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24
09
2009

Er ist dreifacher Weltmeister, Olympiasieger und Weltrekordhalter. Seit seiner Rückkehr nach Jamaika ist Usain Bolt aber noch mehr. Die jamaikanische Regierung ernannte den 23-Jährigen zum Diplomaten - inklusive Pass und passender \"Botschafterrolle\".

Usain Bolt – Jörg Wenig berichtet – Der Diplomat in Turnschuhen

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Was genau ihn in Jamaika erwarten würde, das ahnte Usain Bolt nach seinem letzten Saisonrennen beim World Athletics Final (WAF) in Thessaloniki noch nicht. Als er nach seinem gut zweieinhalb Monate dauernden Europatrip, während dem er unter anderem drei WM-Goldmedaillen gewann und Weltrekorde über 100 m (9,59 Sekunden) sowie 200 m (19,19) aufstellte, nach Kingston zurückkehrte, hatte er mit „einer Pressekonferenz mit Regierungsmitgliedern“ gerechnet.

Doch es gab noch mehr für den Superstar der Leichtathletik: Usain Bolt ist ab sofort nicht nur Olympiasieger, Weltmeister und Weltrekordler sondern nach einem Regierungsbeschluss auch noch Diplomat. Er erhielt von seinem Land eine ,Botschafterrolle’ inklusive Diplomatenpass. Visa-Problem dürfte es in der Zukunft für den Jamaikaner nicht mehr geben.

Usain Bolt ist mit 23 Jahren der jüngste Jamaikaner aller Zeiten, dem der ,Order of Jamaica’ verliehen wurde. Es ist die vierthöchste Ehrung des Landes und beinhaltet die Anrede mit ,Ehrenhafter’. Nach dem ,Ehrenhaften Mr. Usain Bolt’ wurde parallel zudem eine Schnellstraße in Jamaika benannt. Aus dem Highway 2000 wurde nun der ,Usain Bolt Highway’. Ironischerweise handelt es sich um jene Schnellstraße, auf der Usain Bolt im Mai mit seinem BMW-Sportwagen von der Straße abgekommen war und sich überschlagen hatte. Bis auf Blessuren blieb der Sprinter damals unverletzt, während das Auto dagegen nur noch Schrottwert hatte.

Usain Bolt sorgte in den letzten Wochen in Europa nicht nur mit seinen Leistungen sondern auch bezüglich deren Randerscheinungen für Erstaunen. Beim Golden League-Finale in Brüssel kam der größte Niederschlag nicht in Form des befürchteten Dauerregens. Stattdessen regnete es Sitzkissen. Plötzlich flogen immer mehr auf die Laufbahn – und das, obwohl im König Baudouin-Stadion von Brüssel nicht Fußball gespielt wurde und es demzufolge auch keine für die Zuschauer strittige Entscheidung gegeben hatte.

Stattdessen war Usain Bolt 200 m gelaufen. Nach dem Auftritt des Jamaikaners flippten die Zuschauer regelrecht aus. So begeistert waren gut 45.000 Menschen in der ausverkauften Arena, dass viele ihre Sitzkissen auf die Bahn warfen. Die 400-m-Runde musste gesäubert werden, bevor das nächste Rennen gestartet werden konnte. Trotz kühler und feuchter Witterung war Usain Bolt in Brüssel die  200 m in 19,57 Sekunden gelaufen, der viertschnellsten Zeit aller Zeiten.

Dass bei einem Leichtathletik-Event Sitzkissen fliegen, ist ziemlich einmalig in der Geschichte der Sportart. Einmal, so können sich Journalisten erinnern, die seit Jahrzehnten über Leichtathletik-Ereignisse berichten, ist etwas vergleichbares passiert: Nachdem 1971 bei den Europameisterschaften in Helsinki der Finne Juha Väätäinen die 10.000 m mit rund einer halben Sekunde Vorsprung vor dem für die DDR startenden Jürgen Haase gewonnen hatte, warfen die Zuschauer ebenfalls vor Begeisterung ihre Sitzkissen auf die Bahn. So wie die Finnen damals ,ihren’ Sieger feierten, feierten die Belgier nun 2009 Usain Bolt.

