Transviamala - das etwas andere Laufspektakel – Von Säumer-Säcklis, Pizokel und den Lumbazis – Viel Beifall für die herausragenden Siegerleistungen von Jasmin Nunige und Jonas Baumann
Transviamala – Der Weg ist das Ziel – Wilfried Raatz berichtet
Für das sportliche Naturerlebnis Transviamala haben die Organisatoren um den OK-Präsident Steafan Michael und den Präsident des Ausrichters US Tumpriv Rolf Cantieni den chinesischen Philosophen Konfuzius bemüht, der vor 2 500 Jahren die Erkenntnis „Der Weg ist das Ziel“ formuliert hatte.
Diese Lebensweisheit soll den Transviamala-Läufern auf Schritt und Tritt Motivation und Antrieb sein, denn beim 19 km langen Landschaftslauf über 750 Höhenmetern und 589 Steinstufen von Thusis nach Donat spielen Rekorde und Bestmarken keine Rolle. Vielmehr geht es, die Aufmerksamkeit auf die vielen Naturereignisse entlang der Strecke mit allen Sinnen zu erfahren.
Zum Himmel hinaufragende Felswände, tosende Wasserfallkaskaden, schmale Pfade durch dunkle Schluchten gehören ebenso zum Schauspiel wie die weite, sich öffnende Landschaft mit eher sanften Abhängen, den unzähligen Kapellen auf den Hügel und den spärlich in die Landschaft gepflanzten Dörfern im Verbund mit dem farbenfrohen Herbstlaub der Wälder. „Den Transviamala zu laufen, bedeutet“, so die Veranstalter, „Natur und Geschichte in vielfältiger Form zu erleben. Und wenn das Ziel erreicht ist, sind alle um eine große sportliche Leistung und um prägende Eindrücke reicher“.
Nachhaltigkeit oberstes Gebot für die Organisation
Das Thema „Wege“ hat die Organisation als Projekt das ganze Jahr hinüber begleitet. Mit den Verantwortlichen des Naturparks Beverin ist ein Strategiepapier entwickelt worden, das von „neuen Wegen auf alten Pfaden“ handelt. Die weitläufige Landschaft am Hinterrhein mit insgesamt zwölf Gemeinden soll hierbei Schritt für Schritt zu einer natürlichen Sportarena ausgebaut werden, die ein attraktives Wegenetz an Lauf-, Walking-, Bike- und Wanderwegen aufweist. Ein entscheidender Faktor bei der Zielsetzung derartiger Projektionen ist, dass das zehnköpfige Organisationsteam komplett aus in der Region verwurzelten Mitgliedern besteht, denen die Förderung der heimischen Kultur besonders am Herzen liegt.
Im Gegensatz zu anderen Organisationen beschränkt sich die Uniùn da Sport (US) Tumpriv als Ausrichter des Transviamala nicht alleine auf eine reibungslose Durchführung des Laufes. „Nachhaltiges Schaffen stellt eines der obersten Gebote in unserer Philosophie dar“, so OK-Präsident Steafan Michael. Deshalb stellt die am Schamserberg ansässige Sportvereinigung jedes Jahr unter ein neu definiertes Schwerpunktthema. So steht 2010 unter dem Schlagwort „Muvimaint Bavregn“ der Ausbau des Langsamverkehrs (Fortbewegung ausschließlich mit menschlicher Muskelkraft).
Prämiert als „Schönster Lauf der Schweiz“
Transviamala ist überaus speziell. Nicht alleine die Zielsetzung, sondern auch die vielen Details sind es, die diese Veranstaltung, bei der insgesamt mehr als 1000 LäuferInnen aller Altersklassen und Leistungskategorien an den Start gehen, aus der Masse der Veranstaltungen in der Schweiz und den angrenzenden Ländern hervorheben lässt. Die Leser des Online-Portals „sport-heute.ch“ haben den „transviamala run & walking“, so die offizielle Schreibweise der Veranstaltung, bereits zum zweiten Mal zum schönsten Schweizer Lauf gekürt.
Nach Stefan Michael fußt die Veranstaltung auf vier Säulen: „1. Sport treiben in einer unverwechselbaren Landschaft, 2. Ein Fest zu feiern als ein gesellschaftliches und kulinarisches Erlebnis, 3. Zukunftsleitende und der Nachhaltigkeit verschriebene Organisation, 4. Die Vermittlung regionaler Geschichte und Identität“.
