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06
2013

Schwimmstart - IRONMAN 70.3 BERLIN ©Horst Milde

Triathlon in Berlin – Keine halben Sachen – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

16.06.2013 ·  Auf der 70.3-Distanz des Ironman in Berlin enteilt Michael Raelert der Konkurrenz und macht kesse Sprüche: „Ich bin gerade erst warm geworden.“
 
Der Sonntag war ein einsamer Arbeitstag für den Juniorpartner des Unternehmens Raelert-Brothers GmbH, Rostock. Um acht Uhr morgens sprang er im früheren Osthafen von Berlin kopfüber in die Spree, und 1900 Meter im Wasser, 90 Kilometer auf den Straßen von Neukölln und Kreuzberg sowie den Start- und Landebahnen des einstigen Flughafens Tempelhof im Fahrradsattel und einen veritablen Halbmarathon von 21,1 Kilometer später, um 11.47 Uhr, hatte er sein Tagwerk vollbracht: Da war Michael Raelert mit gut viereinhalb Minuten Vorsprung Erster des Ironman 70.3 Berlin, dem erstmals in der Hauptstadt ausgetragenen Triathlon über die Halbdistanz.

„Ich habe öfter meinen Namen gehört, als mir lieb war“, sagte Raelert, als er entspannt im Ziel stand. Da hatte er sich die Zeit genommen, vor dem Zielband stehen zu bleiben und es geradezu feierlich zu durchschreiten.

Da zeigte die Stoppuhr 3:46,56 Stunden an. Erst im Oktober von Rostock nach Berlin gezogen, hatte Raelert in der Hauptstadt zunächst ein wenig gefremdelt. Nun war er überrascht, dass ihn die Berliner schon als einen der Ihren adoptiert haben. Kesse Sprüche beherrscht auch er. „Ich bin gerade erst warm geworden“, antwortete er den einen, die ihn dafür lobten, dass er im Ziel überhaupt nicht erschöpft wirkte. „Wenn ihr mit euren Kameras nicht da gewesen wärt, wäre ich zusammengebrochen und hätte mich übergeben“, erwiderte er den anderen. „Alles eine Frage der Contenance.“

Ein Rekord war auf der kurvenreichen Strecke, insbesondere auf dem Tempelhofer Flughafengelände, wo man das Rad ständig bremsen und wieder antreten musste, schwer möglich. Doch Raelert sah das aus anderer Perspektive. „Die Strecke ist zuschauerfreundlich“, lobte er. „Hier in Berlin können wir Großes erreichen.“

Im Wasser war er in 23:59 Minuten Zweitschnellster (hinter dem Gesamtvierten Christian Prochnow aus Potsdam), auf dem Rad in 2:04:13 die Nummer eins, beim Lauf konnte er sich eine Zeit von 1:16:51 Stunden gönnen. Prochnow war in 1:14:26 der schnellste Läufer, hatte aber auf dem Rad mehr als zehn Minuten verloren.

Raelert Bros. – das ist ein Markenartikel des Sports. Er steht für Michael und Andreas Raelert. Andreas, 36 Jahre alt, ist Michael um vier Jahre und vier Ironman-Rennen auf Hawaii voraus. Zwei Mal wurde er dort Zweiter, zwei Mal Dritter. In Roth siegte er 2011 in 7:41:33 Stunden, das ist bis heute die Bestzeit auf der Langdistanz. Von klein auf eifert Michael diesem großen Bruder nach. So wurde er 2009 und 2010 Weltmeister auf der 70.3-Distanz sowie 2010 und 2012 Europameister.

Bei seinem ersten Titelgewinn war er so schnell wie kein Triathlet vorher und seitdem auf der Halbdistanz – 3:34:04 Stunden. Über seine Premiere auf Hawaii im vergangenen Jahr spricht er ungern. „Ich bin ins Ziel gekommen“, sagt er. „Der Kopf wollte mehr, als der Körper leisten konnte.“ Hawaii ist das Ziel und der Gipfel. Der echte, der Ur-Ironman, aus dem ebenfalls eine Marke mit weltweiter Verbreitung geworden ist, ist der einzige Wettkampf, in dem die beiden Raelert-Brüder mit- und damit auch gegeneinander antreten.

Ansonsten gilt das strikte Marketingprinzip: „Wir bieten unseren Sponsoren die doppelte Präsenz.“ Wie die boxenden Brüder Klitschko, sagen sie gern, vermeiden sie die direkte Auseinandersetzung. Ihre Website Raelert-Brothers.com führen sie auf Deutsch und Englisch, den Umlaut in ihrem Nachnamen haben sie internationalisiert. Elf Sponsoren haben sie gefunden, und auch um ihnen gerecht zu werden, arbeiten der dritte Raelert-Bruder, der IT-Experte Sven-Peter, sowie die Lebensgefährtin von Michael hauptberuflich für die Raelert-Brothers GmbH.

„Man darf sich keinen Fehler erlauben“

Noch scheint Michael Raelert nicht beim großen Ironman angekommen. Manchmal nennt er die Langstrecke den doppelten Ironman, manchmal den ganzen. Das liegt auch daran, dass er auch beim 70.3 keine halben Sachen macht. Berlin diente dem Saisoneinstieg und der Überprüfung der Form. Der Höhepunkt der Saison ist Hawaii, Anlauf Nummer zwei. Dieser soll ihn und seinen großen Bruder aufs Podium führen. „Die Brownlee-Brüder haben uns bei den Olympischen Spielen vorgemacht, was wir erreichen wollen“, sagt Michael Raelert. „Wir wollen es allerdings auf Hawaii schaffen.“

Rio ist nur für die Hälfte der Firma ein Thema. Andreas gehörte in Sydney 2000 (Platz zwölf) und Athen 2004 (Sechster) zur deutschen Olympiamannschaft. Michael will 2016 für Deutschland zu den Sommerspielen. Dafür wird er kürzertreten müssen, denn der olympische Triathlon ist noch schneller vorbei als ein 70.3.

„Das ist, als ob ein Marathonläufer auf die Bahn zurückkehrt. Die Intensität ist viel höher“, sagt er. Zudem erlaubt Olympia den Triathleten das Windschattenfahren. „Man darf sich keinen Fehler erlauben“, bedeutet das für Michael Raelert. „Wenn man einmal abgehängt ist, kommt man nie mehr ran.“

Unternehmerisch und sportlich ist langer Atem gefragt.

 

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonntag, dem 16. Juni 2013

author: GRR

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