Bekanntlich gibt es seit kurzer Zeit schwere Verwerfungen in Teilen des österreichischen Spitzensports, ausgelöst von Ermittlungen der Kriminalpolizei. Was frappierend ist: Seit Bekanntmachung von Ermittlungsergebnissen verbreiten viele Personen und Medien die Meinung, dass das größte Dopingproblem nicht in der Spitze, sondern im Breitensport liege.
Sport & Wahnsinn: Die Verantwortung des Vienna City Marathons gegenüber seinen Teilnehmern – Zum Thema „Doping im Breitensport“ in Wien: Dr. Willi Heepe, langjähriger medizinischer Leiter des Berlin Marathons, Univ. Prof. Dr. Christian Gäbler, Rennarzt des Vienna City Marathons und Wolfgang Konrad, Veranstalter des Vienna City Marathons
Wir publizieren hier aus aktuellem Anlaß eine Pressemitteilung des Wien-Marathon vom 31. März 2009:
Warum ein Pressegespräch zu diesem Thema?
In weniger als drei Wochen findet mit dem Vienna City Marathon Österreichs größte Aktivsportveranstaltung statt. Derzeit sind über 25.000 Läuferinnen und Läufer dafür gemeldet, davon mehr als 19.000 aus Österreich. In Verbindung mit dem dafür geleisteten Training ist dies Österreichs größte Bewegungs‐ und Gesundheitsinitiative.
Bekanntlich gibt es seit kurzer Zeit schwere Verwerfungen in Teilen des österreichischen Spitzensports, ausgelöst von Ermittlungen der Kriminalpolizei. Was frappierend ist: Seit Bekanntmachung von Ermittlungsergebnissen verbreiten viele Personen und Medien die Meinung, dass das größte Dopingproblem nicht in der Spitze, sondern im Breitensport liege. „Jeder Fünfte“ oder „30 Prozent“ oder „sehr, sehr viele“ Hobbysportler würden laut verschiedenen Aussagen verbotene Mittel zu sich nehmen.
Wir haben uns, auch aufgrund zahlreicher Journalistenanfragen, ernsthaft gefragt, welchen Wahrheitsgehalt diese Aussagen für den Laufsport tatsächlich haben könnten. Für uns gibt es hier eine grobe Verzerrung in der öffentlichen Darstellung.
Der Vienna City Marathon als Österreichs größte Breitensportveranstaltung ist sich seiner Verantwortung gegenüber seinen TeilnehmerInnen voll bewusst. Deshalb gibt es auch in Österreich keine andere Sportveranstaltung, die vergleichbare gesundheitliche Maßnahmen und Serviceleistungen sowie Trainingshilfestellungen bietet. Ebenso sehen wir es als unsere Verantwortung, in der gegenwärtigen Situation als Stimme der Vernunft zu agieren und undifferenzierte Aussagen ins richtige Licht zu rücken.
Medizinische und gesundheitliche Betreuung der VCM Läufer – Von Univ. Prof. Dr. Christian Gäbler, Rennarzt des Vienna City Marathons
Immer wieder kommt es bei Marathonläufen zu gesundheitlichen Problemen von LäuferInnen, in seltenen Fällen auch mit tragischem Ausgang. Nicht‐Läufer wiegen dann oft den Kopf, bedächtig und bestärkt im Glauben, dass konsequentes Laufen eben doch gefährlich sei ….
Wir wissen natürlich, dass das nicht so ist. Im Gegenteil: Regelmäßiges Laufen, und dazu gehört nun mal auch das Marathontraining, bewirkt eine signifikante Verlängerung der Lebenserwartung da das Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt, Hirnschlag, Diabetes, Krebs und etliche andere unangenehme Erkrankungen generell deutlich sinkt.
Folgende Aussendung erging an alle Teilnehmer des VCM 2009:
Körperliche Belastung kann zu einem Herzversagen führen, wenn man bereits an Herzproblemen leidet. Daran sollte man immer denken, wenn Gesundheitsprobleme bekannt sind!
