Ultras auf dem trail - mit sehr interessierten Zuschauern! © Chiemgauer 100 - Giselher Schneider
Ultramarathons – zu wenige Veranstaltungen oder zu viele Läufer? Dr. Ronald Musil berichtet
Man sollte meinen, dass es die Veranstalter von Ultramarathonläufen, speziell von Distanzen jenseits der 100 Kilometer, besonders schwer haben, ihre Teilnehmerfelder gefüllt zu bekommen. Das ist aber mitnichten der Fall, wie folgend aufgezeigt werden soll.
Als die „Mutter" aller 100-Meilen-Trail-Läufe wird häufig der Western States Endurance Run (WS100) beschrieben. Jedes Jahr zeigt sich die große Anziehungskraft dieses Klassikers in besonderer Weise. Die Startplätze reichen nämlich längst nicht mehr für alle interessierten Läufer aus. Also musste ein System her, um zumindest annähernd so was wie Fairness zu schaffen.
Der U.S. Forest Service hat die Anzahl der Teilnehmer auf 369 beschränkt. Diese zunächst etwas sonderbar anmutende Zahl liegt darin begründet, dass 1984 in Kalifornien das Naturschutzgesetz verabschiedet wurde, das auch das Granite Chief Naturschutzgebiet beinhaltet. Der Western States Trail verläuft ca. 6 bis 10 Meilen genau durch dieses Gebiet. Damit wäre der WS100 nicht mehr durchführbar. Da aber der WS100 bereits vor 1984 durch dieses Gebiet verlief, wurde dem WS100 in einer Ausnahmeregelung erlaubt, weiterhin den Trail auf diese Weise zu nutzen.
Die einzige Bedingung bestand nun darin, nicht mehr Teilnehmer zuzulassen als in dem Jahr, bevor das Gesetz verabschiedet wurde. Und das waren genau 369 Läufer. Da diese Anzahl nicht in jedem Jahr genau einzuhalten ist, hat man sich mit dem Forest Service auf einen fünfjährigen Durchschnitt verständigt.
Bevor nun allerdings die interessierten Läufer an ihre Startnummern kommen, haben diese noch einen weiten Weg vor sich. Zunächst gilt es, sich in einem der vom Veranstalter vorgegebenen 178 Rennen für den WS100 am 23. Juni 2012 – eventuell auch noch innerhalb eines Zeitlimits – zu qualifizieren.
Die Liste der Qualifikationsrennen wird in den kommenden Jahren nach Aussage des Renndirektors Greg Soderlund weiter gekürzt. Naturgemäß finden die meisten dieser Rennen in den USA statt, nur wenige in Europa. In Deutschland wurde bisher nur zwei Veranstaltern diese Ehre zuteil: Dem Chiemgauer 100 und dem STUNT100. Das Zeitlimit für ein 50-Meilen-Rennen beträgt 11 Stunden, das für ein 100-Kilometer-Rennen 14 Stunden, während ein 100-Meilen-Lauf in der vom jeweiligen Veranstalter vorgegebenen Cut-Off-Zeit absolviert werden muss.
Nachdem dieser erste Qualifikations-Schritt getan ist, müssen sich die Läufer innerhalb einer kurzen Anmeldephase online bewerben. In diesem Jahr begann die Anmeldung am 12.11. und endete am 26.11. Letztlich konnten sich für das Rennen im kommenden Jahr 1.944 Läufer, davon 198 nicht US-Amerikaner (inkl. 4 Deutsche), mit gültiger Qualifikation in die Liste eintragen, die für die weitere Prozedur maßgebend ist. Denn es geht weiter…
Bevor es in die Endphase des Auswahlverfahrens geht, werden durch den Veranstalter bestimmte Läufer bevorzugt. Dazu zählen beispielsweise die jeweils zehn besten weiblichen und männlichen Finisher des Vorjahres. Weitere 36 Plätze werden für die Gewinner der Montrail-Ultra-Cup-Serie reserviert. Zudem werden Plätze für Läufer von Sponsoren und Clubs freigehalten, die Verpflegungspunkte während des Rennens betreuen. Letztlich gibt es noch eine Reihe weiterer Reservierungen. Besonders erwähnen möchte ich eine namentliche Reservierung, nämlich die für Gordy Ainsleigh, der 1974 erstmalig den Trail solo gelaufen war.
Die restlichen Startplätze werden in einer Lotterie verlost. Diese Lotterie ist jedes Jahr ein großes Ereignis und wird u.a. auch live im Internet übertragen. Dieses Jahr findet die Lotterie am 10.12.2011 um 09:00 Uhr statt. Nur wenig mehr als ca. 10% aller angemeldeten Läufer haben die Chance in der Lotterie einen Startplatz zu gewinnen. Ausländische Teilnehmer werden nach einem besonderen Verfahren berücksichtigt und müssen sich nicht an der Lotterie beteiligen. Im Übrigen gelten ähnliche Prozeduren auch bei einigen anderen amerikanischen Rennen.
