Den absoluten Höhepunkt bildete dann der Auftritt von Alan Sillitoe (London), Verfasser von „The Loneliness of the Long-Distance Runner“ (deutsch zuerst im Diogenes Verlag, Zürich 1967) - jener Einsamkeit des Langstreckenläufers, die mittlerweile nicht nur unter Läufern zu einem geflügelten Wort geworden ist.
Viel positive Resonanz beim diesjährigen Literatur-Marathon – Baumann, Ockers, Herburger und Sillitoe lasen vor innerhalb des „4. internationalen literaturfestivals berlin“
Auf viel positive Resonanz bei Mitwirkenden und Zuhörenden stieß der 15. Literatur-Marathon im Rahmen des 31. real,- BERLIN-MARATHON, der in diesem Jahr erstmals in Kooperation mit dem "4. internationalen literaturfestival berlin (ilb)" im alt-ehrwürdigen Hebbel-Theater (HAU) in Berlin-Kreuzberg in der Stresemannstraße stattfand.
Lesung in einer Marathonzeit von 4:06:30 – Baumann und sein "Lebenslauf"
Rein zeitlich gesehen überdauerte die Lesung mit Diskussion in der Tat über eine ausgedehnte Marathonzeit von 4:06:30 Std. Als erster Vorleser ging Olympiasieger Dieter Baumann (Tübingen) an den Start. Er las zunächst Passagen aus seinem Buch „Lebenslauf“ (erschienen bei der Deutschen Verlagsanstalt, Stuttgart 2002) aus der Zeit unmittelbar nach dem positiven Dopingbefund 1999:
„Laufen war zur Therapie geworden. Ich musste es schaffen, wenigstens eine Stunde am Tag. Nur eine Stunde laufen, nur für mich“. Danach begeisterte er die Besucher mit Kurzprosa über seine Erlebnisse als „weißer Kenianer“ beim Höhentraining im ostafrikanischen Gebirgsland, wo er einst mit einer „Hundertschaft“ von kenianischen Spitzenläufern „unter ferner liefen“ mittrainieren wettkämpfen durfte.
Eislauf – bei Minus 42 Grad
Der Hamburger Tom Ockers – im Hauptberuf freier Fernsehjournalist u.a. mit Beiträgen für die ARD – ist bei der Geburt seines Sohnes ein Gelöbnis eingegangen: Teilnahme beim Sibirian Ice Marathon in Omsk.
Davon handelt seine eiskalte Reportage „Eislauf“ (List-Verlag, München 2002). Er finishte lesend noch einmal die Strecke bei Außentemperaturen von Minus 42 Grad: „Im Ziel herrschte eine merkwürdige Stimmung. Alle, die noch da waren, fielen sich um den Hals und die meisten heulten wie Schlosshunde. Niemand jubelte, bei manchen wusste man nicht genau, ob sie lachten oder weinten“.
Herburgers "Schlaf und Strecke"
Im zweiten Teil der Lesung gab es dann gleich eine Buchpremiere: Günter Herburger (München), einer der dienstältesten (Jahrgang 1932) und bekanntesten deutschsprachigen Autoren, der sich literarisch mit dem Laufen beschäftigt, las erstmals aus seinem zwei Tage vorher ausgelieferten jüngsten Werk „Schlaf und Strecke“ (A 1 Verlag, München 2004). Herburger, der übrigens beim 25. BERLIN-MARATHON 1999 den Festvortrag hielt, hat wieder äußerst akribisch detaillierte Schilderungen von (außergewöhnlichen) Läufen vorgelegt, die er selbst in letzter Zeit mitgemacht hat.
Er las das Kapitel „Comrades“:
„In Bechern war stark gechlortes Wasser ausgeschenkt worden, das zum Husten reizte, jedoch zu Ende ging. Nur noch Coca Cola in kleinen Flaschen blieb vorrätig, eine Verheerung, denn der Zuckerspiegel schnellte hoch, boshafte Kräfte mit im Zug, sowie verbesserte Laune, fast manische Zuversicht, dann stürzte er um Grade ab“.
Höhepunkt mit Alan Sillitoe
Den absoluten Höhepunkt bildete dann der Auftritt von Alan Sillitoe (London), Verfasser von „The Loneliness of the Long-Distance Runner“ (deutsch zuerst im Diogenes Verlag, Zürich 1967) – jener Einsamkeit des Langstreckenläufers, die mittlerweile nicht nur unter Läufern zu einem geflügelten Wort geworden ist.
Sillitoe, der selbst wegen einer Krankheit nie längere Distanzen selbst laufen konnte bzw. durfte, gab einen Einblick in die Entstehungsgeschichte dieser Erzählung in den 1950er Jahren und las dann im englisch-deutschen Wechsel mit dem Schauspieler Frank Arnold (Berlin):
„Den ganzen Tag können sie uns nachspionieren, um zu sehen, ob wir uns zusammenreißen und gut arbeiten und unseren Sport treiben, aber unser innerstes Wesen können sie doch nicht röntgen, um rauszufinden, was sich da abspielt … Und dieser Fez mit dem Langstreckenlauf ist das Beste dran, weil ich dabei so gut nachdenken kann.“
MARATHON-Bildband 2003 – als Dank
Der langjährige Race Direktor des BERLIN-MARATHON Horst Milde, der den Literatur-Marathon einst mit initiiert hatte und bei der Lesung zusammen mit seiner Ehefrau Sabine anwesend war, dankte hinterher den Autoren und überreichte ihnen einen Bildband über den 30. Jubiläums BERLIN-MARATHON im letzten Jahr.
Fazit:
Der 16. Literatur-Marathon 2005 kann kommen … vielleicht wieder in Zusammenarbeit mit dem „5. internationalen literaturfestival berlin“.
Dr. Detlef Kuhlmann