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01
08
2007

Doch wie die Realität aussehen wird, kann sich jeder ausmalen: Für die Jugendlichen wird nichts anderes zählen als der Sieg. Dafür werden sie trainieren. Ihre Platzierung wird Erfolgskriterium ihrer Trainer sein. Doch die Entwicklung von jungen Sportlern ist sehr stark davon abhängig, wie und wann welche Trainingsinhalte absolviert werden.

Übers Ziel hinausgeschossen – Auf Olympische Spiele für Jugendliche verzichten – Dietrich Gerber, LSB-Vizepräsident und Vorsitzender des OSP-Trägervereins: „Zweifelhafte Effekte.”

By GRR 0

Es gibt völlige Einigkeit im Kreise der Verantwortlichen für den Leistungssport, dass das frühzeitige „Trimmen“ auf Spitzenergebnisse und „Mono-Sportausbildung“ den jungen Sportlerinnen und Sportlern letztlich Schaden an Leib und oft auch an Seele zufügt. Umso verwunderlicher ist es nun zur Kenntnis zu nehmen, dass es quasi-olympische Spiele für Kinder im Alter von 14 bis 18 Jahre geben soll. Das Internationale Olympische Komitee hat die Einführung der Youth Olympic Games beschlossen.

Im Jahre 2010 sollen die Zusatz-Spiele erstmals stattfinden – mit spielerischem Charakter und ohne Nationalismus und Leistungsdruck.
Doch wie die Realität aussehen wird, kann sich jeder ausmalen: Für die Jugendlichen wird nichts anderes zählen als der Sieg. Dafür werden sie trainieren. Ihre Platzierung wird Erfolgskriterium ihrer Trainer sein. Doch die Entwicklung von jungen Sportlern ist sehr stark davon abhängig, wie und wann welche Trainingsinhalte absolviert werden.
Ein Springer, ein Läufer, ein Sprinter – im Prinzip jeder Athlet gleich welcher Sportart und Disziplin – durchläuft beim Heranwachsen verschiedene Entwicklungsphasen. Beim Training der acht- bis zehnjährigen gibt es kaum Unterschiede in den Disziplinen. Alle trainieren alles. Eben die sportlichen Grundlagen. Aber die Vorbereitung auf olympische Jugendspiele würde die Jungen und Mädchen mit unglaublich größeren Trainingsumfängen und extrem frühen Spezialisierungen konfrontieren.
Am Ende, davon ist auszugehen, erreichen noch weniger Athleten als bisher den Erwachsenensport, weil sie schlicht von dem ungeheuren Leistungsdruck ausgepowert sind. Und all die Negativ-Begleiterscheinungen, die wir jüngst im Zusammenhang mit der forcierten Dopingdiskussion erleben, werden nach vorn in das Kindesalter transformiert. Die aktuellen Dopingfälle zeigen, wie labil erwachsene Athleten sein können, wenn es um Sieg und Geld geht. Niemand mag zu Ende denken, was passieren kann, wenn schon Kinder den trügerischen Verlockungen des Hochleistungssports ausgesetzt werden.

Das alles kann und darf niemand wollen.
Aber die Youth Olympic Games werden das provozieren.
Natürlich machen sich alle, die im Leistungssport Verantwortung tragen, Gedanken darüber, wie Deutschland auch in Zukunft im Sport international konkurrenzfähig sein kann. Ergebnis längerer Diskussion war in diesem Frühjahr die Verabschiedung des „Nachwuchsleistungssport-Konzepts 2012“. Die Ständige Konferenz der Landessportbünde hat sich klar zur Umsetzung dieses Konzepts bekannt. Im Punkt 9 ist von der Einführung eines eigenständigen sportartübergreifenden Nachwuchshöhepunktes unterhalb der Altergrenzen für Jugend-EM und Jugend-WM, den Deutschen Olympischen Jugendspielen, die Rede.
Darin wird die Möglichkeit gesehen, die Nachwuchsförderung sportpolitisch aufzuwerten, den Jugendlichen sportliche Höhepunkte und Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen – auch um Wettkampferfahrung zu sammeln. Diesen nationalen Rahmen zu verlassen und Olympische Spiele für Jugendliche einzuführen, hieße aber übers Ziel hinauszuschießen. Auf Kosten des Nachwuchses von heute, der Spitzensportler von morgen.

Solche Effekte sind von Youth Olympic Games ohne Zweifel zu erwarten. Als Verantwortlicher für den Leistungssport (im Ehrenamt) in Berlin und als einer der beiden Vertreter der Landessportbünde im DOSB kann ich eine solche Einrichtung nicht tragen.

Dietrich Gerber,
LSB-Vizepräsident Berlin und Vorsitzender des OSP-Trägervereins
Fussball-Woche,
Montag, dem 30.07.2007

author: GRR

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