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06
05
2009

Dazu hat Ralf Weis als neuer Vize-Welt- und Europameister im 24 Stunden-Lauf Ultramarathongeschichte geschrieben und wird gewiss einige Tage brauchen, diesen auch für ihn selbst vollkommen unerwarteten Erfolg zu realisieren.

Ultraläufer erringen größten Challenge-Erfolg – Volkmar Mühl berichtet

By GRR 0

Mit dem Gewinn der Silbermedaille in der Einzelwertung durch Ralf Weis und dem dritten Platz in der Mannschaftswertung der Männer waren die 24-Stundenläufer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) so erfolgreich wie noch nie seit Einführung der 24 Stunden-World Challenge im Jahr 2003 im niederländischen Uden.

Mit den zusätzlich errungenen Medaillen in der gleichzeitig ausgetragenen European Challenge sowie der Bronzemedaille der DLV-Frauen in dieser Wertung stieg die Medaillenausbeute bei dieser Veranstaltung auf die außergewöhnliche Zahl fünf an.

Erwartungen übertroffen

Mit dem von der DLV-Auswahl beim am vergangenen Samstag um 10.00 Uhr im oberitalienischen Bergamo gestarteten 24 Stunden-Event erzielten Ergebnis wurden die vor dem Wettkampf gehegten Erwartungen bei weitem übertroffen. Angesichts der versammelten internationalen Top-Athleten/innen mit einer mittlerweile enormen Breite in der erweiterten Weltspitze erschien eine Platzierung unter den besten fünf Mannschaften der Welt das absolute Maximum zu sein und dementsprechend war die in der Mannschaftsbesprechung festgelegte Marschroute eindeutig auf ein defensives Tempo in der ersten Wettkampfhälfte, insbesondere der Anfangsphase, ausgerichtet.

Diese Taktik erschien auch vor dem Hintergrund der im Tagesverlauf zu erwartenden hohen Temperaturen, die sich mit Nachmittagswerten von 33 Grad Celsius wie angekündigt einstellen sollten, zielführend.

Als attraktiv und gut zu laufen sollte sich den Läufern die vom Ausrichter nahezu perfekt präparierte 1.135 Meter-Runde im Herzen der Stadt präsentieren. Hier war im unmittelbaren Vorfeld alles unternommen worden, den gut 190 Teilnehmern auch angesichts zahlreicher zu überlaufender Bordsteine, die zum Niveauausgleich mit Platten und Tageszement sehr gute überbrückt wurden, einen optimalen Untergrund zu bieten. Die komplett auf festem Untergrund verlaufende Streckenführung mitten in der City sorgte rund um die Uhr für eine prickelnde Atmosphäre.

Hervorragend organisiert

Überhaupt war die Veranstaltung hervorragend organisiert und damit fraglos eine der besten internationalen 24 Stunden-Meisterschaften der letzten Jahre.

Nach den ersten beiden Wettkampfstunden lag der Ungar Attila Vozar vor Piotr Kurylo aus Polen und dem Spanier José Manso Crespo in Führung, bei den Frauen hatte sich Lokalmatadorin Monica Casiraghi, die frühere 100 Kilometer-Welt- und Europameisterin, an die Spitze gesetzt, gefolgt von Irina Koval und Ex-Weltmeisterin Lyudmila Kalinina, beide aus Russland.

Die deutschen Läufer/innen liefen zu diesem Zeitpunkt planmäßig weit hinten im Feld: Ralf Weis (SG Neukirchen-Hülchrath) belegte Rang 114, Roland Riedel (Adler-Langlauf Bottrop) folgte auf Platz 129 vor Friedemann Hecke (VFL Ostelsheim) auf Platz 159, Andreas Baier (TSV Kusterdingen) und Oliver Leu (LG Bremen Nord) liefen dahinter auf den Rängen 164 und 172. Die Männermannschaft belegte zu diesem Zeitpunkt Platz 23 von 24 gestarteten Teams.

Zurückgezogene Sonne

Bei den Frauen fand sich Julia Alter (TV Rheinau 1893) zu Mittag auf dem 49. Platz wieder, ihre Teamkameradinnen Grit Seidel (LG Nord Berlin), Sabine Strotkamp (LG Kreis Ahrweiler) und Heike Christ (LT Sulz am Ecke) folgten auf den Rängen 61, 63 und 65. Insgesamt waren, einschließlich der Teilnehmer an der gleichzeitig veranstalteten italienischen Meisterschaft, 207 Läuferinnen und Läufer an den Start gegangen.

