Norbert Skowronek: "Es gilt, den Sport in Berlin finanziell abzusichern." ©Hansjürgen Wille
Viel erreicht, Großes liegt vor uns – Interview mit LSB-Direktor Norbert Skowronek über das Sportjahr 2012 – Hansjürgen Wille in SPORT in BERLIN
Ein gutes Jahr liegt hinter uns, ein hoffentlich gutes vor uns. LSB-Direktor Norbert Skowronek betrachtet durchaus zufrieden die derzeitige Situation in Berlin, wenngleich auch noch manches verbesserungsbedürftig ist, wie er im Interview erklärt.
Wo steht der Berliner Sport zu Beginn des Olympiajahres 2012?
Ich glaube, wir sind gut aufgestellt, auch was die weitere Entwicklung der Mitgliederzahlen anbelangt. Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Zuwachs von etwa einem bis zwei Prozent haben werden, was unter anderem einigen neuen Sportarten wie Floorball oder Speedminton geschuldet ist. Wahrscheinlich werden wir 587 000 Mitglieder zählen und uns langsam der Schallmauer von 600 000 nähern.
Wo sehen Sie noch Steigerungspotenzial?
In jedem Fall im Gesundheitssport, vor allem was den männlichen Sektor angeht. Hier gilt es vernünftige Programme zu entwickeln, denn die Herren der Schöpfung halten im Allgemeinen nicht allzu viel von der Gymnastik. Doch ich bin sicher, dass die LSB-Gesundheitssportkommission unter Vorsitz von Dr. Jürgen Wismach die entsprechenden Angebote entwickeln wird. Verstärkt ist auch der Blick auf den Senioren- und andererseits auf den Kleinkinderbereich zu richten, wo sich für die Vereine eine Menge Möglichkeiten ergeben.
Kommen wir vom Breiten- zum Leistungssport und damit zu den Olympischen Spielen in London.
Ich schließe mich gern der Meinung der Fachleute vom Olympiastützpunkt an, die stets von der Formel 50 plus x reden, was heißen soll, das rund eine halbe Hundertschaft aus Berlin im Sommer in die englische Hauptstadt fahren wird. Einiges hängt davon ab, ob sich die deutschen Wasserballer qualifizieren können, denn hier stellen die Spandauer Wasserfreunde mit acht Spielern das Hauptkontingent. Ganz stark werden natürlich die Ruderer und Kanuten vertreten sein, wahrscheinlich auch die Schwimmer.
Und wie sieht es mit etwaigen Medaillenchancen aus?
Wenn man die Leistungen des vorolympischen Jahres zugrunde legt, dann ergeben sich hervorragende Perspektiven für den Diskuswerfer Robert Harting, der in Daegu seinen WM-Titel mit Erfolg verteidigen konnte. Aber viel traue ich auch der Modernen Fünfkämpferin Lena Schöneborn und der Schwimmerin Britta Steffen zu, die nach einer Formkrise wieder auf dem Weg zu alter Stärke ist. Beide gewannen übrigens vor vier Jahren Gold in Peking. Aber auch die drei Ruderinnen Tina Manker, Britta Oppelt und Julia Richter aus dem 2011 siegreichen WM-Doppelvierer haben bewiesen, dass sie ein ernstes Wörtchen mitsprechen wollen. Und warum sollte nicht auch der Wasserspringer Patrick Hausding oder gar die Tennisspielerin Sabine Lisicki, gerade erst zu Berlins Sportlerin des Jahres gewählt, für Überraschungen sorgen.
Bisher haben Sie noch nichts über die Situation der Berliner Mannschaften gesagt. Wie sieht es damit aus?
Da können wir uns ganz gewiss nicht beklagen. Im Gegenteil, keine andere deutsche Stadt hat in dieser Beziehung soviel Erfolg vorzuweisen wie Berlin. Erfreut war ich über den nicht unbedingt erwarteten Titelgewinn der SG Empor Brandenburger Tor im Badminton und der Vizeeuropameisterschaft der Wannsee-Golferinnen, zweier Sportarten, die nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit stehen wie das beispielweise bei den Handballern der Füchse Berlin der Fall ist, die eine sensationelle Saison hinter sich haben, nicht nur in der Bundesliga, sondern auch in der Champions League eine großartige Figur machten. Zu den positiven Erscheinungen zählen natürlich die Eisbären, die Fußballer von Hertha BSC, die problemlos den Aufstieg schafften, Alba Berlin, aber auch im Tischtennis der TTC Eastside und die SCC-Volleyballer.
Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen und den Terminkalender 2012 beleuchten?
Da gibt es wieder eine Vielzahl hochkarätiger Veranstaltungen, einmal abgesehen von den Dauerbrennern wie dem DFB-Pokalfinale, Berlin-Marathon und Istaf, wo sich hoffentlich die finanziellen Belange durch Gewinnung neuer Sponsoren bessern. Dieses Sportfest muss schon deshalb erhalten werden, weil Berlin 2018 die Leichtathletik-Europameisterschaften austragen und nicht mit einem negativen Image in die Bewerbung gehen will. Das Weltcup-Finale im Eisschnelllaufen gehört ebenso zu den Highlights der kommenden Monate wie das Olympia-Qualifikationsturnier der Volleyballer oder auch der FINA-Schwimm-Weltcup, ganz abgesehen von den diversen Deutschen Meisterschaften, so im Hockey, Tischtennis, Radsport (Omnium) oder Schwimmen.
Gibt es am Vortag des Istaf wieder ein Breitensportfest?
Selbstverständlich, den 1. September sollten sich bereits jetzt alle rot in ihrem Terminkalender anstreichen, denn auf dem Olympiaparkgelände wird am Tag des Berliner Sports noch mehr los sein als beim letzten Mal, als 50 000 Menschen gekommen waren. Damit es keine Warteschlangen an bestimmten Stationen gibt, wird noch mehr Fläche zur Verfügung gestellt und außerdem die Angebotspalette erweitert. Schließlich sollen Eltern mit ihren Kindern die Möglichkeit haben, möglichst viele Sportarten auszuprobieren. Alle großen Profiklubs der Stadt haben sich übrigens bereit erklärt, wieder dabei zu sein.
Noch ein Wort zu Ihnen. Nach 26-jähriger Tätigkeit als LSB-Sportdirektor werden Sie am 29. Februar Ihren Schreibtisch räumen. Was hinterlassen Sie Ihrem Nachfolger?
Auf jeden Fall eine Menge Arbeit und viele angeschobene Projekte, die fortzuführen sind. Sehr wichtig wird es u. a. sein, das sich in jedem Bezirk mindestens ein Großverein als Sport- und Gesundheitssportzentrum etabliert und dass es gelingt, den Sport in Berlin finanziell abzusichern und ihm eine stabile Basis für die Zukunft zu verschaffen.“
Interview: Hansjürgen Wille in SPORT in BERLIN , Januar/Februar 2912