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09
04
2023

Grand mit vier Damen (v.l.) Fabienne Königstein, Katharina Steinruck, Kristina Hendel, Laura Hottenrott. - Foto: Wilfried Raatz - wus-media

Starker Auftritt der deutschen Läufer:innen – 75 Jahre Paderborner Osterlauf hält das, für was der älteste Straßenlauf Deutschlands steht: Weltklasse und nationale Elite mit über 10.000 Hobby- und Freizeitläufern gemeinsam an die Startlinie bringen – Wilfried Raatz Brichtet

By GRR 0

Paderborns Bürgermeister Michael Dreier brachte es aus regionaler Sicht auf den Punkt, als er den Paderborner Osterlauf als „Aushängeschild für die Stadt Paderborn“ bezeichnete.

Es ist aber weitaus mehr, was die inzwischen 75 Jahre Osterlauf in Paderborn letztlich ausmachen, es ist ein Gütezeichen für die deutschen Laufveranstaltungen, ein Paradebeispiel für die phantastische Entwicklung eines Volkslaufes hin zu einem Laufevent mit internationaler Strahlkraft und letztlich ein ausgesprochen attraktiver Laufsteg für Topläufer wie auch für die Freizeit- und Breitensportler.

Am Ostersamstag war es nach zwei Corona-Auszeiten soweit – ein Dreivierteljahrhundert Paderborner Osterlauf wurde nun „standesgemäss“ mit einem neuen 10 km-Streckenrekord durch Tsigie Gebreselama Gebrerufal mit 30:29 Minuten gekrönt, insgesamt feierten aber 10.669 Teilnehmer den 75. Geburtstag des ältesten deutschen Straßenlaufs.

Natürlich stand der 10 km-Straßenlauf mit zahlreichen Weltklasseläufern und einer erfreulich großen Zahl von deutschen Laufassen im Mittelpunkt, der mit 3 930 Anmeldungen auch den größten Ansturm unter allen Wettbewerben des Paderborner Osterlaufs zu verzeichnen hatte. Vor Wochenfrist war der22jährigen Cross-Vizeweltmeisterin Tsigie Gebreselama im spannenden Finale beim Berliner Halbmarathon vor dem Brandenburger Tor noch die Puste ausgegangen und wurde mit 1:06:13 Stunden Zweite. In Paderborn lief die kleine Äthiopierin mit 30:29 Minuten nicht nur ein Rennen von der Spitze weg zur persönlichen Bestzeit mit einer Verbesserung um 24 Sekunden, sondern blieb auch deutlich unter dem bisherigen Streckenrekord der Kenianerin Dorcas Jepchirchir Tuitoek, die 2018 exakt 31:00 Minuten erreicht hatte.

Im hochkarätigen Läuferfeld blieben bei laufidealen Bedingungen von 8° Celsius und wenig Wind mit Betty Chelangat (30:53) und Purity Gitonga (30:57) zwei weitere Läuferinnen unter der bisherigen Höchstmarke. Hinter der afrikanischen Phalanx wußten aber auch die Europäerinnen und hier speziell deutsche Läuferinnen zu überzeugen, wenngleich alle unter unterschiedlichen Voraussetzungen ihren Auftritt in Paderborn bewerteten. Hinter der sechstplatzierten Ungarin Viktoria Wagner-Gyürkes (32:05) stürmte bei ihrem Comeback nach insgesamt achtmonatiger Pause Katharina Steinruck nach 32:07 Minuten ins Ziel. Mit den Rängen 10 bis 12 strahlten letztlich Fabienne Königstein (32:37), Kristina Hendel (32:52) und Laura Hottenrott (33:24) nach ihrem schnellen Auftritt im Ziel am Maspernplatz. Zu diesem Quartett ist freilich auch Esther Jakobitz zu zählen, der als 13. mit 33:44 Minuten nach ihrem furiosen Halbmarathon von Berlin (1:12:53) ein weiterer Quantensprung gelang.

„Für mich war es heute eine erste Leistungskontrolle, damit ich weiß, wo ich derzeit stehe. Mit dem Ergebnis bin ich natürlich sehr zufrieden!“ freute sich Katharina Steinruck. Nach der beim EM-Marathon in München zugezogenen Fußverletzung und einigen Infekten war die 33jährige Frankfurterin gewiss mit großer Verunsicherung ins Rennen gegangen und sieht sich nach praktisch zwei gleichschnellen 5 km Abschnitten von 16:03 und 16:03 auf einem guten Weg zum Halbmarathin in Istanbul, der am 30. April als weitere Standortbestimmung gelten wird.

