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08
2015

2015 IAAF World Championships Beijing, China August 22-30, 2015 Photo: Andrew McClanahan@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.NET

Usain Bolt gewinnt GOLD über 200 m – Kameramann fährt Bolt um – „Er sollte das vor dem Rennen machen“ – Michael Reinsch, Peking in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Die Augen links. So kam Usain Bolt, der erfolgreichste Sprinter der Welt, aus der Kurve auf die Zielgerade. Wer nur sein Gesicht beobachtet hätte in diesem Endlauf über 200 Meter, würde darin ablesen können, was er dachte und was er fühlte: Wo ist Gatlin? Nicht ganz gleich auf.

Bolt hatte von der Startvorgabe einige Zentimeter durch die Kurve retten können. Augen auf die Anzeigentafel und die Zähne zusammengebissen! Und dann huschte so etwas wie Erleichterung, fast schon ein Lächeln über das Gesicht des großen Jamaikaners. Er wusste dreißig, vielleicht vierzig Meter vor dem Ziel, dass Justin Gatlin nicht mehr aufkommen würde. Dass er den Herausforderer niedergerungen hatte.

Sechs, sieben Riesenschritte noch, in denen sich sein Vorsprung vergrößerte, dann ließ Bolt locker, ballte die Fäuste und deutet schon vor der Ziellinie mehrmals mit beiden Daumen auf seine Brust: ich, ich, ich!

Doch der Sieg in der besten Zeit des Jahres, 19,55 Sekunden, der Bolt seinen zehnten Weltmeister-Titel eingebracht hat, war kein Triumph wie der über 100 Meter am Sonntag. Diesmal war der Gewinn, das ließ Bolt mit seiner Mimik und seiner Gestik alle wissen, ein Glück.

Und als wollte das Unglück sich in Erinnerung bringen, ereilte es ihn rücklings auf der Ehrenrunde. Bolt hatte die Zielgerade ein zweites Mal erreicht, und er ließ sich barfuß, die neongelben Spikes in der Hand, von dem enthusiastischen Publikum feiern.

Da rollte ein Kameramann des chinesischen Fernsehens, der ihm auf einem Segway-Stehroller gefolgt war, mit einem Rad auf die Schienen für den Kameraschlitten neben der Bahn. Das Gefährt drehte sich, der Kameramann kippte nach hinten, und als sei es ein Streich, rollte das Fahrzeug dem ahnungslosen Bolt in die Waden. Der Läufer fiel weich, nämlich auf den armen Kameramann, und rollte dann elegant rückwärts ab.

Es spricht für ihn, dass er, als er wieder auf den Beinen war und das offenbar schmerzende Bein gerieben hatte, zurücklief und nach dem gestürzten Kameramann sah. Bei der Pressekonferenz nach dem Rennen machten Bolt und Gatlin Witze über diese Szene, die sich über die sozialen Netzwerke sofort in alle Welt verbreitete. „Es gehen hier schon die ersten Gerüchte um, dass Justin Gatlin den Mann bezahlt hat“, meinte Bolt. Der Amerikaner meinte daraufhin: „Ich will mein Geld zurück. Der hat da etwas falsch verstanden. Er sollte das vor dem Rennen machen. Nicht danach.“

Es war ein versöhnlicher Ausgang dieser Rivalität zwischen Bolt und Gatlin, die am Wochenende zur Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse, zwischen Rettung und Untergang der Leichtathletik stilisiert worden war. Gatlin, in 19,74 Sekunden deutlich geschlagen Zweiter, lachte im Ziel, schien wie Bolt selbst zu staunen über diesen allein vom Willen erzwungenen Sieg.

Gatlin: „Ich bin der älteste Mann im Feld“

„Ein Boss. Ich bin einfach glücklich“, sagte Bolt. „Es gab keinen Zweifel.“ Über 200 Meter sei er ein anderer Mensch, behauptete er, nur ein einziges Mal besiegt. „Meine vier Goldmedaillen von Weltmeisterschaften über die zweihundert, das ist wirklich was, eine echte Leistung.“

Bolt wurde in Berlin 2009, Daegu 2011, Moskau 2013 und nun in Peking Weltmeister auf der langen Strecke; wegen eines Fehlstarts gewann er allein in Daegu die 100 Meter nicht. Die Zuschauer applaudierten beide. Was für ein Unterschied zum Sonntag, als eine feindselige Atmosphäre gegenüber Gatlin herrschte und selbst Reporter wie die der BBC – die sich auch noch filmten dabei – aufsprangen und jubelten, nicht nur weil Bolt gesiegt, sondern auch weil der Amerikaner geschlagen war.

„Ich bin der älteste Mann im Feld und renne immer noch“, sagte Gatlin, „sogar ziemlich gut.“ Es mache Spaß, sich mit Bolt zu messen; zu den Olympischen Spielen werde er noch stärker zurückkommen. Am Sonntag noch hatte er grimmig jeden Kommentar verweigert. Die beiden klatschten sich ab auf der Bahn und setzten sich kurz darauf gemeinsam auf eine Bank und einen Stuhl im Innenraum.

Die Rangordnung war geklärt, beide waren zufrieden. Die jamaikanische Kolonie auf den Rängen jubelte wie üblich, und auch chinesische Fans, ansonsten schwer zu begeistern von Athleten, die nicht aus dem Reich der Mitte stammen, sprangen über Stühle und Bänke, um einen Blick auf den größten Star der Leichtathletik zu werden, den schnellsten Mann der Welt.

Bolt hält Weltrekord in 19,19 Sekunden

Vor diesen Titelkämpfen hatten einige den 33 Jahre alten Amerikaner Gatlin als Favoriten gesehen. Denn fast zwei Jahre lang hatte Bolt immer mal wieder pausiert, mal wegen Erschöpfung, mal wegen Verletzung, und so groß war sein Trainingsrückstand schließlich geworden, dass Gatlin ihn im Vergleich der Ergebnisse deutlich überflügelte. Für die 100 Meter habe er Bolt noch fit bekommen, ließ sich Trainer Greg Mills Anfang der Woche vernehmen.

Aber die 200, meine Güte, die zu trainieren sei nun wirklich keine Zeit mehr gewesen. Erstmals in diesem Jahr unterbot sein Läufer, gerade 29 Jahre alt geworden, im Vorlauf die 20 Sekunden auf der langen Sprintstrecke. Niemand war von den 19,95 Sekunden im Halbfinale beeindruckt. Schon gar nicht Bolt; er hält seit der WM 2009 in Berlin den Weltrekord von 19,19 Sekunden.

Erst ein bisschen posen, dann küssen

Vier Läufer in diesem Finale kamen in weniger als zwanzig Sekunden im Ziel. Dritter wurde Anaso Jobodwana aus Südafrika in der Rekordzeit seines Landes von 19,87 Sekunden. Alonso Edwards aus Panama wurde mit der gleichen Zeit Vierter; das Schiedsgericht entschied nach Tausendstelsekunden.

Zum Schluss der Ehrenrunde posierte Bolt noch ein wenig für die Kameras. Dann kniete er nieder und küsste die Bahn. Hier ist bei den Olympischen Spielen 2008 sein Stern aufgegangen.

Und soll auch noch in Rio 2016 und bei der WM in London 2017 strahlen.

Michael Reinsch, Peking in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 27. August 2015

Hier die Online-Petition zum Unterstützen gegen die DLV-LAUFMAUT: 

Online-Petition "Stoppt die DLV-Laufmaut"

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