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02
07
2008

Die Usada hat zwölf Olympia-Stars für zusätzliche Dopingtests und die Erstellung von Blut- und anderen Profilen verpflichtet. Angeblich soll auf alles getestet werden.

Vertrauen aufbauen – US-Zehnkämpfer Bryan Clay bezieht aus eigenem Antrieb Stellung zum Thema Doping – Jens Weinreich in der Berliner Zeitung

By GRR 0

EUGENE. Da stand der Held ganz lässig, als wäre nichts gewesen und sinnierte laut über neue Taten. Gerade hatte der Zehnkämpfer Bryan Clay, 28, einen beeindruckenden Auftritt mit 8 832 Punkten gekrönt. Es war die weltweit beste Leistung seit dem Olympiasieg des Tschechen Roman Sebrle 2004 in Athen, als Clay Zweiter wurde.

Es war die beste Leistung eines Amerikaners seit sechzehn Jahren, seit Dan O'Brien. Also hätte sich Clay, der kaum etwas mehr hasst, als den abschließenden 1 500-Meter-Lauf, nicht eher ins Sauerstoffzelt begeben müssen? Stattdessen redete er und redete. Gab Interviews mit seinem dreijährigen Sohn Jacob Azra auf dem Arm. Musste sich nicht einmal anlehnen.

Clay, geboren in Texas, aufgewachsen auf Hawaii, sprach von einem möglichen Dreifachsieg bei Olympia, nachdem die Kollegen Tray Hardee (8 534 Punkte) und Tom Pappas (8 511) in Eugene ebenfalls überzeugt hatten. Und er plauderte über den Weltrekord von Sebrle (9 026). "Das kann ich schaffen, vielleicht sogar in Peking. Es läuft alles bestens."

Normalerweise ist das einer jener Momente, da man sich eher abwendet, weil dieses immer-schneller-immer-weiter-immer-höher-immer-besser zwar in der Natur der Sache liegt, doch nicht recht mit den real existierenden pharmakologischen Einflüssen des Hochleistungssports korrespondiert. Clay aber zählt zu jener seltenen Spezies von Weltklasseathleten, die aus eigenem Antrieb regelmäßig Stellung beziehen. Er hat sich geäußert zum Balco-Skandal und anderen Verstrickungen. Und er machte kürzlich ein Projekt öffentlich, das von der US-Antidopingagentur Usada als geheim eingestuft worden war.

"Project Believe" nennen es die Amerikaner. Das zunächst limitierte Programm soll den Glauben an das Gute im Sport zurückbringen. "Jeder Doper bestimmt sofort die Schlagzeilen und kommt auf ESPN", schimpft Clay, "ich habe keine Lust mehr, mir das anzuhören. Hier geht es aber mal um die anderen."

Sechs Tests in zwei Wochen

Die Usada hat zwölf Olympia-Stars für zusätzliche Dopingtests und die Erstellung von Blut- und anderen Profilen verpflichtet. Angeblich soll auf alles getestet werden. Es ist eine illustre Liste: Dabei sind die Leichtathleten Bryan Clay, Allyson Felix, Lauryn Williams, Dee Dee Trotter und Tyson Gay; die Schwimmer Michael Phelps, Natalie Coughlin (die bei den Trials in Omaha schon Weltrekorde aufgestellt haben) und Dara Torres (die mit 41 nochmal zu den Spielen will); die Radfahrer Kristin Armstrong, Sarah Hammer, Christine Thorburn und Jeremiah Bishop.

Nur widerwillig hat Usada-Chef Travis Tygart im April bestätigt, worüber Clay und Allyson Felix zuvor gesprochen hatten. Tygart nannte aber keine Namen. Stattdessen feierte sich die Agentur dafür, dass in Peking erstmals nur Amerikaner starten sollen, die in 120 Tagen vor den Spielen wenigstens eine Dopingkontrolle hatten. Künftig soll für Olympiakader Meldepflicht bestehen. Weiter ist man noch nicht. Gab es Ärger, weil er geplaudert hat? "Nein", sagt Clay, "ich würde mich davon auch nicht beeindrucken lassen."

Allein im März sei er sechs Mal in zwei Wochen unangekündigt getestet worden. "Die haben mir alles Mögliche abgezapft, jedes Mal fünf Ampullen mitgenommen und mir regelrecht die Arme zerstochen." Da scheint die Usada einen Großteil ihrer Energie auf Clay, den Freiwilligen, konzentriert zu haben. Denn insgesamt gab es im ersten Vierteljahr 2008 nur 289 Trainingskontrollen unter US-Leichtathleten, von denen allein 1 000 in Eugene starten. Natürlich ist das mit Zahlen so eine Sache. Aber auch mit dem Glauben. Vertrauen schaffen? Das dauert.

Jens Weinreich in der Berliner Zeitung – Mittwoch, dem 2. Juli 2008

Berliner Zeitung

author: GRR

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