Dr. Dr. med. Lutz Aderhold - Ultramarathon - 100 km-DM in Rodenbach am 6. Oktober 2012 (1) ©privat
Ultramarathon – 100 km-DM in Rodenbach am 6. Oktober 2012 (1) – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Am 6. Oktober findet in Rodenbach bei Hanau die 25. Deutsche Meisterschaft im 100 km-Lauf statt. Aus diesem Anlass soll der Ultramarathonlauf sowie die Historie des 100 km-Laufs von Rodenbach in 2 Beiträgen dargestellt werden.
„Ultra" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „über, hinaus…". Unter einem Ultralauf oder Ultramarathon versteht man üblicherweise einen Lauf, der länger als Marathon (42,195 km) ist. Dabei kann es sich um Distanz- (z.B. 50 km, 100 km) oder Zeit-Läufe (z.B. 6, 12, 24 oder 48 Stunden) handeln.
Die Distanzläufe werden als Punkt zu Punkt Veranstaltung oder auf einer größeren Runde (5, 10 km) durchgeführt. Bei den Zeitläufen wird meist auf einem kurzen Rundkurs (400m bis 2 km) gelaufen. Bei diesen Wettkämpfen hat am Ende gewonnen, wer innerhalb der gegebenen Zeitspanne die größte Strecke zurückgelegt hat. Der Vorteil dieser Wettbewerbe ist, dass das Ende zeitlich festgelegt ist und alle Teilnehmer zum gleichen Zeitpunkt ihr „Ziel" erreichen.
Es ist die sozialste Form eines läuferischen Miteinanders. Dem Miteinander kommt so eine höhere Bedeutung zu und das Gegeneinander verflacht mit zunehmender Zeitdauer. Es besteht die Möglichkeit, das gleichmäßige und kontrollierte Laufen zu trainieren und damit Ängste vor einer längeren Strecke abzubauen (Aderhold und Weigelt 2012).
„Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt" (chinesisches Sprichwort).
Der 50 km-Lauf gilt allgemein als kürzeste Ultramarathon-Standard-Strecke. Nach oben gibt es keine Grenzen. Im amerikanischen Raum sind auch 100-Meilen-Läufe sehr beliebt. Die derzeit einzige Standardstrecke, über die es Deutsche und Internationale Meisterschaften gibt, ist der 100 km-Lauf. Im 24 h-Lauf werden Internationale Meisterschaften veranstaltet. Die für internationale Wettbewerbe zuständige IAU, die internationale Ultramarathon-Vereinigung, hat 2008 zusätzlich damit begonnen, Internationale Meisterschaften im „Ultra Trail" zu veranstalten.
Dem allgemeinen Trend von Laufveranstaltungen folgend nimmt die Beliebtheit von Ultraläufen mit „Event"-Charakter derzeit stark zu, während die erzielten Zeiten bzw. Leistungen in der Spitze und Breite stark rückläufig zu sein scheinen. So sind derzeit viele 100km-Läufe aus dem Veranstaltungskalender verschwunden, dagegen gab es im Jahr 2009 14 24h-Läufe allein in Deutschland. Während 24h-Läufe für die Spitzenläufer mit weit über 200 Laufkilometern natürlich höchste Anforderungen bereithalten, schätzen Breitensportler, dass es zum Beispiel keinen Zielschluss wie bei 100km-Läufen nach 13 oder 14 Stunden gibt. Jeder kann so auch einmal probieren 100 Kilometer „ohne Zeitstress" zu laufen und sich beliebig Ruhepausen einteilen. Außerdem gibt es vielfache Kommunikationsmöglichkeiten.
Das langsame und lange Laufen in Gemeinschaft auch unter Einbeziehung schöner Landschafts-erlebnisse findet zunehmend seine Anhänger. Teils wird auch ganz ohne Wettkampf-charakter und oft unter wohltätigem Motto gelaufen. Es gibt eine Reihe von „Themenläufen" entlang bekannter Wanderrouten oder Landschaftsteile, wie der Rennsteig-Supermarathon mit 76km, die Harzquerung, die Brocken-Challenge hinauf auf den gleichnamigen Berg, den Röntgenlauf, den Rheinsteig-Erlebnislauf, die TorTourdeRuhr 231km von der Quelle bis zur Mündung entlang der Ruhr, um nur einige zu nennen.
