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23
12
2010

Scheinbar sterben aber auch die Trainer aus, für die Laufen noch ein Glaubensbekenntnis ist. Die mit Begeisterung über das Laufen reden konnten – und für die „schlechtes Wetter“ ein Fremdwort war.

Steht der deutsche Crosslauf vor dem Aus? Wilfried Raatz zieht eine erschütternde Bilanz.

By GRR 0

Man stelle sich vor, es ist Crosszeit und – keiner macht mit! Dieser eher provokant klingende Spruch ist keineswegs eine Vision, sondern die harte Realität. Selbst den eigentlich noch vom Titel her ansprechenden Rennen im Deutschen Cross-Cup in Pforzheim und in Darmstadt mangelt es am Zuspruch.

422 gingen in Pforzheim über die Ziellinie, 576 aus immerhin 181 Vereinen aus dem gesamten Bundesgebiet in Darmstadt. Zu wenig zum Überleben, zu viel zum Sterben. Zumindest beim Darmstadt-Cross ist Qualität noch in starkem Maße vorhanden, wenngleich die Felder bei den Männern und vor allem bei den Frauen erschreckend klein und wenig leistungsstark sind. Dies ist allerdings auch ein Spiegelbild der aktuellen Situation im deutschen Langstreckenbereich.

Hier spricht ein Blick in die Deutsche Bestenliste der Saison 2010 durchaus Bände – und erübrigt jeglichen weiteren Kommentar. Denn: Hinter einigen wenigen Aushängeschildern klafft leistungsmäßig eine doch sehr bedenkliche Lücke. Weniger Leistung, mehr Geld? Dies jedenfalls ist offenkundig, gestiegen sind nämlich die (finanziellen) Ansprüche so mancher der selbst ernannten Topläufer.

Es trainiert sich jedenfalls bequemer in der Abgeschiedenheit (und Beschaulichkeit) des eigenen Territoriums anstelle sich gegen die Konkurrenz in regelmäßigen Abständen zu quälen. Wettkämpfe im regionalen Umfeld haben allenfalls Alibifunktion und sind eine nette Abwechslung im Trainingsalltag. Nicht mehr und nicht weniger.   

Die deutsche Crosslaufszene gibt es so gut wie nicht mehr, auch wenn im Laufkalender des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) insgesamt 235 Veranstaltungen gelistet sind, die allerdings auch zum Teil mit dem Crosslaufen im Sinne des Wortes wenig zu tun haben. Lokale bis regionale Läufe mit einer eher geringen Beteiligung, das ist das aktuelle Bild im Crosslaufen.

Dabei gilt das Querfeldeinlaufen in den Wintermonaten unter den Laufexperten als die Grundlage für eine erfolgreiche Bahn- und Straßenlauf-Saison. Zur Ausbildung und Steigerung von Willensschulung und kämpferischem Einsatz, aber auch zur Stärkung von Muskel- und Sehnenapparat. Doch wen interessiert eigentlich noch eine Periodisierung, einen sinnvollen Aufbau hin zu einem Saisonziel? Welche „Saison“ denn bitte schön? Heute dauert das Laufjahr vom 1. Januar bis 31. Dezember, vermeintliche Höhepunkte gehen im Gemenge der leider zu oft anzutreffenden konzeptlosen Vielstarterei (vorzugsweise auf der Straße) unter.  

Das war nicht immer so. Revolutionäre Auftritte wie in den Neunzigern bei der „DM-Alternative“ in Darmstadt mit dem nahezu geschlossenen Auftritt der Asse wie Dieter Baumann nach dem Ausfall der deutschen Crossmeisterschaften in Hamburg wegen des tiefen Geläufs (!) – sie gehören längst zum Kuriositätenkabinett der deutschen Laufszene. Tausend Starter bevölkerten einstmals die herausragenden Crossläufe in Deutschland, von dem legendären Teufelsberg in Berlin über die Galopprennbahn in Neuss bis zur Lichtwiese beim Darmstadt-Cross.

Zuschauer säumten zudem den interessanten Parcours. Doch wo ist sie geblieben, die Cross-Begeisterung?  Scheinbar sterben aber auch die Trainer aus, für die Laufen noch ein Glaubensbekenntnis ist. Die mit Begeisterung über das Laufen reden konnten – und für die „schlechtes Wetter“ ein Fremdwort war.

Dies alles scheint gewichen zu sein dem virtuellen Coach, gewichen dem standardisierten Plan aus dem Internet?     

Wilfried Raatz

author: GRR

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