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14
06
2024

Versuchte beim zehnten Dessau-Auftritt das Feld zu dominieren… - Foto: Volker Schubert

Über Anhalt24 von Rom nach Paris – Olympia-Fanfaren aus der Bauhausstadt – Volker Schubert

By GRR 0

Die 26. Auflage des traditionsreichen Leichtathletik-Meetings Anhalt24 bot mit seinem internationalen Konkurrenzaufgebot im Europameisterschafts- und Olympiajahr den willkommenen Leichtathletik-Auftakt für die Freiluftsaison.

Die Dessauer Kulisse mit dem familienfreundlichen wie ebenso sanierungsbedürftigen Paul-Greifzu-Stadion, lockte wie immer auch die nationale Konkurrenz des Deutschen Leichtathletik-Verbands [DLV] an den Start zum disziplinspezifischen Stelldichein.

Unter den gemeldeten DLV-Wettkämpfern, die ihre EM- und Olympiaform unter harten Bedingungen testen wollten, befanden sich auch etliche Sportsoldaten mit klingenden Namen: darunter die beiden 3.000 Meter Hindernis-Asse Gesa Felicitas Krause und Karl Bebendorf, die 800 Meter Ikone Christina Hering, der Weltklasse-Speerwerfer Julian Weber und das DLV-Stabhochsprung-Ass Oleg Zernikel. Der Berliner Sportjournalist Volker Schubert besuchte das ostdeutsche Topmeeting für Bundeswehr Sport-Magazin.

Dessau/Paul-Greifzu-Stadion, die 26. Auflage des internationalen Leichtathletik-Meetings Anhalt24 hüllte sich bereits in gleißendes Flutlicht, als die Frauenkonkurrenz über die zwei schnellen Stadionrunden in Startaufstellung nervös an den Ablauflinien scharrte. Ein mit Spannung erwartetes 800 Meter Finale, wie man am Bände sprechenden Mienenspiel der acht Athletinnen ablesen konnte.

Viele der Zuschaueraugen richteten sich dabei auf die hochgeschossene Militärsportlerin Christina Hering (LG Stadtwerke München), die Dessau längst als ihr ständiges Leichtathletik-Domizil bezeichnen kann und mit ihrer zuvor in Rehlingen gelaufenen Zeit von 2:01,55 Minuten mit solider Vorleistung angereist war. Bei ihrem zehnten Start in Folge wollte es die deutsche Zwei-Runden-Amazone gleich von Anfang an wissen. Mutig platzierte sie sich von den ersten Metern an der Spitze, um die Führung bis eingangs des letzten Viertels eisern zu verteidigen.

Christina Hering mit Mut beim zehnten 800 Meter Dessau-Start

Das eigentliche Spektakel entrollte sich auf den letzten 100 Metern. Mit „Hering, Hering, Hering, Hering“, drangen die frenetischen Anfeuerungsrufe des Stadionsprechers durch den Äther, als sich die Wahlberlinerin gegen die mit geschmeidigen Schritten aufkommende Polin Anna Wielgosz und die im Schlepptau folgende Marokkanerin Assia Raziki vergeblich zur Wehr setzen musste.

Zu viele Körner auf dem Hauptteil der Strecke gelassen, wurde die Sportsoldatin Christina Hering schließlich Dritte – in 2:02,84 Minuten, hinter der Siegerin Anna Wielgosz in 2:02,11 Minuten und Assia Raziki in 2:02,44 Minuten auf Rang zwei. Am Ende ein mutiger Auftritt, der nicht belohnt wurde.

Wasserspiele Bauhausstadt-Meeting

Der stimmungsvollen Atmosphäre bot dies dennoch keinen Abbruch. Elektrisierender Sound und aufgeheizte Jubelmomente dominierten den Dessauer Arena-Klassiker, der zunächst mit sehr feuchtem Tartan aufwartete. Ein Hochleistungskunststoffbelag, der Stunden zuvor von massiven Regenschauern aufgeweicht und durchgespült worden war, machte den zahlreichen nationalen wie europäischen Topleichtathleten aus 108 Staaten anfangs doch erheblich zu schaffen. So wie dem deutschen Sportsoldaten Oleg Zernikel (ASV Landau), 2022 Dessau-Sieger im Stabhochsprung, wie er gegenüber Bundeswehr Sport-Magazin sagte.