Der heißeste Nonstoplauf ist der Badwater Ultramarathon im Death Valley in den USA über 135 Meilen. Der krasse Gegensatz Ist der Yukon Arctic Ultra im Februar in Kanada über 100 bzw. 300 Meilen. Groß im Trend sind auch Trailläufe (Geländeläufe). In Europa ist der Ultra Trail international du Tour du Mont Blanc (UTMB) über 163 km und 11.000 Höhenmeter sehr bekannt. Die kürzere Variante hat 98 km und 5.600 Höhenmeter.
Eine andere Art des Ultralaufs ist der Etappenlauf, bei dem eine längere Strecke in Tagesetappen bewältigt wird. Bekannt sind der Baltic Run von Berlin nach Usedom (320 km) und der Swiss Jura Marathon von Genf nach Basel (350 km / 11.000 Höhenmeter). Mehr-Etappen-Läufe sind der Marathon Des Sables (220 – 240 km in 6 Etappen) und der Transalpine-Run (230 km in 8 Etappen).
In Abständen werden auch der Deutschlandlauf und Transeuropaläufe veranstaltet. Transkontinentalquerungen gab es schon in Australien und Amerika. McConnell und Horsley (2008) haben in ihrem Buch „Laufen Extrem" eine spektakuläre Welttour der Ultraläufe mit faszinierenden Bildern zusammengestellt.
Nach einer mehrjährigen Marathonerfahrung können Sie sich auch an die Bewältigung eines Ultralaufs wagen. Eine Befragung hat ergeben, dass 6% aller Läufer auch längere Strecken als Marathon laufen. Ein idealer Einstieg ist der 50 km-Lauf und der 6h-Lauf. Wer es einmal mit einem Ultramarathon versuchen will, hat eine große Fülle verschiedener Veranstaltungstypen und Streckenlängen zur Auswahl. Die „Klassiker" sollen hier kurz genannt werden:
Die Ultramarathon-Saison beginnt mittlerweile traditionell im Januar mit dem 50 km-Lauf in Rodgau-Dudenhofen. Im März. finden der 50 km-Lauf in Marburg, der 6-h-Lauf in Nürnberg, der Escholl-brücker Ultra-Marathon über 50 km und der 100-km-Lauf in Kienbaum bei Berlin statt. Die 5 km Runde in Kienbaum garantiert eine optimale Versorgung, erfordert aber auch mentale Stärke, wenn die Runde 20 x gelaufen werden muss. Gerade bei Rundkursen ist beim Auftreten von Krisen die Gefahr des Ausstiegs groß.
Im April findet die Harzquerung in Wernigerode über 51 km statt. Der 100 km Klassiker ist „die lange Nacht von Biel" in der Schweiz. Der Lauf startet an einem Freitag Mitte Juni um 22.00 Uhr, geht über eine große Runde und hat ein welliges Streckenprofil. In Biel wurde 1959 der erste 100 km -Lauf ausgetragen. Ganz anders ist da schon der Rennsteiglauf im Thüringer Wald mit 76 km Länge und einem anspruchs-vollen Höhenprofil im Mai. Dieser Lauf ist der größte Ultramarathon in Deutschland. Das steigert sich dann noch im Juli beim Swiss Alpine Marathon in Davos/Schweiz mit 78 km Länge und 2300 Höhenmetern Auf- und Abstieg. Im August finden in Leipzig der traditionelle 100 km-Lauf und im September der 100 km-Lauf in Winschoten/NL statt.
Für den Einstieg in einen Ultramarathon mit profilierter Strecke bietet sich der Schwäbische Alb Marathon in Schwäbisch Gmünd im Oktober über 50 km an. Den Abschluss der Saison bilden dann traditionell im November der 50 km-Lauf in Bottrop und der 6-h-Lauf in Troisdorf. Der größte Ultramarathon ist im Mai der Comrades Marathon über 89 km in Südafrika. Ein weiterer sehr bekannter Lauf in Südafrika ist der Two Oceans Marathon über 56 km im April. In Griechenland findet im September der traditionsreiche Spartathlon über 246 km statt.
Ultramarathon – der Wettkampf
„Niemand weiß, was er vollbringen kann, ehe er es nicht versucht" (Publius Syrus).
