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18
03
2022

Jaroslowa Mahuchikh - Photo: Victah Sailer

Ukrainerinnen bei Hallen-WM in Belgrad 2022 „Wer nichts tut, unterstützt den Krieg“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Sechs ukrainische Leichtathletinnen gehen bei der Hallen-WM an den Start. Sie haben alle eine wichtige Funktion für das Land in den Kriegszeiten. Die Männer verteidigen derweil die Ukraine mit der Waffe.

Die Leichtathletik braucht Aufmerksamkeit, die Ukraine Erfolge. Dies ist die Mission eines halben Dutzends Athletinnen, das sich aus der Ukraine nach Belgrad durchgeschlagen hat, zur ersten Hallen-Weltmeisterschaft seit Birmingham 2018.

Wenn sie hoch genug springt, wird etwa die zwanzig Jahre alte Jaroslawa Mahutschich in die Welt hinausrufen können, was sie zwei Tage nach dem Überfall Russlands auf ihre Heimat auf Instagram verbreitete und was auszusprechen im Land des Aggressors bei Strafe verboten ist:

„Für Russland: Hört auf so zu tun, als gäbe es keinen Krieg! Russland hat die Ukraine angegriffen! Städte bombardieren, auf Zivilisten schießen, das ist unsere Realität! Wer nichts tut, unterstützt den Krieg! Wir wollen keinen Krieg, aber wir werden unser Zuhause verteidigen

Jaroslawa Mahutschich ist Zweite der Weltmeisterschaft, Dritte der Olympischen Spiele und der Hallen-Europameisterschaft. Ihre Chancen auf den Titel und damit auf die Aufmerksamkeit der Sportwelt sind ebenso groß wie die von Maryna Bech-Romantschuk, der Indoor-Weltmeisterin im Weitsprung. Die Besten der vergangenen Jahre, die Olympiasiegerinnen Malaika Mihambo und Marija Lassizkene, fehlen in Serbien.

Aus dem, was sie will, macht Maryna Bech-Romantschuk keinen Hehl. Am Donnerstag veröffentlichte sie auf Instagram ein Video, das russische Luftangriffe in der Ukraine zeigte und Dutzende ihrer Opfer: ausgebombte und getötete Kinder und Alte.

Sie fordert von der internationalen Gemeinschaft, ihre Heimat mit einer Flugverbotszone zu schützen. Die Hochspringerin Irina Geraschtschenko, Zweite der Hallen-Europameisterschaft, Hürdensprinterin Anna Plotitsina, Stabhochspringerin Jana Hladijtschuk und Mehrkämpferin Julija Loban vervollständigen das ukrainische Team für Belgrad.

Hochspringerin Julija Lewtschenko, fehlt, weil sie mit Mutter und Schwester auf der Flucht ist. Männliche Athleten sind, wie schon beim Werfer-Cup in Leiria in Portugal und beim Geher-Weltcup in Muscat in Oman, für die Ukraine nicht am Start. Sie werden bei der Verteidigung des Landes gegen Putins Soldaten und Söldner gebraucht.

Vorbereitung an abgelegenen Orten

„Ja, die Vertretungen werden klein sein: bei manchen Wettbewerben eine Person, bei anderen zwei, sechs“, schreibt der ukrainische Verbandspräsident Jewhen Pronin auf der Website seines Verbandes: „Aber es wird eine ukrainische Flagge geben, es wird Treffen mit den Medien geben und wir hoffen, dass die Hymne der Ukraine gespielt wird.“ Abgebildet im Kampfanzug mit Mütze auf dem Kopf, Funkgerät in der Brusttasche und einem breiten Riemen um den Hals, der ein Gewehr tragen könnte, beschreibt Pronin, welche Bedeutung die Auftritte der ukrainischen Leichtathletinnen als Botschafterinnen ihres Landes haben

An abgelegenen Orten und auf Sportanlagen im Ausland, etwa in Polen, haben sie sich vorbereitet. Der Verband unternehme alle Anstrengungen, damit sie bei allen großen internationalen Wettkämpfen am Start sein können. „Wir sorgen für Logistik, einen schnellen Korridor an der Grenze, Kommunikation mit dem Gastland“, sagt er, „wir kümmern uns um Finanzierung, Transit, Genehmigungsverfahren mit Dienstleitern für Wehrpflichtige.“

Jaroslawa Mahutschich wird von Belgrad aus nach Herzogenaurach reisen, und auch für die Aufnahme und erstklassiges Training von Maryna Bech-Romantschuk in Deutschland ist Vorsorge getroffen. Einerlei, ob sie Titel und Medaillen gewinnt oder nicht.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung  – Aktualisiert am

 

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

 

author: GRR