Radrennen - Symbolbild - Foto: Horst Milde
Tour de France Start 2022 in Dänemark – wo Radfahren zum Lebensstil gehört – Von KLAUS BLUME
Es trug sich im August 2019 zu. Der amerikanische Präsident Donald Trump bot dem, wie er meinte, armen Dänemark an, für „sehr viel Geld“, Grönland abzukaufen. Eine Handvoll Reporter ersuchte daraufhin Ministerpräsidentin Mette Frederiksen um eine Antwort. Sie stoppte ihr Fahrrad und antwortete kurz: „Kommt gar nicht in Frage.“
Schwang sich wieder in den Sattel und rief den Reportern beim Wegfahren zu: „So, jetzt muss ich schnell noch zum Regieren.“ Ohne Fahrrad geht bei den 5,8 Millionen Dänen, im Lande zwischen Nord- und Ostsee, offenbar nichts. Besonders nicht bei den Kopenhagenern; denn für sie, so deren Bürgermeisterin Sophie Haestorp Andersen, sei Radfahren nicht nur eine Fortbewegungsmöglichkeit, sondern ein ganz besonderer Lebensstil.
Warum also sollte in diesem Lande nicht auch die 109. Tour de France gestartet werden?
In Kopenhagen, wo die Bürger ihre Wege zum Arbeitsplatz – zu 35 Prozent – auf dem Fahrrad zurücklegen. Das Fahrrad ist in Dänemark immerhin das wichtigste Fortbewegungsmittel. Schließlich verfügt das kleine reiche Land zwischen den Meeren über ein gut ausgebautes Streckennetz für Radfahrer, das mittlerweile 12 000 Kilometer umfasst. Allein in Kopenhagen sind rund 675 000 Fahrräder registriert, auf denen täglich etwa 1,5 Kilometer zurück gelegt werden.
Selbstverständlich himmeln sie in einem solchen Land ihre Rad-Profis – trotz der Erfolge – nicht nur an; sie betrachten sie sogar besonders kritisch. Zum Beispiel Bjarne Riis, der 1997, im Trikot des Bonner Unternehmens Telekom, als bisher einziger Däne die Tour de France gewinnen konnte. Weil er aber auch als besonderer Spezialist fürs Blutdoping galt, was er auch öffentlich zugab, wurde er bis heute von Königin Margarete nicht zum Tee empfangen. Selbsstverständlich wurde auch Michael Rasmussen, der Tour-Bergkönig von 2005 und 2006, von der Königin niemals zum Tee geladen. Denn er hatte zuvor den internationalen Dopingkontrolleuren beharrlich seine Trainingsorte verschwiegen. Am 25. Juli 2007 wurde Rasmussen deshalb von seinem niederländischen Team Rabobank als Gesamtführender im Gelben Trikot aus der Tour de France genommen und mit sofortiger Wirkung aus der Mannschaft entfernt.
Darüber spricht heute in Dänemark niemand mehr. Gesprächsthema Nummer eins ist vielmehr der ehemalige Fischverkäufer Jonas Vingegaard, der voriges Jahr die Tour – und das gleich bei seinem ersten Einsatz – als Zweiter beendete. Doch wer nun glaubt, in diesem Sommer könne der 24-Jährige die Frankreich-Rundfahrt auch gewinnen, kennt die ungeschriebenen Gesetze des Profi-Radsports nicht. Also: Vingegaard steht beim niederländischen Team Jumbo-Visma unter Vertrag – als Nummer zwei hinter dem slowenischen Olympiasieger und Tour-Favoriten Primoz Roglic, einem früheren Skispringer. Für ihn muss der hochtalentierte Däne nun seinen Rücken krumm machen. Wenn nicht, wäre er in der Branche unten durch – und müsste wieder daheim, auf dem Markt, Fische verkaufen.
Aber die Dänen setzen nicht nur auf ihn, sondern auch auf ihren Landsmann Mads Pedersen, den Weltmeister von 2019. Der 26-Jährige startet im Trikot eines amerikanischen Teams, und will endlich einmal eine Tour-Etappe gewinnen. „Möglichst in Dänemark“, hofft sein dänischer Sportdirektor Kim Andersen.
Ein Mann, dem daheim jedoch nicht nur Sympathien entgegen schlagen.
Schließlich war Andersen 1987 der erste lebenslänglich gesperrte Dopingsünder im Radsport.
Klaus Blume
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