Wichtig ist, dass Sie ausgeruht in den Wettkampf gehen und rechtzeitig am Wettkampfort eintreffen, um alle notwendigen Vorbereitungen ohne Stress zu treffen. Ganz wichtig beim 24h-Lauf aber auch beim 100 km-Lauf ist die persönliche Betreuung, denn in der langen Zeit braucht der Läufer seine persönliche Verpflegung und auch die nötige psychische Unterstützung und Ansprache.
Wegen der meist kurzen Runden ist beim 24h-Lauf eine optimale Betreuung möglich und sollte auch genutzt werden. So kann bei Beschwerden am Bewegungsapparat durch eine physiotherapeutische Intervention der Wettkampf häufig erfolgreich fortgesetzt werden.
Körperliche Vorbereitung
Empfindliche Hautstellen, die sich wundreiben können, sollten mit Salbe oder Vaseline geschützt bzw. mit Pflaster abgeklebt werden. Kritische Stellen am Fuß, besonders an den Zehen, können ebenfalls mit Pflaster versorgt werden. Außerdem sollten Sie nur erprobte Kleidung und vor allem eingelaufene Schuhe verwenden. Gerade bei Ultraläufen ist die Kleidung wichtig, da der Einfluss der Witterung sehr ausgeprägt sein kann. Es darf kein Wärmestau oder Kältegefühl entstehen: Dies kann bedeuten, dass Sie in der Nacht aber auch bei widrigen Wetterverhältnissen die Kleider wechseln. Bei Hitze sollten Sie auf eine externe Kühlung durch kaltes Wasser und einen Sonnenschutz für den Kopf achten.
Mentale Vorbereitung
Ein gewisser Erregungszustand wird benötigt, um eine optimale Leistung zu erreichen. Eine freudige und etwas ungeduldige Erwartung ist das richtige Gefühl vor einem Wettkampf. Auf ein Warmlaufen können Sie getrost verzichten, dies ergibt sich bei einem angepassten Anfangstempo von ganz alleine. Warmlaufen kostet nur unnötig Energie, die Sie im Wettkampf effizienter einsetzen können.
„Geduld ist gezähmte Leidenschaft" (Lymon Abbott).
Beim Wettkampf kommt es darauf an, in einem angepassten Tempo zu starten. Meist wird vom Start weg zu schnell gelaufen. Es gilt, die eigene Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen und sich ein realistisches und erreichbares Ziel zu setzen. Daraus können Sie das Lauftempo ableiten und sich die Kräfte einteilen. Ein gleichmäßiges lockeres Tempo auf lange Distanz durchzuhalten bringt meist mehr als eine schnelles Anfangstempo.
Zu schnell gestartet
Die Devise, „was ich habe, das habe ich", gilt gerade beim Ultralauf nicht. Bei einem zu schnellen Beginn kommt es in der zweiten Rennhälfte häufig zu erheblichen Einbrüchen. Wer zum 1. Mal bei einem Ultralauf antritt ist gut beraten, sich nicht in die 1. Reihe zu stellen, um sich nicht zu einem unökonomischen Anfangstempo verleiten zu lassen. Ganz besonders gilt das Motto: „Nicht die Strecke, sondern das Tempo tötet".
Um die Motivation im Wettkampf zu erhalten, sollten Sie sich ein Hauptziel und mehrere Ersatzziele setzen (Optimistisches Ziel – die Vision, realistisches Ziel, Minimalziel). Eine unrealistische Zeit- und Zielplanung kann nämlich schnell die Motivation rauben. „Wer langsam geht, kommt auch zum Ziel" (Sprichwort).
Da die eingelagerten Kohlenhydrate nicht für den Ultralauf reichen, ist eine angepasste Renngestaltung von Bedeutung. Bei einem zu hohen Anfangstempo wird der Fettstoffwechsel zu wenig angesprochen und sofort zu viele Kohlenhydrate für die Energiegewinnung eingesetzt. Primär müssen Sie auf eine Schonung der Glykogenvorräte bedacht sein und auf einen möglichst hohen Anteil der Fettverbrennung an der Energiebereitstellung kommen. Während des Wettkampfs sollten Sie auf alle Fälle leichtverdauliche Nahrung bevorzugen und für einen ausreichenden Flüssigkeitsausgleich sorgen.