„Ich wollte schon im Bereich meiner Bestzeit laufen“, lautete die Zielvorstellung von Fabienne Königstein, die nach ihrem starken Auftritt bei den deutschen Halbmarathon-Meisterschaften in Freiburg mit Platz drei ihre Anwartschaft auf eine internationale Berufung offenkundig machte. In Paderborn gelang der jungen Mutter mit einer Steigerung um 39 Sekunden auf 32:37 Minuten ein wegweisendes Topresultat.

Ein Grippeinfekt bremste aber im ausgehenden Winter auch Kristina Hendel aus, die im Ursprung einen Start beim Rom-Marathon geplant hatte. In Paderborn zeigte sie sich mit 32:52 und Fast-Bestzeit gut aufgestellt: „Mein Fokus wird natürlich nun auf dem Herbst liegen!“ So lange möchte Laura Hottenrott nicht warten, schließlich ist sie nach mehrfachen Grippe-Infekten beim Berliner Halbmarathon schon ohne zählbares Resultat geblieben, in Paderborn sprangen zumindest 33:24 Minuten heraus. „Ich muss schauen, dass ich mich schnell erhole, denn mein Ziel ist noch einen schnellen Frühjahres-Halbmarathon zu laufen! Aber so viele wird es nicht mehr geben….!“

Ein packendes Duell um Rang drei zwischen dem Dortmunder Mohamed Abdilaahi und dem für die Niederlande startenden Filmon Tesfu überlagerte das Renngeschehen bei den Männern, das der Kenianer Geoffry Kipchumba in 27:51 Minuten vor seinem Landsmann Bravin Kiprop (28:00) gewinnen konnte, der in Berlin mit 59:22 Minuten noch unter der Ein-Stunden-Marke geblieben war. Bei einer Endzeit von 28:26 Minuten konnte das Schiedsgericht zwischen den wie entfesselt spurtenden Verfolgern ausmachen, sodass beide als Dritte geehrt wurden. Mohamed nahm die Entscheidung zufrieden zur Kenntnis: „Ich befinde mich derzeit im Grundlagentraining und bin ohne spezielle Vorbereitung ins Rennen gegangen“. Mit Rastalocken präsentierte sich dabei der in einer internationalen Trainingsgruppe laufende Mohamed. „Vielleicht bringt  mir dieser Look Glück. Eigentlich wollte ich wieder im Afrolook laufen, aber dazu hatte ich heute keine Zeit mehr!“

Auf modischen Schnickschnack verzichtete hingegen Hendrik Pfeiffer, der wie gewohnt mit rasiertem Kopf unterwegs war – und sich nach 29:06 Minuten über einen starken (Motivations-)Rückenwind für seinen bevorstehenden Start beim Boston-Marathon freute. „Für mich ist dies eine Ehre, im Elitefeld bei diesem traditionsreichen Rennen zu starten. Meine Vorfreude jedenfalls ist groß!“

Unmittelbar vor Hendrik Pfeiffer, der inzwischen in Hannover lebt und dort ein Nachwuchs-Laufprojekt vorantreiben möchte, kam Velten Schneider mit starken 29:01 Minuten ein weiterer Deutscher im internationalen Elitefeld ein. Wie schon in Freiburg, als er Vierter der Halbmarathon-Titelkämpfe wurde, wurde Jonathan Dahlke mit 29:10 wiederum viertbester deutscher Läufer.

Voller Vorfreude auf ein großartiges Rennen waren gewiss auch die U20- und U23-Junioren beim 5 km-Lauf, der in der Paderborner Lesart zwar „5 km Fit und Fun Lauf“ heißt, aber durch die R5K-Tour, einem Gemeinschaftsprodukt von German Road Races (GRR) und dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), für hoffnungsvolle Lauftalente getoppt wurde. An der Spitze jedenfalls wurden vor insgesamt 2.700 Teilnehmern starke Endzeiten erzielt wie durch die beiden U23-Sieger Sven Wagner und Kiara Nahen mit 14:26 bzw. 16:23 Minuten, die damit auch Gesamtsieger des Laufes wurden. Die weiteste Anreise dürfte dabei die U20-Siegerin Linda Meier gehabt haben, die für den LAC Passau startet und nach 16:33 Minuten ihr großes Talent beweisen konnte. „Es ist herrlich vor einer derart großen Kulisse zu laufen“, gestand Sven Wagner im Siegerinterview.

Der eigentliche 1500 m-Spezialist aus dem hessischen Königstein ist freilich als Kandidat für die U23-EM und die WM in Budapest bereits beim DLV im Gespräch, während viele andere erst ihr Talent mit der entsprechenden Förderung durch Verein oder Verband auf Landes- und Bundesebene entwickeln müssen, denn das ist das Ziel der erstmals im Jahr 2023 durchgeführten R5K Tour.  

Wilfried Raatz

 

 

author: GRR