Von Amerika nach Afrika. Der bedeutendste Ultramarathon der Welt findet seit 1921 jährlich, mit Ausnahme der Kriegsjahre 1941 bis 1945, in Südafrika statt – der Comrades Marathon. Auch wenn der Comrades Marathon kein 100-Meilen-Rennen ist, so muss er an dieser Stelle allein wegen seiner langjährigen Tradition zwingend Erwähnung finden.
Der Comrades Marathon ist ein Rennen über ca. 56 Meilen, der im jährlichen Wechsel von Pietermaritzburg nach Durban führt, wie auch am 03. Juni 2012 bei seiner 87. Auflage, bzw. von Durban nach Pietermaritzburg. Die Teilnehmer haben 12 Stunden Zeit, um die 56 Meilen zu bewältigen. Dieses Rennen ist in Südafrika eines der bedeutendsten Sportereignisse schlechthin. Die Anmeldephase für 2012 hat am 01. September 2011 begonnen und endete am 28.11.2011 mit dem vorher festgelegten Teilnehmerlimit von 18.000 Läufern, also wenige Tage bevor die offizielle Anmeldefrist endete.
In Europa ist der Lakeland 100 der 100-Meilen-Lauf mit den meisten Teilnehmern und findet wiederum am 27.07.2012 statt. Am 01.10.2011 begann die Anmeldephase und nur 14 Tage später war nach Aussage des Renndirektors Terry Gilpin die maximal mögliche Teilnehmerzahl von 300 erreicht.
Wer nun allerdings der Meinung ist, in Deutschland gibt es überhaupt nicht genügend interessierte Läufer, sollte einmal die Veranstalter insbesondere der 100-Meilen-Läufe fragen. Häufig ist es dabei so, dass einzelne engagierte Personen, wie Giselher Schneider (Chiemgauer 100) oder Hans-Jürgen Köhler (STUNT 100), aus eigenem Antrieb und häufig ohne weitere Organisationserfahrung ein begeistertes Team von freiwilligen Helfern um sich scharen und den Lauf zu einem Event mit familiärem Charakter machen.
Dies ist einer der Gründe, warum die Teilnehmerzahlen begrenzt sind, ein anderer sind die schwierigen Abstimmungen mit Behörden und privaten Landbesitzern. Diese Rahmenbedingungen führen dazu, dass die Teilnehmerfelder regelmäßig innerhalb kürzester Zeit ausgebucht sind oder gar nur als private Einladungsläufe ausgetragen werden können.
Seit 2004 organisiert Giselher Schneider den Chiemgauer 100. Zunächst nur als 100-Kilometer-Lauf geplant, kam 2006 die 100-Meilen-Strecke dazu. Die Teilnehmerzahl ist kontinuierlich von 35 auf heute 150, davon 50 auf der 100-Meilen-Strecke, gestiegen. Damit ist das höchstmögliche Teilnehmerlimit ausgereizt. Allein 70 Helfer, häufig unterstützt durch Begleiter der Läufer, sind vor und während des Laufes u.a. für Streckenmarkierung und Verpflegung im Einsatz.
Der STUNT100 wird von Hans-Jürgen Köhler nach dem Vorbild der privat organisierten Läufe des Hans-Dieter Weisshaar nunmehr im Jahre 2012 zum achten Mal ausgerichtet. Hans-Dieter Weisshaar ist im Übrigen mit aktuell 130 absolvierten 100-Meilen-Läufe der erfolgreichste 100-Meilen-Läufer weltweit und regelmäßig auch beim STUNT 100 zu finden. Vier unterschiedliche Runden mit jeweils demselben Ausgangspunkt machen es möglich, weitreichend individuell auf die Wünsche der Läufer einzugehen, as auch den besonderen Reiz dieser Veranstaltung ausmacht. Um diesen familiären Charakter beizubehalten, ist das Läuferfeld bei 30 Teilnehmern geschlossen. Na, ja, teilnehmen kann sowie so nur derjenige, der eine persönliche Einladung erhält.
Beiden Läufen ist gemeinsam, dass sie durch wunderschöne Natur (der STUNT100 durch das Leinebergland, der Chiemgauer 100 durch die Chiemgauer Alpen) führen und dem Läufer viel, viel mehr bieten als so mancher Lauf auf langweiligem Asphalt je bieten kann.
Dr. Ronald Musil
Tel.: 030-24729266
Die Herausforderung!
100MeilenBerlin
Der Mauerweglauf
www.100meilen.de
100MeilenBerlin – Der Mauerweglauf. 17./18. August 2013.
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