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05
08
2014

Janusz Kusociński grave - Palmiry Cemetery ©Przemysław Jahr - Wikipedia

Sportler im Warschauer Aufstand am 1. August 1944 – Von Prof. Diethelm Blecking

By GRR 0

Vor 70 Jahren, am 1. August 1944, begann in Warschau der Aufstand gegen die von Verfolgung und Mord begleitete deutsche Besetzung der Stadt, die seit den Septembertagen 1939 Polens Hauptstadt im Würgegriff hielt.

„Der Aufstand der Verlorenen“ (Norman Davies) endete nach 63 Tagen mit 15.000 toten polnischen Kämpfern, geschätzt 175.000 bis 225.000 toten Zivilisten sowie der Kapitulation der Aufständischen. Die Überlebenden wurden ins Reich oder in Konzentrationslager deportiert, Warschau dem Erdboden gleich und unbewohnbar gemacht.

In diesem Jahr wird die tragische Geschichte des Aufstands kontrovers diskutiert und in
Ausstellungen und Kolloquien erinnert. Kaum bekannt ist bisher, dass viele Sportler auf
polnischer Seite eine Rolle im Kampf spielten.

Polen war vor dem Kriege eine bedeutende Sportnation mit international ausgewiesenen Boxern, Leichtathleten und Fußballern.

Schon zu Beginn des Krieges waren Olympiateilnehmer der Spiele in Berlin 1936 im Kampf gefallen, wie der Boxer Czesław Czyraniak und der Sportschütze Jan Wrzosek. Andere waren als Widerstandskämpfer ermordet worden wie die Turnerin Urszula Stepinska, 1943 zu Tode gefoltert im berüchtigten Montelupi-Gefängnis in Krakau sowie der Weltklasseläufer Janusz Kusociński, Olympiasieger über 10.000m der Spiele von Los Angeles 1932, der schon 1940 in Warschau als Widerständler hingerichtet wurde. Nach ihm wurde das bekannte Leichtathletikfest „Kusociński-Memorial“ benannt.

Insgesamt starben nach einer Aufstellung des polnischen Sportmuseums in Warschau 21 Mitglieder der polnischen Olympiamannschaft von 1936 im Krieg, im Widerstand oder im Konzentrationslager, weitere 25 Olympiateilnehmer der Spiele bis einschließlich Los Angeles 1932 ließen ihr Leben unter ähnlichen Umständen. Im Terror der Besatzung starben auch 267 Fußballer, alleine aus Warschau. Dies ist das Szenarium, in dem sich der hoffnungslose Befreiungsversuch im August 1944 entfaltete.

Die Zeitschrift „Kombatant“ hat sich unter dem bezeichnenden Titel „In corpore sano mens invicta“ (In einem gesunden Körper ein unbesiegter Geist) mit den Sportlern im Aufstand beschäftigt.

Es waren mindestens 33 Athleten, die für die „Armia Krajowa“ (Heimatarmee) mit Molotow-Cocktails und Gewehren gegen Sturzkampfbomber und Panzer antraten. Vom Segler Wacław Aniół (Kampfname „Ireneusz), der am 11. August 1944 auf der Madalinskastraße fiel, über Jan Mulak (Kampfname „Górski“), der überlebte und ein bekannter Leichtathletiktrainer im Nachkriegs-Polen wurde, bis zu Danuta Stefańska-Majewska, der Handballspielerin, die schon am 2. August 1944 erschossen wurde.

Bei einem Besuch im Museum des Warschauer Aufstandes, das seit zehn Jahren an der Grzybowa in Warschau angesiedelt ist, erzählt der Historiker Grzegorz Hanula von einem staunenswerten Sportler, der im Aufstand auf seine ganz besondere Art kämpfte.

Hanula berichtet über den Speerwerfer Eugeniusz Lokajski, Endkampfteilnehmer der Spiele von Berlin 1936, bei denen der polnische Athlet, von einer Schulterverletzung behindert, nur den 7. Platz belegte. Sieger des Wettbewerbs war der Deutsche Gerhard Stöck, der es später, nach einer NS-Karriere als SA- Sturmbannführer und Oberregierungsrat im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung undVolksbildung, zum „Chef de Mission“ der deutschen Olympiamannschaften 1956 und 1960 brachte.

Lokajskis Karriere verlief zuerst ähnlich, auch der Bildung und Erziehung gewidmet, als Gymnasiallehrer für Sport und Assistent am Warschauer Sportinstitut. Dann kam der Überfall der Wehrmacht auf Polen: Im Kampf geriet der Sportler als Zugführer einer Infanteriedivision in deutsche Gefangenschaft, aus der ihm bald die Flucht gelang. Zurück im besetzten Warschau organisierte der Pädagoge den illegalen Sport, denn Sport war für Polen verboten.

In dieser Konsequenz bereitete Lokajski mit dem Kampfnamen „Brok“ als Unterleutnant der Heimatarmee den Aufstand vor. Er war aktiv am Befreiungsversuch beteiligt.

Der Speerwerfer trug dabei eine Waffe, „aber seine eigentliche Waffe war die Kamera“ erzählt Hanula in seinem Arbeitszimmer. Lokajski fotografierte und filmte. Am 21. August fand während des Aufstandes sogar eine Filmvorführung seiner Arbeiten im Kino „Palladium“ statt. Er war der Dokumentarist des Aufstandes. Der Tod ereilte ihn am 25. September 1944 beim Einschlag einer Bombe, auf dem Weg neues Fotomaterial zu organisieren.

1200 seiner Bilder blieben erhalten. Das Warschauer Museum hat 840 davon in einem kilo-schweren Bildband publiziert. Die Bilder zeigen die uferlose Gewalt, aber auch die „Normalität“ in den Zeiten des Terrors: Es wurde geheiratet und die Messe gelesen.

Am 29. Juli diesen Jahres eröffneten die beiden Staatspräsidenten Władysław Komorowski und Joachim Gauck in Berlin als gemeinsame Schirmherren eine polnische Ausstellung, die dem Gedenken an die Warschauer Tragödie gewidmet ist. Am 10. Oktober 2014 wird in der Deutschen Botschaft in Warschau, am Vorabend des Qualifikationsspieles der Fußballer zur Europameisterschaft 2016, ein Symposium stattfinden, das sich den deutsch-polnischen Sportbeziehungen und den gemeinsamen Problemen historisch und aktuell widmet.

Die Ausstellung „Der Warschauer Aufstand 1944′′ ist noch bis 26. Oktober im Außenraum des Ausstellungsgeländes „Topografie des Terrors“ Niederkirchnerstraße 8, in Berlin-Kreuzberg zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Weitere Infos finden sich online unter
www.warsawuprising.eu
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Quelle: DOSB Presse – Prof. Diethelm Blecking 

author: GRR

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