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16
06
2008

Vor ein paar Monaten hätte sich kaum einer der Jugendlichen aus Bad Cannstatt vorstellen können, kilometerweit zu laufen. Und einfach nur zu laufen

Stuttgarter Zeitung-Lauf – Jungs aus der offenen Jugendarbeit – Wer läuft, dreht keine krummen Dinger – 14 Jungs aus der offenen Jugendarbeit starten mit Polizei und Staatsanwältin beim StZ-Lauf – Susanne Janssen in der Stuttgarter Zeitung

By GRR 0

Stuttgart – Wenn am nächsten Sonntag der Startschuss für den StZ-Lauf fällt, sind auch 14 Jugendlicheaus der offenen Jugendarbeit mit dabei – samt Polizeibeamten und Jugendstaatsanwältin. Im Modellprojekt zur Gewaltprävention bereiten sie sich seit Monaten vor.

Die vorletzte Trainingseinheit hat einen besonderen Glanz: die neun Läufer, die im Cannstatter Jugendhaus Anna aufkreuzen, probieren ihre nagelneuen Laufschuhe an. "Die machen euch noch schneller", sagt ein Mitarbeiter des Jugendhauses. Das ist gar nicht mehr nötig – denn an Selbstbewusstsein mangelt es den Jugendlichen nicht:

"Klar schaffen wir es bis ins Ziel, wir sind doch alle Fußballer", erklären sie einstimmig. Die Besonderheit: am 22. Juni werden auch ein Polizist und eine Staatsanwältin vom Haus des Jugendrechts Seite an Seite mit den Jugendlichen mitlaufen.

Vor ein paar Monaten hätte sich kaum einer der Jugendlichen aus Bad Cannstatt vorstellen können, kilometerweit zu laufen. Und einfach nur zu laufen: "Das ist für Jugendliche nicht die attraktivste Sportart", weiß der Projektkoordinator Thomas Eisele. In einem Modellprojekt haben sich Polizei und Staatsanwaltschaft vom Haus des Jugendrechts, das Jugendhaus Anna und die Evangelische Gesellschaft trotzdem daran gemacht, gerade diese Ausdauersportart zur Gewaltprävention zu nutzen, nach dem Motto "Wer läuft, dreht keine krummen Dinger". Die Landesstiftung Baden-Württemberg finanzierte das Vorhaben.

Im November begann die Vorbereitung, einige Teilnehmer sprangen ab, andere mussten unfreiwillig aufgeben: "Ein Mädchen hat sich bei einem anderen Sport den Fuß gebrochen", sagt Eisele. Und gerade sie habe die anderen motiviert – weil sie nun nicht starten kann, haben sich auch die anderen zwei Mädchen abgemeldet.

14 Jungen treten nun mit türkisblauen Shirts mit dem Logo "Cannstatt bewegt sich" an, drei von ihnen beim Halbmarathon: Benoth, Skender und Yusuf besuchen die Schillerschule in Cannstatt und haben dort noch zusätzlich trainiert. Sie haben ein klares Ziel: "Ich will unter die ersten drei kommen", sagt der 16-jährige Yusuf. Schon zweimal haben die drei Schüler 21 Kilometer absolviert, "sogar bei Regen". Am 22. Juni wollen sie alles geben: "Ich habe schon einen gewissen Ehrgeiz", sagt Yusuf. Sein Ziel hat es in sich: er will auf der 21,1 Kilometer langen Strecke eine Zeit unter 1:30 Stunden erreichen.

Bis zu dieser Einstellung war es ein weiter Weg. Zweimal wöchentlich, mittwochs und freitags, trafen sich die Projektteilnehmer zum Training. Dazu gab es Informationen über die richtige Ernährung und über die Auswirkungen von Alkohol und Drogen auf den Körper. Die Runden, die zunächst mit einem professionellen Lauftrainer absolviert wurden, richteten sich im Tempo am langsamsten Läufer aus – alle sollten ankommen.

Für Thomas Eisele hat sich das Projekt schon jetzt gelohnt: "Die Jugendlichen lernen dabei eine gewisse Verbindlichkeit." Das sei in der offenen Jugendarbeit besonders schwierig. Er merkt auch, dass die Beziehungen zu ihm und untereinander ganz anders geworden sind: "Das schweißt zusammen." Und wie alles, was am eigenen Leib erfahren werde, bringe es die Jugendlichen weiter.

Vom steinigen Weg wollen die Starter nicht mehr viel wissen: "Es war nur manchmal anstrengend, wenn es heiß war", sagt der 15-jährige Skender. Dass sie Durchhalten lernen und beim stundenlangen Training auch ihre Aggressionen abbauen, ist ihnen gar nicht so bewusst.

Diesen Aspekt haben gerade Polizei und Staatsanwaltschaft besonders im Auge. Denn einige der Jugendlichen haben schon Bekanntschaft mit den Gesetzeshütern gemacht, einer saß bereits bei Rosa-Maria Wolff in ihrem Zimmer. Sie hofft, dass das Beispiel Schule macht und sich auch bei anderen Jugendlichen herumspricht. Die Staatsanwältin selbst tritt mit Yusuf, Skender und Benoth beim Halbmarathon an. Ihr geht es nicht um die Bestzeit, sondern um das Erlebnis: sie hat schon acht Marathonläufe absolviert.

Rainer Rudat, Polizist im Haus des Jugendrechts, sieht das Projekt als einen Mosaikstein in der Präventionsarbeit: "Das Gemeinschaftserlebnis Sport ist wichtig", meint er. Wer joggt, bleibe zwar nicht automatisch straffrei, beim Training würden aber Regeln und Normen geübt. Besonders beim ersten warmen Sommerwetter habe es eine Durststrecke gegeben:

"Da wollten die Jungs lieber ins Freibad und mit den Mädchen flirten – aber dann stand das Training auf dem Programm." Der Einlauf ins volle Stadion werde die jungen Läufer dafür entschädigen.

Thomas Eisele hofft, dass die Läufergruppe auch nach dem StZ-Lauf weiter besteht und weitere Kreise zieht. Damit noch mehr Jugendliche den besonderen Kick im Sport und nicht in der Gewalt entdecken.

Susanne Janssen in der Stuttgarter Zeitung, Freitag, dem 13.06.2008

www.stuttgarter-zeitung.de/stz-lauf

author: GRR

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