Auch eine Woche später, beim WAF in Thessaloniki, gab es eine Bolt-Wirkung. Gut zwei Wochen vor der zweitägigen Veranstaltung hatten die Organisatoren erst rund 15 Prozent der insgesamt etwa 52.000 Tickets verkauft. Dann wurde bekannt, dass Usain Bolt am Sonntag die 200 m laufen würde und in kurzer Zeit war die Arena an beiden Tagen ausverkauft. Die BBC hatte ursprünglich keine Übertragung vom WAF vorgesehen. Nach Bolts Startzusage machten die Briten jedoch eine Kehrtwende:

Plötzlich gab es doch Bilder vom World Athletics Final im britischen Fernsehen. Nachdem es gut eine Woche zuvor Anschläge in Athen und Thessaloniki gegeben hatte, gingen die Griechen bezüglich des Stars auf Nummer sicher. Sie stellten Usain Bolt mehrere Bodyguards zur Seite.

„Ich bin froh, dass die Saison vorbei ist und ich ohne Verletzungen durchgekommen bin. Jetzt will ich nur noch nach Hause und mich ausruhen. Ich bin nicht so sehr der Strandtyp. Ich bleibe lieber zu Hause und höre Musik oder gehe mal in einen Klub – das Laufen werde ich dabei nicht vermissen“, erzählte Usain Bolt. Bezüglich seiner Pläne für das nächste Jahr konnte der Jamaikaner noch nichts sagen. „Das werde ich mit meinem Trainer besprechen.“

Mehrere alternative Wettbewerbe waren in den vergangenen Wochen ins Gespräch gekommen. Was er vorziehen würde, wenn er die Wahl hätte zwischen dem Weitsprung und den 400 m, wurde Usain Bolt gefragt. „Wenn mir mein Trainer die Wahl ließe, würde ich lieber weitspringen“, antworte der Sprinter.

Offen steht Usain Bolt einem Duell mit Kenenisa Bekele gegenüber. Nach der WM hatte der äthiopische Langstrecken-Star, wie Leichtathletik berichtete, auf eine entsprechende Frage geantwortet: „Über 800 Meter schlage ich Usain Bolt – für ein solches Duell wäre ich bereit.“ Kenenisa Bekele hatte daraufhin in Brüssel bestätigt, dass er sich auch über eine etwas kürzere Strecke einen Zweikampf vorstellen könnte. Usain Bolt könnte darauf eingehen. Im Gespräch sind offenbar 600 m. „800 Meter geht nicht. Aber 600 Meter bin ich früher schon einmal gelaufen. Das wäre ein Spaß gegen Kenenisa Bekele. Wenn mein Coach sagt okay, dann mache ich das“, erklärte Usain Bolt.

Während der Jamaikaner sicherlich keine Hallenstarts absolvieren wird, könnte er so trotzdem im Winter auftreten. Ins Gespräch gebracht wurde für ein solches Duell bereits Doha (Katar). Dort könnte der 600-m-Lauf im März im Rahmen der Hallen-Weltmeisterschaften stattfinden, allerdings im Freien. Bolt gegen Bekele – dieses Duell könnte ein ähnlich großes Interesse wecken wie der 150-m-Zweikampf zwischen Donovan Bailey (Kanada) und Michael Johnson (USA) vor zwölf Jahren in Toronto. Damals allerdings stoppte Michael Johnson im Rennen eine Muskelzerrung.

Vielleicht muss die ,Corriere dello Sport’ dann nochmals ihre Auflage steigern. Nach dem WM-Finale über 100 m in Berlin verzeichnete die italienische Sportzeitung eine Steigerung von 100.000 Stück. Normalerweise werden zurzeit 300.000 Zeitungen verkauft, an jenem Montag waren es plötzlich 400.000.

Usain Bolt sorgte in der Saison 2008 in jeglicher Hinsicht für neue Dimensionen.

Jörg Wenig in "leichtathletik"

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