Ein Beitrag aus dem TAGESSPIEGEL vom Donnerstag, dem 3. August 2006
Streiten zum Aufwärmen – Friedhard Teuffel über eine Diskussion vor der Leichtathletik-EM in Göteborg
Zu einer richtig guten Vorbereitung auf eine internationale Leichtathletik-Meisterschaft gehört wohl inzwischen, dass man einmal anständig auf die Delegationsleitung schimpft. Im vergangenen Jahr vor der WM in Helsinki fand die Speerwerferin Steffi Nerius auf einmal den deutschen Verbandspräsidenten Clemens Prokop doof. Der nutze sein Amt nur zur Profilierung.
In diesem Jahr vor der EM in Göteborg ist es
weniger persönlich, aber dafür in der Sache hart. Die Diskuswerferin
Franka Dietzsch und der Kugelstoßer Ralf Bartels hätten einige ihrer
Mitreisenden am liebsten zu Hause gelassen. Die Mannschaft sei zu groß
und einige seien einfach nicht gut genug.
In der Tat nimmt der Deutsche Leichtathletik-Verband diesmal 78
Athleten mit, im vergangenen Jahr waren es noch 52. Es sollte keine
WM-Touristen geben. Dietzsch und Bartels dürfen sich auch durchaus etwas
herausnehmen. Sie gewannen schließlich zwei von fünf deutsche Medaillen
in Helsinki, Dietzsch wurde sogar Weltmeisterin. Die Diskuswerferin hat
zudem gut erklärt, warum sie lieber mit den besten Athleten unter sich
ist. Wenn zu viele aus der deutschen Mannschaft in der Qualifikation
ausschieden, sei das schlecht für die Stimmung.
Andererseits ist Leichtathletik kein Mannschaftssport und der Verband
verweist auf seine Planung: Er will junge Athleten an Olympia 2008 und
die WM 2009 in Berlin heranführen. So erscheint die Teamgröße im Moment
als theoretische Diskussion. Wenn Dietzsch und Bartels in Göteborg weit
werfen und stoßen, hätte sie immerhin den beiden etwas gebracht * wenn
auch nur zum Aufwärmen.
Friedhard Teuffel
aus:
DER TAGESSPIEGEL – vom Donnerstag, dem 3. August 2006
PS:
Anmerkung von German Road Races (GRR):
Die deutschen Leichtathleten stecken leider schon seit längerem in einem Leistungstief. Während die Werfer noch Medaillen einfahren, rennen die Läufer hinterher – oder werden vom DLV gar nicht erst zu großen Ereignissen, wie Europameisterschaften, Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen gemeldet.
Abwesenheit verbessert nicht die Leistung – nur Erfahrung und Wettkampfpraxis machen hart.
Der DLV hat jetzt das Team für die EM in Göteborg glücklicherweise schon vergrößert im Hinblick auf die großen LA-Ereignisse, die in Deutschland stattinden werden, als auch auf die OS 2008 in Peking.
Wir kritisieren u.a. jetzt die Nichtnominierung von Marathonläufern (Männer) für die EM in Göteborg.
Wie sollen Nachwuchsläufer an große Wettkämpfe, wie zum Beispiel die Weltmeisterschaften in Berlin 2009 herangeführt werden, wenn sie keine Chance haben an großen Wettkämpfen teilzuhaben, selbst wenn sie dort hinterher rennen.
Gute Stimmung kann doch auch in einer Mannschaft herrschen, wenn man keine Medaillen gewinnt.
Jürgen Klinsmann hat das doch auch mit seinem Team fertig bekommen!