„Vielleicht hat dieser Mangel Methode“, sagte Danckert und fragte den Leiter des Antidopinglabors in Köln, Wilfried Schänzer, ob das IOC ihn hindere, mehr in die Öffentlichkeit zu gehen. Schänzer antwortete ironisch, dass er tatsächlich nicht über eine Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit verfüge.
Sportausschuss – In der Anti-Doping-Forschung nur „Kreisklasse“ – Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
19. März 2009 In heftiger Klage über den fehlenden Willen zur Dopingbekämpfung und die mangelhafte finanzielle Ausstattung der Dopingforschung sind sich am Mittwoch im Sportausschuss des Bundestages der Wissenschaftler Perikles Simon aus Tübingen und der Vorsitzende des Ausschusses, Peter Danckert, einig geworden.
Simon nannte die Anti-Dopingforschung in Deutschland „Kreisklasse“, woraufhin der SPD-Politiker Danckert den Etat der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) von 25 Millionen Dollar als lächerlichen Beitrag zur Dopingbekämpfung und als Skandal bezeichnete.
Wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht bereit sei, ein Vielfaches seines Beitrages von zehn Millionen Dollar zu geben und wenn nicht die Mitgliedstaaten ebenfalls viel mehr als fünfzehn Millionen Dollar beitrügen, werde der Kampf gegen Doping nie und nimmer erfolgreich sein. Dopingbekämpfung sei Völkerrecht.
„Sind die anderen eigentlich alle sauber, oder werden sie nur nicht entdeckt?“
„Vielleicht hat dieser Mangel Methode“, sagte Danckert und fragte den Leiter des Antidopinglabors in Köln, Wilfried Schänzer, ob das IOC ihn hindere, mehr in die Öffentlichkeit zu gehen. Schänzer antwortete ironisch, dass er tatsächlich nicht über eine Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit verfüge. Danckert nannte die des Dopings überführten Sprinter Marion Jones und Dwain Chambers und unkte: „Sind die anderen eigentlich alle sauber, oder werden sie nur nicht entdeckt?“
Dem Politiker sprang der promovierte Sportmediziner und Molekularbiologe Simon bei. Er erinnerte an die vom Bund finanzierte und vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft vergebene Studie „Testosteronapplikation bei Langläufern“ unter Leitung des inzwischen verstorbenen Freiburger Sportarztes Joseph Keul. Mediziner, die bei dieser Doping-Forschung 1987 mitgetan hätten, besorgten heute die Medaillen in den Wintersportarten, sagte er in der öffentlichen Sitzung, und sie säßen in der Medizinischen Kommission der Nationalen Antidopingagentur (Nada).
Diese Kommission wiederum blockiere die Freigabe von 125.000 Dollar Fördergeld für die Universität Bayreuth; diese stellte in Berlin ein Nachweisverfahren für Eigenblutdoping vor. Außerdem blockiere die Kommission 100.000 Dollar Forschungsmittel aus der Industrie für Simons Projekt, ein Nachweisverfahren für Gendoping durch Gentransfer zu entwickeln. Simon zielte damit offenbar auf den Leitenden Verbandsarzt des Deutschen Skiverbandes, Bernd Wolfarth. Dieser wirkte als Student an der Testosteronstudie mit. Er ist Mitglied in der Arbeitsgruppe Medizin und Analytik der Nada.
Wada unterstützte Forschung mit 980.000 Euro
Simon hält solche Konstellationen offenbar für typisch im deutschen Spitzensport. „Wollen Sie (bei einem Dopingfall) den armen, kleinen Sportler als den Schuldigen hinstellen, oder wollen Sie sich als Bundesinnenministerium nicht gleich lieber selbst die Schuld geben und sagen: Ich wusste nicht so genau, will ich Medaillen oder will ich Doping“, sagte Simon. „Ich würde vorschlagen, Sie geben sich die Schuld.“ Die Forschung Simons zum direkten Nachweis von Gendoping unterstützt die Wada bis 2011 mit insgesamt 980.000 Dollar.
Das Geld wird für Personal und Apparate verwendet; Simon selbst honoriert sich nicht aus diesem Posten. Weitere finanzielle Unterstützung vom Bund und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, mit der er seine Forschung beschleunigen wollte, erhält Simon nicht. Er hatte angeboten, bei entsprechender Unterstützung sein Verfahren bereits vor den Olympischen Spielen in Peking 2008 oder vor der Leichtathletik-WM im August in Berlin fertig zu stellen.
Der Wissenschaftler rechnete den Abgeordneten vor, dass sie dreißig Prozent ihrer Redezeit dem Thema Doping widmeten, aber nur zwei Prozent der Fördermittel für Dopingbekämpfung verwendeten. „Die Quote von ,Ich rede darüber‘ zu ,Ich gebe Geld‘ liegt beim Faktor fünfzehn“, sagte Simon. Die Sportförderung funktioniere ausweislich des Medaillenspiegels erstklassig, lobte er und fuhr fort: Im Anti-Doping-Kampf sei das anders. Simon forderte vom Bund, die Gesundheit der Athleten durch Dopingbekämpfung zu schützen. „In Anbetracht dessen, was gerade läuft im Spitzensport“, sagte er, „nimmt das Bundesinnenministerium seine Verantwortung nicht ausreichend wahr.“
Der Wissenschaftler beschrieb, dass er vor drei Jahren angetreten sei, ein Nachweisverfahren für Gentransfers zu entwickeln. „Ich wollte zeigen, dass ich gerade das kann, was als nicht machbar galt“, sagte er. „Dann würden die zweit- und drittklassigen Mediziner und Chemiker wie die, die einen Chambers dopten, verzweifeln.“ Die zügige Entwicklung des Verfahrens sei auf einer banalen Ebene gescheitert: „Es fehlt an Geld.“ Eine erfahrene französische Forschungsgruppe habe ein Jahr nach der Veröffentlichung der Patentschrift seine Methode aufgegriffen und arbeite Erfolg versprechend daran.
Innenministerium zahlt Millionen
Das Innenministerium, rechnete Rüdiger Kass vor, der Leiter der Sportabteilung, lasse sich die Dopingbekämpfung einiges kosten. Mit 700.000 Dollar werde die Wada unterstützt, zwei Millionen Euro flössen jährlich an die Nada, eine Million Euro gehe in die Forschung, und weitere 300.000 Euro würden für die Prävention bereitgestellt.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft dürfe sein Projekt nicht fördern, da Dopingbekämpfung Sache des Bundes sei, klagte Simon. In Anspielung auf den Berliner Endokrinologen Christian Straßburger, der einen Nachweis für Doping mit Wachstumshormonen entwickelte, der in seiner ursprünglichen Form nicht angewandt wird, sagte er: „Unter solchen Bedingungen werden sie Wissenschaftler wie Straßburger oder mich nicht davon überzeugen, weiter in der Anti-Doping-Forschung zu arbeiten.“
Michael Reinsch, Berlin, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 19. März 2009