Um 18.00 Uhr hatte sich die Sonne etwas zurück gezogen und allmählich setzte der von den Läufern herbeigesehnte Temperaturrückgang ein.  Bei den Männern lag nun der Drittplazierte der letztjährigen World Challenge in Seoul, der Japaner Yuji Saki, in Front, gefolgt von Vladimir Bychkov aus Russland sowie Christophe Martin aus Frankreich. Im Frauenrennen hatte die Französin Brigitte Bec die Initiative ergriffen und war bereits auf Platz elf in der Gesamtwertung nach vorne geeilt, gefolgt von ihren beiden Teamkameradinnen  Anne-Cécile Fontaine und Kora Boufflert. Das französische Frauenteam präsentierte sich damit erwartet stark.

In der deutschen Mannschaft deuteten sich erste Probleme an, denn Andreas Baier musste sein Tempo bereits in dieser Phase deutlich reduzieren, um das Rennen schließlich gegen 21.00 Uhr zu beenden. Er agierte sichtbar kraftlos und so erschien die Fortführung des Rennens angesichts  einer noch zu bewältigenden Wettkampfdauer von 13 Stunden aussichtslos.

Erfahrung zahlt sich aus

Für erfahrene 24 Stunden-Läufer beginnt der Wettkampf erst bei Halbzeit, denn erst zu diesem Zeitpunkt lassen sich Formzustand und Wettkampfverlauf angemessen beurteilen. Während die übrigen deutschen Läufer/innen sich wohlauf  fühlten, stellten sich nun auch bei Heike Christ ernsthafte Probleme ein. Sie ist keine Hitzeläuferin und hatte daher hatte tagsüber besonders mit den hohen Temperaturen zu kämpfen gehabt; nun musste sie feststellen, dass dabei viel Energie verloren gegangen war. Schwindelgefühle machten ihr das Läuferleben schwer und obgleich sie mehrfach versuchte, wieder ein angemessenes Wettkampftempo zu finden, blieb um Mitternacht keine andere Wahl als der Ausstieg.

Auch Teamkamerad Oliver Leu musste nun passen. In seinem Fall erwies sich die aufgekommene starke Ermüdung als Spätfolge einer vor gut 5 Wochen aufgetretenen Bronchitis, die für einen mehrtägigen Trainingsausfall gesorgt hatte. Der Kräfteverlust war einfach zu nachhaltig, um den Wettkampf fortsetzen zu können.

Freud und Leid liegen in einer Mannschaft oft sehr nahe beisammen und so lief es bei den übrigen Mitgliedern des DLV-Teams denn auch um einiges besser. Insbesondere Ralf Weis setzte sich nun immer stärker in Szene und beendete die zwölfte Stunde bereits auf dem 12. Platz, rund 125 km waren zurückgelegt. Roland Riedel hatte etwas an Tempo herausgenommen und folgte praktisch gleichauf mit Friedemann Hecke mit gut 117 Kilometern auf den Plätzen 35 und 36.

Beanspruchung

Bei den Frauen hatte sich Julia Alter mit über 113 Kilometer auf Rang 15 vorgearbeitet, Grit Seidel folgte auf Rang 34 mit cirka 105 Kilometern vor Sabine Strotkamp auf Platz 45 mit gut 100 Kilometern.

24 Stunden lang im Kreis zu laufen, bedeutet neben der hohen körperlichen Beanspruchung vor allem auch die Überwindung von mentalen Schwächen, denn Krisen stellen sich im Wettkampfverlauf immer wieder ein und müssen bewältigt werden. So wurden auch die im Rennen befindlichen deutschen Teilnehmer ab Mitternacht mit einigen individuellen Problemen konfrontiert, die mit tatkräftiger Unterstützung des Betreuerteams aber allesamt gut gemeistert werden konnten.

Zum Tagesanbruch hin hatte sich das Feld deutlich ausgedünnt, zahlreiche Teilnehmer hatten dem hohen Tempo des Tages späten Tribut zollen müssen. Für die DLV-Teams begann nun der Plan aufzugehen, denn beide Mannschaften befanden sich jetzt in Medaillenreichweite: Das Männerteam lag bereits auf Rang fünf, nur drei Kilometer hinter Frankreich, das schwedische Team auf Rang drei wies weitere 10 Kilometer Vorsprung auf. Die Frauenmannschaft hatte sich schon auf den vierten Rang nach oben geschoben und damit zumindest vorläufig die Bronzemedaille in der Europawertung erarbeitet.

Gleichmäßige Runden

Geradezu sensationell aber präsentierte sich Ralf Weis: Scheinbar unbeeindruckt von den Widrigkeiten eines 24 Stunden-Rennens spulte er weitestgehend gleichmäßig Runde um Runde ab und hatte sich bereits auf Platz zwei vorgearbeitet!