Transviamala ist speziell…
Die farbprächtigen Prospekte zum Sport- und Tourismusprogramm im Erfahrungsreich Viamala liegen (natürlich) nicht als Hochglanzmaterial aus, sondern sind Natur schonend auf Umweltpapier gedruckt – und wirken dadurch genau so authentisch wie die Naturalgaben aus heimischer Produktion. Für die Streckenrekorde stehen keineswegs (Geld-)Prämien an, sondern die Veranstalter halten für diesen Fall Transviamala-Marancigns parat, die einen Wert von 800 Franken haben.
Der Kleiderbeutel ist ein Baumwollsack, als Give away erhalten alle Teilnehmer das „Viamala-Fazalet“, ein Säumer-Säckli aus Baumwolltuch mit dem Andeer-Traum aus heimischer Käseproduktion, Hartwurst (Viamalasalsiz), einem Brötchen und selbstgebackenem Gebäck. Im Festbereich gibt es neben vielen leckeren Kuchen und dem üblichen Pastagericht die Pizokel-Mahlzeit, eine gedünstete heimische Köstlichkeit.
Die Liebe im Detail ist an allen Ecken zu spüren. So steht kein „trouble desk“ für allfällige Informationen parat, sondern das Info-Zentrum heißt „Punt d’infurmaziùns“, zum Ziel gelangen die Läufer über eine Nachbildung der Viamalabrücke, die zugleich für die Organisation die beengten Verhältnisse im Zielbereich als Tunnel unter der Strecke lösen hilft.
Spektakulär ist in Zielnähe auch der Hindernis-Parcours zum Kinderwettbewerb „Cursa da lumpazis“, der sogar wegen des großen Andrangs mit Vor- und Endläufen durchgeführt werden muss. Lumbazis sind übrigens die Lausbuben und –mädchen – und davon gab es bei der neunten Auflage genügend, die mit Feuereifer auf den Parcours gingen.
„Konzept ohne Stars“ mit namhaften Siegern
Dichte Regenwolken ließen nur partiell die sehnlich gewünschte Fernsicht zu. Bei Temperaturen um 5° Celsius rissen allerdings gegen Mittag die tief hängenden Wolken auf, so dass die seit der Vornacht weißen (!) Berghänge sichtbar wurden. Unter den rund 600 Läufern, die die 19 km lange Distanz bei eigentlich idealen Lauf-Bedingungen unter die Füße nahmen, auch einige prominente Läufer, wenngleich die Veranstalter immer wieder betonen, dass es eine reine Breitensportveranstaltung sei, bei der keine Cracks eingekauft würden. So bestimmen Jahr für Jahr vornehmlich Läufer aus der Region den Takt. Es sei denn, die zahlreichen Berichte über diese außergewöhnliche Veranstaltung locken Lauftouristen an.
So wie der Hamburger Werbe- und Verlagsagenturchef Frank Fricke, der einen Startplatz von seiner laufbegeisterten Freundin Stephanie Lemke zum 43. Geburtstag erhielt. Oder wie die in New Jersey studierende Lena Kraus, die einen Heimataufenthalt in Darmstadt zu einem Start beim Transviamala nutzte.
Tagesschnellster war der 20jährige Jonas Baumann, der aus Lohn unweit des Zielortes Donat stammt und zu einer der Langlauf-Hoffnungen der Schweiz zählt. Als „Cologna der Viamala“ schickt er sich an, einmal in die Fußstapfen seines berühmten Landsmanns Daria Cologna zu treten, der in Vancouver 15 km-Olympiasieger geworden war. In 1:20:28 lag das Ausdauertalent mit zwei Minuten Vorsprung klar vor Adrian Brennwald, dem Double-/Triple-Ironman-Weltmeister aus Aeugst am Albis und dem Churer Vorjahressieger Ulisses Joos.
Bei den Frauen machte die Vorjahressiegerin Jasmin Nunige auf dem Weg ins italienische Trainingslager in der Toskana noch rasch in Thusis Station, um in 1:30:07 Stunden einen neuen Streckenrekord zu laufen. Dabei war die Davoserin gerade erst vom Sugadaira Skyline Trail Run aus Japan zurückgekehrt, den sie eindrucksvoll für sich entschieden hatte.
Wilfried Raatz