Schließlich war der aus Kasachstan stammende Athlet mit hohen Erwartungen in die Bauhausstadt gekommen, um sich erneut an die Spitze des Starterfelds zu katapultieren.  Nach übersprungener Einstiegshöhe von 5,45 Meter, die Oleg Zernikel im zweiten Versuch absolvierte, sollte keiner seiner Anläufe für die ersehnte Höhenjagd mehr stimmen. Zu rutschig, zu feucht, zu unberechenbar wären die weiteren Sprungversuche für ihn gewesen, erklärte  der turnerisch exzellent ausgebildete Militärsportler , der sein Wettkampfduell zwar mit Demut aber mit Blick auf Rom und Paris nicht mutlos verließ.

Oleg Zernikel mit EM-Ambitionen: Demut mit Finaleinzug belohnt

Wie schwierig die Bedingungen waren, zeigte auch das Finalergebnis, denn keine seiner Konkurrenten konnte mit großen Höhen aufwarten. Und so ging der Sieg für mit Oleg Zernikel realisierbaren 5,82 Metern an den Türken Ersu Sasma, der damit Olympianorm erzielte – vor den zwei US-Boys Zachery Bradford (5,72 Meter) und Jacob Wooten (5,65 Meter).

In Roms Leichtathletik-Kolosseum, dem durchgängig modernisierten 1960er Olympia-Stadion, wurde Oleg Zernikels Zuversicht bereits während des Vorrundenwettkampfs belohnt. Souverän wie schon lange nicht mehr, gelang dem 29-Jährigen Landauer eine Flugschau, die ihn Sprung für Sprung ins Europameisterschaftsfinale bugsierte. Mit der Einstiegshöhe beim zweiten Versuch stieg der Militärathlet bei nahezu lax überquerten 5,45 Metern problemlos in den Vorwettbewerb ein. Muskulär überaus locker und mental entspannt wirkend, zeigte Oleg Zernikel dann eine beeindruckende Performance, die ihn als Ersten seiner europäischen Mitstreiter die 5,60 Meter überfliegen ließ.

Die Faust zu mehr geballt sei er zuversichtlich auch die 5,80 Meter zu toppen, so der hoch hinaus, in die Medaillenränge drängende Militärathlet.  In der zweiten Qualifikationsgruppe katapultierte sich Sportsoldat Torben Blech mit ebenfalls übersprungenen 5,60 Metern für das EM-Finale am Mittwochabend, bei dem natürlich der schwedische Überflieger und Rekordhalter Armand Duplantis für Furore sorgen dürfte.

Dessauer Wehmutstropfen: Bundeswehr-Hindernis-Asse nicht am Start

Für Spannungsbögen mit schnellen Beinen sollte der 1.500 Meter Start des fünfmaligen Deutschen 3.000 Meter Hindernislauf „Abo-Meisters“ Karl Bebendorf vom Dresdner Sportclub 1898 sorgen. Doch der sächsische Sportsoldat sagte nach zwei hochkarätigen Hindernisrennen binnen fünf Tagen aus Gründen der Belastungsdosierung ab um seine Form für die Europameisterschaften in Rom nicht zu gefährden.

Und auch die mit Vorfreude erwartete 3.000 Meter Europameisterin und WM-Bronzemedaillistin von 2019, die Sportsoldatin Gesa Felicitas Krause, fehlte wegen einer kurzfristig anberaumter Zahn-Operation. Und so sorgte ihre Disziplinkameradin, die U23-Europameisterin Olivia Gürth (Silvesterlauf Trier), für nationale Glanzpunkte, als sie am Ende eines spannungsgeladenen Hindernis-Rennens hinter der verbissen kämpfenden Polin Kinga Krolik (9:31,41 min) in 9:31,85 Minuten als starke Zweite finishte.

In Abwesenheit von Gesa Krause: Hindernis-Talent Olivia Gürth (li.) finishte als stark Zweite.

Von Feuerfontänen im Speerwurf-Trichter

Für das Highlight der Anhalt24-Nacht ließ Julian Weber sein aerodynamisches Arbeitsgerät wie in den Jahren zuvor kraftvoll aufsteigen. Schließlich rangiert die Bauhaus-Arena für den Potsdamer Sportsoldaten und Europameister von München 2022 als die Trainingsstützpunkt-nahe Einstiegsdroge, um bei internationalem Flair in die Wettkampfsaison zu starten. Hier zeigte der planmäßig im Potsdamer Luftschifferhafen-Stadion bei DLV-Erfolgscoach Burghard Looks trainierende Sperrwurfhüne, dass er beim Freiluftauftakt den Dessauer Luftraum beherrschen wollte. Vom feucht-kalten Wetter unbeeindruckt, bot Julian Weber dann auch die erwartete Werfer-Show; trotz eines persönlichen Fünkchens Ungewissheit ob seines Wurfpotentials.

