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15
07
2009

Wer weiß, ob sie nach ihren ganzen Titeln und 26 Weltrekorden unter freiem Himmel und in der Halle noch einmal die Motivation gefunden hätte, um im Training weiter hart an sich zu arbeiten, damit ihr noch mehr Weltrekorde gelingen.

Stabhochsprung Königin der Leichtathletik – Friedhard Teuffel im Tagesspiegel – Der Kommentar: Der große Wurf

By GRR 0

Auch im Sport gibt es Gipfeltreffen, und eines davon fand zwischen einem Chinesen und einer Russin statt, dem Turner Li Ning und der Stabhochspringerin Jelena Isinbajewa. Es wäre kein Gipfeltreffen gewesen, wenn nicht beide Olympiasieger wären, Li Ning gleich dreifacher von 1984 in Los Angeles, Isinbajewa zweimalig, 2004 und 2008, in Athen und Peking. Sie verhandelten intensiv, und am Ende kam ein Vertrag zustande, wie ihn die Leichtathletik noch nicht gesehen hat.
 

Mit seiner Sportartikelfirma, die auch seinen Namen trägt, stattet Li Ning seit diesem Jahr Jelena Isinbajewa aus – bis 2013, für 1,5 Millionen Dollar im Jahr. Isinbajewa trägt nun auch mal Rosa, das ist eine der vier Farben, die sie sich für ihre Sommerkollektion ausgesucht habe neben Gold, Schwarz und Weiß. Ganz nebenbei hat Li Ning auch noch ihre Karriere verlängert. „Der Vertrag hat mir neue Motivation gegeben, um weiterzumachen. Das persönliche Treffen mit Li Ning hat mich sehr inspiriert“, sagt Isinbajewa.

Wer weiß, ob sie nach ihren ganzen Titeln und 26 Weltrekorden unter freiem Himmel und in der Halle noch einmal die Motivation gefunden hätte, um im Training weiter hart an sich zu arbeiten, damit ihr noch mehr Weltrekorde gelingen. Zwischendurch schien es der 27-Jährigen etwas langweilig geworden zu sein, als Gegnerin eigentlich nur noch sich selbst zu haben. „Wenn du gewinnst, ist es, wie wenn du die ganze Zeit Schokolade bekommst. Immer Schokolade, Schokolade, Schokolade. Irgendwann hasst du es.“

Was hätte schon Größeres noch kommen sollen, als in Peking Olympiasiegerin zu werden und dabei noch den eigenen Weltrekord zu verbessern? Jetzt hat sie gleich zwei neue Fernziele, die Olympischen Spiele 2012 und die Weltmeisterschaften 2013 in Moskau. Sie will auch noch einige Weltrekorde aufstellen. Zwischen 5,20 und 5,30 Meter soll der Rekord bei ihrem Karriereende liegen, „und er soll hundert Jahre halten“.

Nachdem sie schon beim Stabhochspringen in Höhen vorstößt, in denen anderen längst die Luft ausgegangen ist, hat sie das nun auch mit ihrem Vertrag erreicht. „Millionen-Dollar-Baby“ hat sie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ deshalb genannt. Auch eine Anspielung an die fröhliche, mädchenhafte Art der Russin. „Sie ist einfach sehr populär und sie hatte bei den Olympischen Spielen in Peking das Stadion eine halbe Stunde lang nur für sich, vielleicht hat das den letzten Ausschlag für den Vertrag gegeben“, erzählt ihr schwedischer Manager Daniel Wessfeldt. Isinbajewa war in ihrer Konkurrenz wieder alleine übrig geblieben, und hatte sich schließlich erfolgreich an 5,05 Metern versucht.

Neben den Sprintern ist sie die wohl einzige Leichtathletin, die wirklich weltweit bekannt ist. Ihre Disziplin ist untrennbar mit ihrem Namen verbunden, so wie es das bei ihrem männlichen Vorbild Sergej Bubka auch war. Ihr Manager kann sie nun in einem Atemzug nennen mit dem amerikanischen Basketballstar Shaquille O’Neal, auch er wird von der chinesischen Sportartikelfirma gesponsert.

Für die ohnehin polyglotte Isinbajewa ist die Welt jetzt noch einmal größer geworden. Sie lebt in Monaco, trainiert in Italien, spricht nicht nur gut Englisch, aber nun kommen auch noch jährlich mehrere Reisen nach China dazu. In Schulen soll sie Kinder motivieren, in chinesischen Trainingscamps vorbeischauen und auch noch die Geschäfte ihres Ausrüsters begleiten.

Ihr Manager verhandelt derzeit schon mit den nächsten chinesischen Unternehmen über Werbeverträge. „Die Chinesen behandeln mich wie eine Königin“, erzählt sie, die Königin der Leichtathletik.

Der Kommentar von Friedhard Teuffel: Der große Wurf

Ein Vorschlag, wie sich die Leichtathletik helfen kann, wenn es ihr schlecht geht: Sie muss sich patentieren lassen – mit jeder einzelnen Disziplin.
 
Wenn es der Leichtathletik irgendwann einmal richtig schlecht gehen sollte, wenn sie kurz davor steht, zu verarmen, bleibt nur noch ein Weg: Sie muss sich patentieren lassen. Mit jeder einzelnen Disziplin. Lizenzgebühren könnte sie dann verlangen, wenn jemand sie nachmachen will. Sie würde schnell unglaublich reich werden. Denn Leichtathletik ist überall und jeden Tag.

Ständig ist in der Zeitung zu lesen, dass irgendwo ein Startschuss gefallen sei. Für den Malwettbewerb einer Bonbonfirma etwa oder die Bauarbeiten eines öffentlichen Toilettenhäuschens. Das ist schön und gut, doch der Startschuss gehört nunmal der Leichtathletik. Man kann ihn sich gerne ausleihen, aber bitteschön, nur gegen Gebühr. Oder wenn jemand glaubt, gerade zum großen Wurf ausholen zu müssen oder zum Endspurt anzusetzen, oder auf dem Sprung zu sein. Das wird besonders teuer, denn zu großen Würfen holen meist die Leute aus, die es sich auch leisten können, genau wie Leute, die es immer eilig haben. Nicht gebührenpflichtig ist dagegen der Hürdenlauf, denn wer außer den Leichtathleten lässt sich schon gerne Hindernisse in den Weg stellen?

Auch abgesehen davon, dass die Leichtathletik zu Geld kommt, wird das Patent viel Gutes bewirken. Gewerkschaften und Arbeitgeber werden sich genau überlegen, ob sie es tatsächlich zu einem Verhandlungsmarathon kommen lassen. Der kostet schließlich zusätzlich. Und wenn eine Bundestagsfraktion meint, ihr Reformprojekt stehe schon im Startblock, soll sie es lieber gleich loslaufen lassen.

Wie immer bei Patenten, wird es Streitereien geben. Manche landen sogar vor Gericht. Dann wird juristisch zu klären sein, wo der Hammer wirklich hängt. Aber alle, die eine ruhige Kugel schieben, anstatt sie zu stoßen, dürften damit wohl noch einmal durchkommen.

Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Mittwoch, dem 15. Juli 2009 

author: GRR

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