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07
03
2007

Wie sehr es in den unteren Ligen und kleinen Vereinen kracht und ächzt, zeigten die schriftlichen Beiträge zur Anhörung. Vor einer die Existenz der Vereine bedrohenden finanziellen Belastung warnt der Freiburger Kreis der großen deutschen Sportvereine.

Sportpolitik – Gedanklich nicht auf dem Platz – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)

By GRR 0

Im Fußball heißt es manchmal, die Spieler seien gedanklich gar nicht auf dem Platz gewesen. Ähnliches muss wohl die Auswahl des deutschen Sports von sich behaupten lassen, die am Mittwoch im Sportausschuss des Bundestages in Berlin antrat.

„Knallharte Empfehlungen, von denen ich sagen würde, die müssen wir in den nächsten Wochen umsetzen, habe ich nicht gehört“, resümierte der Vorsitzende des Ausschusses, der SPD-Abgeordnete Peter Danckert, nach der öffentlichen Anhörung. Der FDP-Abgeordnete Detlef Parr feuerte die zaghafte Mannschaft immer wieder an mit Zwischenrufen wie: „Wir machen hier doch die Gesetze!“

Etikettenschwindel

Vielleicht fehlte den Sachverständigen von Hochschulen, aus Vereinen und Verbänden auch deshalb der Zug zum Tor, weil sie gar nicht wussten, wo es stand. Eingeladen waren sie nämlich zu einer Anhörung mit dem sperrigen Titel: „Situation der Sportvereine – Reformbedarf und Handlungsoptionen“.
Doch das war Etikettenschwindel. In Wirklichkeit sollten sie zur Reform des in mehr als hundert Jahre gehörig verstaubten Vereinsrechts beisteuern.
Mit dem Entwurf, den die Regierung Schröder vor drei Jahren vorgelegt hatte, war der Sport gar nicht zufrieden gewesen. Am Mittwoch hat er die Chance, seine Forderungen zu stellen, weitgehend verpasst.

Verdribbelt

Aufgestellt hatten das Expertenteam, das muss man zu dessen Verteidigung sagen, die Abgeordneten. Und auf die Begegnung mit der Legislative hatte die Mannschaft offenbar auch kein Coach vorbereitet. Im Gegenteil: Als der Ausschuss sich vor dem Anstoß vom Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, Michael Vesper, geradezu freundschaftlich als „politischer Anwalt unserer Vereine“ loben ließ, war schon die Luft raus.
Und so verdribbelten sich die Fachleute ohne Biss im Mittelfeld von Bürokratieabbau und Sanierungsbedarf, von Freibetragsgrenzen und Haftungsrisiko. „Der Spannungsbogen reicht vom Idealverein zum Dienstleistungsunternehmen“, folgerte Unions-Obmann Klaus Riegert aus der Dominanz des Kleinklein. „Es gibt offensichtlich keinen Königsweg.“ Doch nur diese Begegnung auf nationaler Ebene war enttäuschend.
Existenz bedrohend

Wie sehr es in den unteren Ligen und kleinen Vereinen kracht und ächzt, zeigten die schriftlichen Beiträge zur Anhörung. Vor einer die Existenz der Vereine bedrohenden finanziellen Belastung warnt der Freiburger Kreis der großen deutschen Sportvereine. Ehrenamtliche Schatzmeister, die nicht von Berufs wegen Fachleute im Steuerrecht seien, seien überfordert. Dies führe dazu, dass immer weniger bereit seien, sich in solch einem Amt zu engagieren. „Ehrenamt und Bürokratie – es reicht!“ hat der Turn- und Sportverein Leese aus Nienburg an der Weser ein Flugblatt überschrieben.

Es brachte dem Vereinsvorsitzenden die Nominierung für die Anhörung ein. Leider versäumte er vorzutragen, was er schriftlich beigesteuert hatte: wie sein Verein der Gemeinde die Rasenpflege auf den Sportplätzen abgenommen habe und dafür mit einem Vereinsmitglied ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis eingegangen sei.
Die Folge:
Der Verein muss monatlich und jährlich gegenüber Knappschaft und Rentenversicherung Meldungen und Zahlungen leisten. Zwei Mal hat die Versicherung seitdem die Unterlagen zur Prüfung verlangt. „Rasenmähen“, folgert der Verein durchaus treffsicher, „ein bürokratisches Monster!“

Michael Reinsch
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)
Freitag, dem 2. März 2007

author: GRR

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