Zugleich musste er bekennen, dass die 300.000 Euro aus dem Bundesministerium des Innern (BMI) für spezielle NADA-Projekte aktuell weder ausreichen, um gezielt jene Altersklasse anzusprechen, die sich „U 13“ nennt, noch Kapazitäten vorhanden sind, um bei den Freizeit- und Breitensportlern aktiv zu werden.
Symbiose zwischen Kontrolle und Prävention auf dem Vormarsch – Journalisten-Workshop bei der NADA in Bonn bringt interessante Einblicke
Was Diskuswerfer Robert Harting im unmittelbaren Vorfeld der Leichtathletik-Weltmeister-schaften vom 15. bis 23. August gerade unüberhörbar durchklingen ließ, ist bei den Nachwuchs-athleten längst weit verbreitete Stimmungslage: Viel zu unterschiedlich werde der Kampf gegen Doping international geführt!
Die Chancengleichheit in den internationalen Arenen sei nicht gegeben! Mit diesem Tenor bei den Teenagern und Talenten von morgen würden die Mitarbeiter der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) immer wieder konfrontiert, wenn sie in den 40 Eliteschulen des deutschen Sports auf Präventionstour unterwegs sind, machte NADA-Mitarbeiter Dominic Müser jüngst bei einem Journalisten-Workshop in Bonn deutlich.
Zu erkennen und auszuloten, was der Nachwuchs über das schier allgegenwärtige Thema denkt und wie er damit umgeht, ist die eine wichtige Facette der Vorort-Begegnungen der drei hauptamtlichen Mitarbeiter im NADA-Ressort Prävention. Weit wichtiger noch ist es ihnen, Weichen zu stellen und Einfluss darauf zu nehmen, möglichst flächendeckend an der Heranbildung von künftigen Olympioniken und WM-Teilnehmern zu wirken, die als saubere Athleten an den Start gehen und über Manipulationen, Betrügereien und Dopingmissbrauch im günstigsten Fall nicht einmal nachdenken. Darum sollte mit dem Präventionsprogramm „so früh wie möglich begonnen werden“, betonte Müser.
Zugleich musste er bekennen, dass die 300.000 Euro aus dem Bundesministerium des Innern (BMI) für spezielle NADA-Projekte aktuell weder ausreichen, um gezielt jene Altersklasse anzusprechen, die sich „U 13“ nennt, noch Kapazitäten vorhanden sind, um bei den Freizeit- und Breitensportlern aktiv zu werden. Weil das gesamte Feld momentan nicht beackert werden kann, beschränkt und konzentriert sich die Informations- und Aufklärungsarbeit zur „Frühverhütung“ im Kern derzeit auf den Nachwuchs-Leistungssport.
Konzentration auf Nachwuchsleistungssportler
Insgesamt ein Dutzend Präventionsprojekte sind gerade in Arbeit, wobei es „in erster Linie um Wissenstransfer“ gehe. Die ständige Aktualisierung des Internetportals gehöre ebenso dazu wie die Neuauflage einer speziellen Broschüre für Eltern von Nachwuchsathleten und ein Büchlein mit dem Titel „High Five“ für diese Jugendlichen selbst. In Vorbereitung ist ein spezieller Anti-Doping-Film, und mit der Trainerakademie in Köln wurde vereinbart, dass Prävention bei Trainern mit A-Schein zum Standard gehört. Die neueste Entwicklung ist ein USB-Stick, mit dem die jungen Athleten via Computer einen privaten Rundgang durch die Schaltzentrale des deutschen Anti-Doping-Kampes in Bonn machen und sich über sämtliche Abteilungen informieren können.
Zugleich liefert der Stick wertvolle Informationen zum Beispiel über das Meldesystem „Adams“. Der Clou an dem kleinen Zauberer: Sämtliche Daten, die dort gespeichert sind, werden laufend aktualisiert, sobald die NADA-Mitarbeiter das für notwendig erachten. Kommt der Stick das nächste Mal mit einem PC oder Laptop in Berührung, erfolgt das Update automatisch.