Rasche Klärung brachten seine ersten beiden Würfe, bei denen sein Speer zunächst bei 82,45 Metern landete und beim zweiten Versuch bereits bei 85,84 Metern ins Rasengrün stach. Zudem beständige Über-80-Meter-Würfe, die jeweils mit einer stadionerhellenden Feuerfontäne illuminiert wurden. Von letzten Zweifeln hinsichtlich Anlauftempo, Wurftechnik und Adduktoren-Problemen befreit, performte Julian Weber schließlich mit aufsteigender Routine und platzierte seinen dritten Wurf bei überragenden 88,37 Metern: Ein glasklarer Sieg mit weiterem Wurfverzicht, um seine Spitzenform für die Europameisterschaften in Rom zu konservieren.

Überzeugend wurfstark: Julian Weber toppe die Anhalt24-Konkurrenz mit 88,37 Metern.

Mit der Anhalt24er Bestweite schob sich Julian Weber auf Rang drei der Weltjahresbestenliste des Weltverbands „World Athletics“ (WA) und kann sich nun berechtigte Hoffnung auf eine EM-Titelverteidigung machen, die am 12. Juni im römischen Werfer-Kolosseums, dem „Stadio Olimpico di Roma“ ansteht. Dort wird Julian Weber nicht nur auf europäische Konkurrenz stoßen, sondern auch auf seinen Landsmann Max Dehning vom TSV Bayer 04 Leverkusen treffen, der die WA-Rangliste mit 90,20 Meter anführt. In Dessau fand der deutsche Shootingstar jedoch weniger fulminant in die Speerwurfkonkurrenz, wurde mit 81,87 Metern Dritter – hinter dem Ägypter Mustafa Khaliq mit 81,92 Metern. Über die für die Olympischen Spiele in Paris geforderte Normweite von 85,50 Metern verfügen beide DLV-Topathleten und sind damit auch Deutschlands klare Pariser Medaillenhoffnungen.

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Im Interview mit  Julian Weber, 2022 Speerwurf-Europameister von München und in 2024 der Titelverteidiger in Roms neuer Olympia-Arena

Anhalt24: Für Julian Weber der perfekte Saisoneinstieg

Kraftvoll im Anlauf und mit gewaltiger Rotationsdynamik war Julian Weber durch die Anlaufgasse des Dessauer Paul-Greifzu-Stadions gestürmt. Den Stemmschritt perfekt vor die Abwurflinie gesetzt, Oberkörper und Wurfarm immer wieder zu einer kinetischen Schnellkrafteinheit geformt, gelangen dem Potsdamer Sportsoldaten drei Über-80-Meter-Würfe in aufsteigender Serie. Ein faszinierender Paukenschlag, mit dem Julian Weber klare Medaillen-Ambitionen für Rom und Paris anmeldete. Entlang der Dessauer Olympiaklänge und nach seinem kraftvollen Saisoneinstieg sprach der Berliner Sportjournalist Volker Schubert exklusiv für Bundeswehr Sport-Magazin mit Julian Weber von der Bundeswehr Sportfördergruppe Berlin über neue Krafttrainingsimpulse und seinen Spitzensport-Fahrplan für Rom, Braunschweig und Paris.

BwSportMag: Julian, sporthistorischer geht es kaum, erst die EM in Rom, dann die ‚Deutschen‘ in Braunschweig und schließlich die Sommerspiele in Paris. Alles Stationen die Du als Spitzenwerfer im Fokus hast. Welchen Stellenwert spielt dabei Dein Auftakt in Dessau, wie schätzt Du Deine Performance für die Operation EM und olympische Medaillenjagd ein?

Weber: Der Saisoneinstieg hat einen Riesenstellenwert für mich mit so einer Weite einzusteigen. Das gibt mir natürlich ein richtig gutes Gefühl. Ich hatte auch nicht gedacht, dass das heute so gut funktioniert. Ich hatte ja zuvor eine Adduktoren-Zerrung und drei Wochen nicht geworfen. Deswegen konnte ich auf nicht wirklich Anlaufen üben und technisch groß brillieren. Ich meine, ich hatte auch schon vorher gut geworfen und wusste, dass ich was drauf habe. Aber, dass es jetzt so gut funktioniert, hätte ich niemals gedacht. Das waren auch nicht die besten Bedingungen heute und der Anlauf, nun ja! Ich hatte mich heute irgendwo hingestellt und merkte beim Einlaufen das es passt. Ich bin sehr glücklich, dass es heute so gelaufen ist. Und klar, dieses Jahr ist natürlich ein ganz besonderes und da kann ich mich jetzt noch mehr drauf freuen, was so kommt.