Beschwerden
Durch die Länge des Wettkampfs kommt es häufig zu Beschwerden am Bewegungsapparat (Muskeln, Gelenke, Sehnen, Bänder), Magen-Darm-Beschwerden und Hautproblemen (Scheuerstellen, Blasen). Wenn irgend möglich sollten Sie die Probleme nicht überlaufen, sondern aktiv damit umgehen und nach einer Lösung suchen. Muskuläre Verspannungen treten infolge der langdauernden Einseitigkeit der Bewegung auf. Häufig ist nicht die Ermüdung der Beinmuskulatur das Problem, sondern die Verspannung der Schulterpartie.
Hier kann ein Tempowechsel, Stretching oder auch eine Lockerung durch den Betreuer helfen. Trotzdem spielt der Faktor Schmerzen aushalten zu können vor allem im letzten Drittel eine nicht unerhebliche Rolle. Da Sie besonders auf einen ökonomischen Laufstil angewiesen sind, sollten Sie sich auch unterwegs immer wieder kontrollieren und auf einen lockeren Laufstil achten. Autosuggestion kann hier helfen: „Ich bin gut vorbereitet, fühle mich gut und laufe locker".
Die besten Ergebnisse werden dann erreicht, wenn Sie in einem gleichmäßigen Tempo ohne große Unterbrechung und Schlafpausen durchlaufen. Allerdings gibt es auch Schnellstarter, die zwar „einbrechen" aber trotzdem sehr gute Resultate erzielen. Der Wettkampf wird zunächst gegen sich selbst und später auch gegen andere Läufer geführt. Deshalb sollten Sie zu Beginn nicht so sehr auf die Konkurrenz schauen, sondern versuchen, den eigenen Rhythmus zu finden. Eine gute Strategie ist auch: „Laufen, bis es nicht mehr geht und dann gehen, bis es wieder läuft". Möglichst immer in Bewegung bleiben, Kontinuität ist der Schlüssel zum Erfolg.
„Es ist unwichtig, wie langsam du bist, du darfst nur nicht halten" (Konfuzius).
Ein spezifisches Problem bei Ultraläufen ist die Monotonie durch Gleichförmigkeit der Bewegung und Reizarmut. Gerade in der Nacht kann es deshalb zu Müdigkeit, Unlustgefühlen, starken Leistungs-schwankungen und Absinken der Gesamtleistung kommen. Diesen Faktoren kann man gezielt begegnen, z.B. durch externe Reize wie Abwischen des Gesichts mit kaltem Wasser, anregende Getränke (Tee, Kaffee, Cola), Tempowechsel, Kontakt zu Mitläufern, Publikum oder Betreuern, Aufmerksamkeitslenkung nach außen (markante Punkte der Laufstrecke, Wetter, Tiere, Bauwerke etc.) oder Ablenkung nach innen, indem man sich gedanklich beschäftigt oder meditiert.
Ablenkung durch Konzentration nach innen bis hin zu meditativen Techniken nennt man dissoziative Strategien, die Konzentration auf Körpersignale und auf den Wettkampf also nach außen wird als assoziative Stressbewältigung bezeichnet. Für den Spitzenläufer kommt es darauf an, Kontrolle über seine Leistung und seine Position zu haben, er wird also mehr assoziativ laufen. Im Grunde genommen wird der Ultraläufer aber immer eine wechselnde Konzentration einmal mehr nach innen und in anderen Phasen wieder mehr nach außen praktizieren. Phasenweise werden Sie sich sehr intensiv mit dem Laufen beschäftigen und phasenweise wieder nicht, dann sind Sie mit den Gedanken irgendwo und merken überhaupt nicht, dass Sie laufen.
„Nur wer riskiert, zu weit zu gehen, kann herausfinden, wie weit er überhaupt gehen kann" (T.S. Eliot).
Eine gute Strategie ist, sich nicht mit der ganzen Strecke zu befassen, denn dann „türmt" sie sich unüber-windlich vor einem auf. Besser ist es, Teilziele zu definieren. Dies können zunächst die Marathonstrecke oder auch nur 5 oder 10 Runden sein. Dann entwickelt man dies als Spiel weiter bis insgesamt 100 km, 12 Stunden oder auch nur die nächsten 5 Runden erreicht sind – oder Sie können auch umgekehrt vorgehen (nur noch 4 h, 1 h etc.) – bis Sie schließlich das Ziel erreicht haben. Jeder kann sich so eine eigene Strategie zurechtlegen. Für die einzelnen Teilziele können Sie sich auch eine Belohung ausdenken, das motiviert zusätzlich.