„Alles das trägt dazu bei, dass wir der NADA ein Gesicht geben“, erklärte Müser und wies zugleich auf die Dringlichkeit von Kooperationen hin. Mit dem Heidelberger Präventionszentrum um Gerhard Treutlein beispielsweise seien die Kontakte schon recht eng, dasselbe gelte für die Präventions-Spezialisten bei der Deutschen Sportjugend (dsj). Darüber nachgedacht wird bei der NADA inzwischen darüber, im Bereich der Prävention auch „reuige Täter“ einzusetzen und ebenfalls Dopingopfer einzubeziehen. Alle Ressourcen auf diesem Gebiet miteinander zu verzahnen, sei das Gebot der Stunde. Nur so könne gewährleistet werden, dass die Prävention beispielsweise bei der Aus- und Weiterbildung von Übungsleitern zum „zentralen Bestandteil“ gerät und auch Industrie und Wirtschaft zunehmend ihrer Verantwortung gerecht werden.
Keineswegs nur als – durchaus willkommene – Sponsoren und Geldgeber. Auch darin liege eine Verantwortung, dass etwa Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln nicht um Kundschaft im Kinder- und Jugendalter buhlen oder mit übertriebenen Versprechungen auftreten. Der Arm des Präventiven müsse Müser zufolge zunehmend länger werden und über Sportmediziner, Ärzte, Apotheker und die Betreuer in den Internaten bis hin zu den Medien reichen.
„Gutes Gefühl, dass Doping im deutschen Leistungssport nichts zu suchen hat“
Tatsache sei, dass landauf, landab oft genug noch nicht einmal die Pädagogen dort, wo die Elite des Nachwuchsleistungssports zur Schule geht, ausreichend für das Thema Doping sensibilisiert seien, wie Armin Baumert als Vorstandsvorsitzender der NADA berichtete. Entsprechend bedürfe es zunächst der „intensiven Kommunikation“ nicht nur mit den jungen Athleten, sondern zugleich mit deren unmittelbarem Umfeld aus Eltern, Trainern und Lehrern. Ein wirksames Instrument gerade für diese Ebene ist die Tour durch sämtliche Eliteschulen des Sports, dis bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein wird. „Wir bringen das Thema in die Schulen, und das wird dort gern angenommen. Wir sind dort willkommen und gern gesehen“, berichtete Müser von dieser besonderen Partnerschaft.
Bei dieser Gelegenheit haben die Präventions-Experten tagsüber die jungen Sportler und deren Erzieher am Tisch, um unter anderem über Verbotslisten, Verhalten bei Erkrankungen, die Wirkung von Alkohol und Drogen und sportpolitische Fragen zu referieren. Anschließend folgen getrennte Diskussionsrunden in den Klassenstufen 8 bis 10 und 11 bis 13, bei denen stets erfahrene und aktive Leistungssportler mit zugegen sind. Die abendlichen Veranstaltungen indes sind den Gesprächen mit den Eltern vorbehalten. Ein Vater einer Wintersportlerin, die gerade das erste Jahr auf einer Eliteschule erfolgreich absolvierte, ist voll des Lobes über diesen Weg: „Wir finden es großartig zu wissen, dass unsere Tochter und die ganze Familie frühzeitig mit diesem Thema konfrontiert werden. Es ist doch ein gutes Gefühl, wenn den Sportlern und den Eltern von Anfang klar gemacht wird, dass Doping im deutschen Leistungssport nichts zu suchen hat.“
Bundespräsident besucht NADA-Zentrale in Bonn am 12. August
Ob dieses ausgetüftelten Programms werden die Talente zwischen Alpen und Usedom schon frühzeitig auf jene Situation vorbereitet und moralisch eingestimmt, die Baumert „schmaler Grat zwischen einem effektiven Kontrollsystem und Persönlichkeitsrechten der Athleten“ nannte. Prävention und Kontrollsystem, so die deutliche Botschaft, sollen ihre Kräfte künftig wechselseitig und kontinuierlich vereinen. Schon bei Gründung der Institution vor sieben Jahren wurde der NADA ins Stammbuch geschrieben, bitteschön auch präventiv zu wirken. Ein Drittel der Kraft, so der Wunsch, solle dafür verwandt werden.
Zwei Drittel im Optimalfall für das Kontrollsystem. Von dieser Symbiose im Ringen um einen sauberen Sport, die trotz aller Bemühungen zweifellos noch in den Kinderschuhen steckt, wird sich Horst Köhler am 12. August ein genaues Bild aus erster Hand machen können. Als erster Bundspräsident überhaupt wird er der Zentrale im nationalen Ringen um einen saubereren Sport einen persönlichen Besuch abstatten und in die Untiefen des Themas eingeweiht.
Andreas Müller
Quelle: DOSB