BwSportMag: Als EM-Titelverteidiger ist das natürlich auch Deine große Herausforderung. Wenn Du die Konkurrenz hier in Dessau jetzt so einschätzt, war das schon so ein bisschen EM-Vorgeschmack für Dich?   

Weber:  Ja, auf jeden Fall! Das ist immer so eine mega-gute Stimmung hier. Das Publikum ist immer voll dabei und das macht richtig Spaß. Man merkt hier richtig, dass die Zuschauer auch Leichtathletik-interessiert sind. Das war darum auch der perfekte Saisoneinstieg für mich. Und nächstes Jahr komme ich auf jeden Fall wieder! Ich konnte genau das an Weite umsetzen, was ich mir auch vorgenommen hatte, dabei schön entspannt und technisch sauber zu werfen. Alles hat in Dessau perfekt funktioniert. Die Bestätigung der Olympianorm. Alles klappte extrem gut und ich bin absolut froh darüber.  

BwSportMag: Wie sah Deine Potsdamer Wintervorbereitung mit Deinem Trainer Burghard Looks für die Spitzensaison 2024 aus; Du trainierst koordinativ oft sehr komplex, bist technisch vielschichtig mit Spezialmaschinen und hohen Athletik-Anteilen zugange?     

Weber: Sehr gut! Wir beide ergänzen uns sehr gut. Ich bringe selbst auch sehr viel neuen Input ins Training rein, probiere viel aus und mache extrem viel im Bereich Beweglichkeit und Koordination: ich bin ja nicht der Stärkste! Das tut mir auch gut, aber Kraft habe ich jetzt auch mehr gemacht. Als der Max jetzt mit 90 Metern eingestiegen ist, habe ich gedacht: ich mache jetzt auch ein bisschen mehr an Kraft, weil der ja schon deutlich stärker ist. Aber ich habe jetzt auch an technische Feinheiten gefeilt, die mir heute ein lockeres und schönes Werfen ermöglichen. Das war genau das, was ich wollte: einfach technisch schöne saubere Würfe. Und das hat heute schon sehr gut funktioniert.

Potsdamer Speerwurf-Schmiede: In Rom und Paris hegt das Traum-Duo Julian Weber und Burghard Looks  Medaillenambitionen.

BwSportMag: Und der Fuß im Sprunggelenksbereich hat heute gut gehalten?

Weber: Ja, ich habe heute noch nicht einmal getapt. Ich war jedenfalls ultraschnell unterwegs. Und da geht auf jeden Fall noch mehr! Da habe ich keine Probleme, die mich aufhalten, da bin ich sehr zufrieden! Aber ich denke, es war gut, dass ich aufgehört habe und dass ich nicht noch einmal geworfen habe. Ich hätte es jetzt auch darauf anlegen können, dass die 88 Meter nicht gereicht haben, aber das wäre hier Quatsch gewesen. Ich muss mir ja noch ein bisschen was aufheben!

BwSportMag: Du gehörst zum exklusiven Kreis von Leichtathleten, die in der Bundeswehr durch die 16 Sportfördergruppen deutschlandweit, oft stützpunktnah administriert werden – konkret bist Du in die Sportfördergruppe Berlin integriert. Wie wichtig ist Dir ein sozial und finanziell stabiles Umfeld, wie sieht Deine kommende Laufbahn- und Lehrgangsplanung in Richtung Feldwebel-Ausbildung aus und bietet die Armee eine solide Heimat für nationale Spitzensportler?

Ohne militärische Sportfördergruppen kein Spitzensport: Julian Weber ist glücklich über das sozial und finanziell abgesicherte Umfeld.

Weber: Ich bin Stabsunteroffizier. Und ich meine, dass ich nach dem Olympiajahr wieder einen Lehrgang haben werde, was ich aber noch nicht genau weiß. Und natürlich, die Bundeswehr, das ist der größte Unterstützer für mich und gibt mit natürlich extrem viel an Sicherheit, um meinen Sport auszuüben. Da bin ich natürlich sehr glücklich drüber, die Bundeswehr an meiner Seite zu haben.      