Andere Strategien bestehen darin, alle Gedanken an die (verbleibende) Streckenklänge und die damit verbundenen Schwierigkeiten als „negative" Gedanken sofort auszublenden und zu verdrängen. Akzeptieren Sie die Situation einfach so wie sie ist. Da Sie die Bedingungen (Wetter, Strecke) nicht beeinflussen können, hilft es auch nicht, mit der Situation zu hadern. Akzeptieren bedeutet, die Dinge, die Sie nicht ändern können, so sein zu lassen, wie sie eben sind.
„Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten" (Katharina von Siena),
Wettkampfbetreuung/Coaching
Eine zentrale Rolle kann für den Läufer der Betreuer (Coach) einnehmen, und zwar nicht nur in seiner Funktion als Trainer, sondern auch als Betreuer im Wettkampf. Idealerweise wird der Athlet von der Person betreut, die ihn auch vom Training – mit seinen Stärken und Schwächen – kennt. Während sich die Rolle des Betreuers bei kürzeren Wettkämpfen eher auf Anfeuerung und Beeinflussung der kurzfristigen Renntaktik beschränkt, muss der Coach insbesondere bei Ultrawettkämpfen meist umfang-reiche Aufgaben der Versorgung sowie der psychischen Betreuung übernehmen.
Im taktischen Bereich hat der Coach wichtige Aufgaben. Während des Rennverlaufes sollte er sich regelmäßig über Zwischenstände informieren und seine Athleten bezüglich der Konkurrenzsituation informieren. Oft kommt es gerade beim Ultralaufen darauf an, die Einteilung der Kräfte über Stunden zu planen. Obwohl es Läufer gibt, die allein und als Selbstversorger Ultraläufe bestreiten, erfüllt der Betreuer als Organisator für leistungsorientierte Sportler eine wichtige Funktion. Indem er die Versorgung des Läufers organisiert, ihm in der Versorgungszone Getränke anreicht, die individuell vorher abgestimmt wurden, wird ein Zeitverlust minimiert. Obwohl z. B. ein 100-km-Lauf doch viele Stunden dauert, können auch hier nur wenige Sekunden am Ende über die Medaillenvergabe entscheiden.
Versorgung
Die Betreuungsorganisation kann aufwändig werden, denn die lange Dauer von Ultraläufen macht es nötig, dass sich u. U. mehrere Betreuer die Arbeit teilen. Insbesondere beim 24-h-Lauf müssen die Betreuer zwischenzeitlich die Gelegenheit haben zu ruhen.
In der Regel werden bei Wettkämpfen Versorgungszonen ausgewiesen, in denen die Betreuer ihre Stände aufbauen. Beachten Sie, dass zumindest bei allen Meisterschaftsläufen die Versorgung und Betreuung außerhalb dieser Zonen verboten ist und mit Disqualifikation des Läufers bestraft werden kann.
Zum Aufbau einer Versorgungsstation sollten mindestens ein Tisch und zwei Stühle vorhanden sein (Campingmöbel), so dass der Athlet auch die Möglichkeit hat, sich hinzusetzen. Ein Schirm oder Pavillon zum Schutz vor Regen oder Sonne ist sinnvoll. Getränke werden im Pappbecher oder vorbereiteten kleinen Standard-Plastikflaschen (0,5l) gereicht. Aus diesen lässt sich sehr gut auch während des Laufens trinken.
Werden die Wettkämpfe auf kürzeren Runden ausgetragen (24-h-Lauf) reicht eine Betreuungsstation, aber schon bei Läufen auf 10-km-Runden muss sichergestellt werden, dass alle 20-30 min 200-400ml Flüssigkeit/Supplementation mit Kohlenhydraten aufgenommen werden können. Möchte man sich komplett selbst verpflegen, müssen also entweder zwei Betreuungsstationen an der Strecke eingerichtet werden oder die Selbstverpflegung muss an einem der Verpflegungsstände des Veranstalters platziert werden. Das ist aber stets mit Unsicherheiten verbunden.
