmer. Die müssen nämlich wollen und können, wenn es um bestimmte Weihen gehen soll. Was kann weihevoller als ein Weltrekord im sportlichen Sinne sein?

Den anzugehen mit Hinblick auf Erfolg war zumindest die Absicht von 10 Vereinsmitgliedern der Leichtathletik-Abteilung des Pro Sport Berlin 24, und zwar in der Klasse 55+. Älter als 55 sind einige, manche über 60/65, sogar die über 70jährigen zählen dazu, last but not least die zugelassene Ausnahme: eine Frau.

Egal wie, die Staffel  des PSB 24 stand und es wurde gelaufen, mit Staffelstab. Acht weitere Teams beteiligten sich am 250-Runden-Spektakel. An dieser Stelle auf alle einzugehen, wäre wohl zu viel des Guten. Lassen wir es bei den Gelbhemden, die sich vorgenommen hatten, den vom SCC Berlin gehaltenen WR (7 Stunden, 50 Minuten) zu unterbieten.

Jeder PSB-Starter hatte dazu eine eigene Schätzzeit anzugeben, um zu überblicken, wie sich der Wettkampf entwickelt, Anreize zu geben oder taktisches Verhalten anzuwenden. Nach der Gesamtzeitwunschliste sah alles sehr gut aus. 7 Stunden 38 Minuten, das war eine deutliche Ansage. So ein Teamlauf hat seine Tücken. 10 Leute unter einen Hut zu bekommen ist nicht einfach.

Ein Ausfall, schon ist die Staffel aus der Wertung. Günter Lewanzik erkrankte. 43 Minuten wollte er bringen, eine sehr gute Ausgangslage. Ersatz? Keiner, dann kam die Heldin Nr. 1 Bärbel Rennung als Startläuferin. Sie lief und es war super (46:50), dennoch fehlten 3 Min. 50 Sek. Blieben noch 8 Min. 10 Sek. Auf Position 2 kam Werner Frost (70+!), er brachte eine Gutschrift von 1:47 ein (geschätzt 53 Min., tatsächlich 51:13), das gab Hoffnung. Friedhelm Holz erwischte wohl einen rabenschwarzen Tag (oder zwickte etwas?).

Statt der angegebenen 44 vermerkte der Zeitnehmer 49:20 Minuten, immerhin unterm 5er Schnitt. Leider verringerte sich  dadurch die Chance, den Rekord zu packen, immer mehr. Jetzt standen nur noch 4:37 Minuten als Polster. Reinhard Röcher erkämpfte 1:40 (48/46:20). 6:17, wieder etwas Luft. Wenn ab jetzt alle ihr vorher gesagtes Timing einhalten würden, gäbe es keine Probleme. Als 5. übernahm der fast 74jährige Horst Matznick den Stab.

Gleichmäßiger als er lief niemand. 48 geschätzt, 48:11 gelaufen. Hut ab. Was nun folgte verhalf zum Zittern. Reinhold Happersberger, der 60er, ein noch immer ernst zu nehmender Dauerläufer, aber die paar Kilo augenblicklichen Mehrgewichts kosteten ihn 64 Sek. (43/44:04 Min.). Dann folgte Manfred Kretschmer, der seinen 45 geschätzten 45:22 Minuten entgegensetzte. 22 Sek. minus. Prima, obwohl es immer dünner wurde, nur noch 4:40, aber immerhin, der WR war noch in greifbarer Nähe. Dann kam Peter Haase… wie ein Uhrwerk, das war beruhigend.

Die 48 avisierten Minuten verbesserte er auf 46:57. Das brauchten wir. Der Vorletzte, Klaus „Emil“ Hertel, meine Güte, er gab alles und brachte die anwesenden Teamkollegen in Wallung, die mitfieberten und unablässig  anfeuerten. Klaus erwies sich als echter Garant. Statt 42 Minuten lief er 40:33. Einfach toll. Jetzt zum Finale. An ihm lag alles: Ewald Klammer. 44 Minuten wollte er, doch ihm gings nicht sonderlich. Eigentlich ein Grund, gar nicht zu laufen.

Wäre es so gekommen, keiner hätte gemurrt. Ewald trat an und lief und lief. Jeder konnte sehen, wie bitter es war. 44 Minuten wären normalerweise kein Problem für ihn gewesen. Er kämpfte Runde um Runde. Die 25 wollten kein Ende nehmen. Und doch kam es, dank einer bravourösen Leistung unseres Finalisten (47:38). Trotz „überzogener“ 3:38 Minuten reichte es. Mit 3 Minuten 29 Sekunden wurde der alte Weltrekord des SCC Berlin unterboten. Bezogen auf 100 km knapp, aber gerecht und hart erkämpft. 

Der letzte Held des Tages war heilfroh, es überstanden zu haben und allen anderen des Teams war die Freude deutlich anzusehen. Ein Weltrekord in der Altherrenriege, dazu noch mit einem Nicht-Mann, nämlich einer Frau. Irgendwie war das alles am Himmelfahrtstag wohl verdient und, um einen Superlativ zu gebrauchen: genial. Sport, insbesondere Laufen macht einfach Spaß. Wer das nicht glaubt, versäumt schöne Momente.

Horst Matznick

author: GRR

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