BwSportMag: Julian, Du hast noch so viel Potential, wie Dessau wieder gezeigt hat! Ich wünsche Dir für die Titelverteidigung in Rom das optimale Sprungbrett für Paris, maximale Drehzahlen und vor allem Verletzungsfreiheit – wir sehen uns gewiss bei den Deutschen in Braunschweig.

Weber:  Dankeschön, Volker und gerne wieder in Braunschweig!

Die Fragen stellte der Berliner Sportjournalist  Volker Schubert, exklusiv für Bundeswehr Sport-Magazin.

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Im Interview mit dem Sportsoldaten und Stabhochspringer Oleg Zernikel  

Oleg Zernikel: Glücksfall Bundeswehr-Sportförderung

Mit seinem athletischen Potential, seiner läuferischen Grundschnelligkeit und Explosivität gehört der Sportsoldat Oleg Zernikel von der Bundeswehr Sportfördergruppe Mainz seit Jahren zu den stabilen Leistungsträgern in der DLV-Stabhochsprung-Garde. Der Athlet mit dem 5,90 Meter plus Reserven nutzte den ostdeutschen Anhalt24-Event erneut für seinen Saisoneinstieg. Nach seinem Wettkampfpech sprach Volker Schubert über die sportlichen Zukunftspläne des mental robusten und hochmotivierten DLV-Kaderathleten und mögliche Karrierewege in der Truppe, sollte der Ernstfall Spitzensport-Ende eintreten.      

BwSportMag: Oleg, auch 2024 Dessau ist für Dich eine feste Adresse mit regelmäßigem Stabhochsprung-Wohnzimmer: zumal angesichts der beginnenden EM- und Olympia-Saison. Welchen Stellenwert hat das ostdeutsche Top-Meeting für Dich als Stabhochspringer mit internationaler Konkurrenz und was die Stimmungslage im Paul-Greifzu-Stadion betrifft, fühlst Du Dich elektrisiert?   

Zernikel:  Dessau hat für mich einen sehr großen Stellenwert. Ich bin schon so oft in Dessau angetreten, habe gute Leistungen gebracht. Je nach Zeitpunkt waren meine Leistungen auch mal eher moderat. Ich komme immer mit einem guten Gefühl nach Dessau und meist mit gleichgutem Gefühl zurück. Heute ist es nicht so gut gelaufen. Leider muss ich sagen, denn ich war gut drauf. Ich dacht ich kann zunächst die 5,70 Meter angreifen und dann die 5,80 Meter. Das war heute nicht der Fall. Man kommt an und merkt: heute stimmen die Abstände gar nicht. Der Körper spielt dann manchmal auch sein eigenes Spiel. Manchmal findet man einfach auch keine Erklärung dafür. Aber, wenn dann auch die anderen Jungs Probleme haben, ist irgendetwas grundsätzlich falsch. Die Konkurrenz ist auf jeden Fall stark, das kann ich nur als Kompliment sagen. Und auch die Dessauer Stimmung ist hervorragend, wir werden in der Springerecke angefeuert. Am Start elektrisiert mich das wirklich.

BwSportMag: Du hast Dir im Wettkampf immer wieder Tipps von Deinem Heimtrainer abgeholt; was meinte der zu Deinen Anläufen? 

Zernikel:  Die Zwischenmarken für den Anlauf stimmten irgendwie nicht. Damit muss man als Leistungssportler erst einmal umgehen, weil Veränderungen im Anlauf ein anderes Gefühl für den gesamten Bewegungsablauf vermitteln. Das habe ich sonst so nicht erlebt. Da ist es die Aufgabe des Profisportlers trotzdem zu performen.  

BwSportMag: Du trägst, anders als manch anderer Sportsoldat, das Eiserne Kreuz ganz bewusst am Wettkampftrikot und bist in der Bundeswehr Sportfördergruppe Mainz etabliert. Was ist mit Blick auf Deine DLV-Kadermitgliedschaft und Deine Zugehörigkeit zur militärischen Spitzensportförderung Deine mittelfristige Perspektive?

Zernikel:  Es sieht derzeit ganz gut aus. Erst einmal bin ich für Paris verpflichtet. Es gilt natürlich immer die Kadernorm zu erfüllen. Und die liegt bei 5,70 Meter! Und die werde ich auch springen, die hätte ich ja auch fast schon geschafft. Das ist nicht das Problem! Ich bin auch in Rom dabei, bei den Europameisterschaften, und ich denke, dass es mit Paris auch klappen zu 99 Prozent wird. Ich spüre, dass ich schon hoch springen kann, ich brauche nur ein paar passende Tage und ein paar gute Wettkämpfe. Paris ist natürlich mein höchstes Ziel!