Während die DLV-Frauen in der nun beginnenden Schlussphase vor allem den wiedererstarkenden finnischen Läuferinnen, die sich um 8.00 Uhr bis auf zwei Kilometer an das DLV-Team herangearbeitet hatten, Paroli bieten mussten, begann für ihre männlichen Teamkameraden eine hoch dramatische Schlussphase.

Um 7.00 Uhr belegten Frankreich und Deutschland gleichauf Rang vier mit knapp 600 Kilometern, die schwedische Mannschaft lag mit 605,5 Kilometern auf Platz drei.

Eine Stunde später hatte die DLV-Mannschaft mit kontinuierlichem Einsatz bereits 6 Kilometer Vorsprung auf Frankreich herausgelaufen und den Abstand auf Schweden auf cirka 4,5 Kilometer verringert. Das schwedische Team mit dem Führenden Henrik Olsson, der uneinholbar rund 15 Kilometer Vorsprung auf Ralf Weis hatte, bemerkte die Gefahr natürlich und hielt mit allen Kräften dagegen.

Spannung am Ende

Um 9.00 Uhr, also eine Stunde vor Schluss, betrug der Abstand immer noch 3,5 Kilometer und nun mobilisierten Ralf Weis, Roland Riedel und Friedemann Hecke alle vorhandenen Reserven. In der letzten halben Stunde flogen die drei deutschen Läufer geradezu um den Kurs und die Spannung, welches der beiden Teams das bessere Ende für sich und Bronze in der World sowie Silber in der European Challenge gewonnen haben würde, war förmlich greifbar.

Mit dem Schlusssignal war der Kampf zwar beendet, die erlösende Information wurde aber erst kurz vor der Siegerehrung bekannt: Mit 689,111 zu 684,333 Kilometern hatte das DLV-Team in der letzten Stunde noch fast 5 Kilometer Vorsprung auf die schwedische Mannschaft herausgelaufen!

Die DLV-Frauen konnten den Vorsprung auf das Team von Finnland mit ebenfalls großem Einsatz noch auf über 7 Kilometer aufbauen.  Hier demonstrierte Julia Alter mit einem bemerkenswert gleichmäßigen Rennverlauf bei am Ende nur knapp verfehlten 220 Kilometern ihre Klasse und stellte die bereits im vergangenen Jahr beim 24 Stunden-Lauf in Palermo (Italien) angedeutete Zugehörigkeit zur erweiterten Weltspitze eindrucksvoll unter Beweis. Schade, dass sie mit Rang vier die Bronzemedaille in der European Challenge nur denkbar knapp verfehlte.

Damit stellten sich die Ergebnisse wie folgt dar:

Teams Männer
1.    Japan 706,984 km (Sakai, Suzuki, Takeda)
2.    Russland 693,445 km (Bychkov, Dedykin, Kruglikov, 1. EC)
3.    Deutschland 689,111 km (Weis, Riedel, Hecke, 2. EC)

Teams Frauen
1.    Frankreich 684,078 km (Fontaine, Bec, Boufflert)
2.    USA 636,159 km (Donaldson, Bednosky, Horn)
3.    Italien 626,386 km (Casiraghi, Gross, Di Vito, 2. EC)
4.    Deutschland 598,365 km (Alter, Strotkamp, Seidel, 3. EC)

In der Einzelwertung kam es zu folgenden Resultaten:

Männer
1.    Henrik Olsson (Schweden) 257,042 km
2.    Ralf Weis (SG Neukirchen-Hülchrath) 244,492 km
3.     Yuji Sakai (Japan) 242,713 km

Frauen
1.    Anne-Cécile Fontaine (Frankreich) 243,644 km
2.    Brigitte Bec (Frankreich) 234,977 km
3.    Monica Casiraghi (Italien) 223,848 km

Mit den weiteren Platzierungen von Julia Alter (219,293 km; 5. WC/4. EC), Roland Riedel (226,065 km; 11. WC/8. EC), Friedemann Hecke (218,554 km; 18. WC/15. EC), Sabine Strotkamp (191,847 km; 21. WC/16. EC) und Grit Seidel (187,225 km; 28. WC/ 21. EC) ging aus deutscher Sicht ein denkwürdiges Rennen mit einer bislang noch nicht dagewesenen Medaillenausbeute für das DLV-Ultramarathon-Nationalteam zu Ende.

Dazu hat Ralf Weis als neuer Vize-Welt- und Europameister im 24 Stunden-Lauf  Ultramarathongeschichte geschrieben und wird gewiss einige Tage brauchen, diesen auch für ihn selbst vollkommen unerwarteten Erfolg zu realisieren.

Volkmar Mühl

author: GRR

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