Erkunden Sie bereits rechtzeitig im Vorfeld die Möglichkeiten, Betreuungsstände einzurichten. Eine Begehung am Vortag des Laufes ist von großem Nutzen. Am Veranstaltungstag ist meist hektische Betriebsamkeit an der Strecke. Es werden u. U. auch Zufahrtswege gesperrt, mit dem Auto sind bestimmte Stellen dann nicht mehr erreichbar. Erkundigen Sie sich, wann und woher Sie oder Ihr Betreuer während des Rennens Zwischenergebnisse beziehen können. Werden Wettkämpfe auf einer großen Runde ausgetragen, muss die Betreuung mobil sein. In Stadtgebieten kann es zu Verkehrsproblemen kommen.
Beziehung zwischen Läufer und Coach
So verschieden die Charaktere der Läufer sind, so verschieden gestaltet sich die Betreuer-Athleten-beziehung. Manche Läufer kommen besser ohne Betreuer zurecht, andere brauchen stets die Zuwendung von außen. Der Betreuer gibt dem Athleten Halt und Ansporn, was wichtig ist, angesichts der doch auftretenden Krisen während des Rennens.
Die positive Bestärkung ist dabei die wichtigste Intervention. Oft sieht und hört man Betreuer, die Technikkorrekturen während des Wettkampfes vornehmen wollen. Dies sollte man vermeiden, da meist kein unmittelbarer Nutzen daraus resultiert. Der Athlet kann diese Tipps in der Wettkampfsituation meist nicht mehr umsetzen.
Vermieden werden müssen auch alle Diskussionen um die Länge der Rest-(strecke), die Vorbereitung, Tagesform etc. Der Athlet muss auf das Laufen „hier und jetzt" fokussiert werden. Zwischenstände können sehr motivieren, wenn der Athlet dadurch erkennt, dass er trotz großer Erschöpfung gut im Rennen liegt bzw. seine Konkurrenten ebenfalls große Probleme haben – das kann das Selbstvertrauen in die eigene Stärke schnell wieder herstellen.
Durch die extreme Beanspruchung beim Ultralauf lassen die Fähigkeiten des Athleten, seine Situation richtig und objektiv einzuschätzen, stark nach. Leider leidet auch die Ansprechbarkeit des Sportlers. Für den Betreuer wird es dadurch schwierig zu entscheiden, wann ein Läufer einen Lauf beenden sollte. Beim Ultralaufen – vor allem dann beim 24-h-Lauf – kommen schwere Krisen in denen der Athlet „innerlich" möglicherweise aufgibt. Diese Krisen sind aber der rennentscheidende Moment.
Der richtige Umgang mit Krisen ist deshalb von besonderer Bedeutung. Der Sportler sollte sich vorher damit auseinander gesetzt haben. Es ist bekannt, dass die meisten dieser Krisen bereits nach wenigen Kilometern vorüber sein können. Ein voreiliger Ausstieg kann einen Läufer nach dem Rennen schwer belasten. Der Betreuer hat daher vorrangig die schwierige Aufgabe, den Athleten möglichst im Rennen zu halten, es sei denn gesundheitliche Gründe sprechen unmittelbar dagegen.
Auf dem Weg zum Erfolg braucht der Ultraläufer Leidenschaft und Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit. Dabei ist meist nicht die Sucht nach Anerkennung der Antrieb, sondern das Erleben einer intensiven Lebensfreude und Glücksgefühls, die sich einstellen, wenn für unmöglich gehaltene Ziele erreicht werden (Hadbawnik 2011).
Der Ultralauf ist ein Prüfstein mentaler Stärke. Meist gibt erst der Kopf und dann der Körper auf. Voraussetzungen für das Bestehen eines Ultralaufs sind Entschlossenheit, Willenskraft, Durchhaltevermögen, Motivation, Mut und Geduld. Gerade der Ultralauf bietet die Möglichkeit der Selbsterfahrung.
Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Literatur:
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.
Hadbawnik I. Bis ans Limit und darüber hinaus. Faszination Extremsport. Göttingen: Verlag die Werkstatt 2011.
McConnell K, Horsley D. Laufen Extrem. München: Copress 2008
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Sportmedizinische Vorsorgeuntersuchung – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
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Das Buch von Aderhold/Weigelt:
Aderhold/Weigelt: Laufen! Die Buchvorstellung aus dem Schattauer Verlag