Sympathischer Militärathlet mit 5,90 Meter plus Potential. Oleg Zernikel liebt Höhenflüge.

BwSportMag: Jetzt ist die Sportförderung in der Truppe für Dich als Kaderathlet noch ein sicherer sozialer Ankerplatz. Wie sieht es nach der Spitzensportkarriere für Dich aus, wäre da ein regulärer Dienst an der Waffe eine berufliche Option?  

Zernikel: Auf jeden Fall, ja! Ich lasse mir alle Wege offen. Ich kann mich an meinen alten Stabhochsprung-Kameraden Carsten Diller erinnern, der sagte: ‚Die Bundeswehr war das Beste, was mir passieren konnte‘. Und seitdem ich bei der Bundeswehr bin, kann ich seine Sätze sehr gut nachvollziehen. Und auch für mich ist es das Beste, was mir passieren konnte – die Unterstützung, die finanzielle und die soziale und dass ich mich auch wirklich voll auf den Sport konzentrieren kann. Denn viele gute deutsche Athleten, die diese Möglichkeiten nicht haben, haben‘s echt schwer oder steigen aus.

Bundeswehr-Sportförderung, „das Beste“ was Oleg Zernikel passieren konnte.

BwSportMag: Oleg, Du siehst topfit aus, die Athletik stimmt! Wie hoch sind eigentlich Deine turnerischen Anteile im Training, um besonders die Anlaufgeschwindigkeiten und Griffroutinen mit harten Stäben für Höhenflüge Richtung 5,90 Meter umsetzen zu können?     

Zernikel: Hoch- und Tiefreck und Barren stehen sehr stark auf dem Trainingsplan. Ich kann mittlerweile turnerisch schon sehr viel umsetzen. Ich trainiere das in jeder Woche und ich weiß, ich kann‘s. Ich brauche aber nicht immer alles zu machen. Es gibt Übungen, die sind richtig gut und die trainiere ich dann auch mehrmals.         

BwSportMag: Inwieweit hast Du hier bereits schon Techniktrainingsschwerpunkte während der letzten Hallensaison gelegt, um über die richtige Vorform für Rom und Paris zu verfügen?

Zernikel: Ja, natürlich! Und zwar im besonders im Anlauf. Der ist immer sehr wichtig. Geht der Schwung beim Anlaufen nicht in die richtige Richtung, kannst du den Sprung gleich vergessen. Das war hier in Dessau auf dem nassen Untergrund auch heute wohl das Problem für mich. Wenn Du die gerade Linie beim Anlauf hältst, geht der Sprung auch fast automatisch in die richtige Richtung. Darauf habe ich versucht, mich immer wieder zu fokussieren.

BwSportMag: Je länger und härter der Stab, je größer die Höhe. Wie viele Stäbe hast Du in Dessau dabei und wie gehst Du bei der Stabauswahl vor?

Stimmen Form und Bedingungen, kommen für Oleg Zernikel harte Stäbe zum Einsatz!

Zernikel: Ich habe von 4,90 Meter langen Stäben jetzt auf 5.00 Meter lange Stäbe gewechselt. Das war lange schon immer mein Ziel. Das hat aber erst jetzt geklappt, denn mit längeren Stäben kannst Du dann auch höher springen, aber das ist technisch auch deutlich anspruchsvoller. Damit kann ich mein Potential jedenfalls besser ausschöpfen. Das Wetter spielt bei der Auswahl der Stäbe natürlich auch eine wichtige Rolle. Bei dem Regenwetter wie in Dessau springst Du mit weicheren Stäben, weil das Risiko dann geringer ist. Ich habe in Dessau sieben Stäbe dabei, die ich je nach Sprunghöhe auswechseln kann.

BwSportMag: Oleg, ich wünsche Dir für Rom schnurgerade Anläufe, mit denen Du Dich auch in Pariser Wunschhöhen katapultieren kannst.  

Zernikel: Danke Dir, wir bleiben am Ball!

Die Fragen stellte der Berliner Sportjournalist Volker Schubert, exklusiv für Bundeswehr Sport-Magazin. 

Alle Fotos: ©Volker Schubert

Quelle: Bundeswehr Sport-Magazin.

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