Ich persönlich lehne zwar verpflichtende Gesundheitschecks für Marathon‐Teilnehmer ab, appelliere aber an die Selbstverantwortung jedes Sportlers körperliche Symptome ernst zu nehmen. Bei einem Alter über 35 und unter 60 Jahren ist eine sportärztliche Vorsorgeuntersuchung generell sinnvoll. Hierbei sollten neben der ärztlichen Untersuchung auch ein Laborbefund, ein Ruhe‐ und Belastungs‐EKG sowie die Messung des Ruhe‐ und Belastungsblutdrucks durchgeführt werden. Des weiteren ist auch eine Echokardiografie (Ultraschalluntersuchung des Herzens) zu empfehlen.
Bei einem Alter über 60 Jahren sollten Sie in jedem Fall eine solche ärztliche Untersuchung mindestens einmal jährlich durchführen lassen.
Bei der Untersuchung zahlreicher schwerer Zwischenfällen der letzten Jahre zeigte sich, dass die betroffenen LäuferInnen einige Zeit vor dem Marathon unter scheinbar harmlosen Infektionen vor allem der oberen Luftwege aber auch an anderen Körperregionen (z.B. Zahnwurzelinfektionen, Infekte der Hals‐, Nasen‐ Ohrenregion) laborierten. Daher sollte man als Läufer mindestens ein‐ bis zweimal jährlich seinen Zahnarzt aufsuchen, um Infektherde auszuschließen bzw. diese sanieren zu lassen.
Wenn nun während des Infektes bzw. ohne Regenerationspause weiter trainiert wird, kann das zu einer Herzmuskelentzündung führen, die bei Belastung mit einem Herzversagen und dem Tod des Sportlers endet. Insbesondere bei Infekten, die mit länger anhaltendem Fieber einhergehen, kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen, welche bei körperlicher Belastung (unter Umständen ganz ohne Vorwarnung) ebenfalls zum Tode führen können.
Sollten Sie erkältet sein und Fieber haben, bzw. wenn in diesem Zustand ihr Ruhepuls erhöht ist, dann sollten Sie auf keinen Fall trainieren: das kann erstens wirklich schädlich für Sie sein, zweitens gibt es in diesem Zustand auch keinen Trainingseffekt. Auf zum Sportarzt, der hört Sie ab, macht ein EKG und vor allem auch ein Blutbild! Das trifft natürlich auch zu, wenn Sie kurz vor dem VCM an einer Erkältung oder einem Infekt leiden: lassen Sie sich untersuchen, es gibt im Rahmen der Marathon Messe ein eigenes VCM Medical Center, in welchem Ihnen Spezialisten für alle Fragen gratis zur Verfügung stehen.
Ich würde alle Teilnehmer mit potentiellen gesundheitlichen Problemen (bekannte Herzprobleme, Diabetes /Zuckerkrankheit, Bluthochdruck, Allergien etc.) bitten, diese auf der Rückseite der Startnummer anzuführen, damit wir in einem eventuellen Notfall wertvolle Zeit gewinnen: Jede zusätzliche Information kann lebensrettend sein kann!
Hilfreich ist auch der PAR‐Q Fragebogen, der Ihnen helfen soll zu beurteilen, ob Sie einen Arzt aufsuchen sollten:
PAR‐Q Fragebogen zur Gesundheit
Beantworten Sie die untenstehenden Fragen nach bestem Wissen und Gewissen. Falls Sie eine oder mehrere Fragen mit JA beantworten, sollten Sie einen Arzt aufsuchen und sich untersuchen und beraten lassen, bevor Sie an einen Marathon Start denken:
• Hat Ihnen jemals ein Arzt gesagt, Sie hätten „etwas am Herzen“ und Ihnen Bewegung und Sport nur unter ärztlicher Kontrolle empfohlen?
• Hatten Sie im letzten Monat Schmerzen in der Brust?
• Haben Sie in Ruhe oder bei körperlicher Belastung Probleme mit der Atmung?
• Sind Sie jemals wegen Schwindel gestürzt oder haben Sie schon jemals das Bewusstsein verloren?
• Haben Sie ein Knochen‐ oder Gelenkproblem, das sich unter körperlicher Belastung verschlechtern könnte?
• Hat Ihnen jemals ein Arzt ein Medikament gegen hohen Blutdruck oder wegen eines Herz‐ oder Atemproblems verschrieben?
• Ist Ihnen ein weiterer Grund bekannt, warum Sie ohne medizinische Kontrolle nicht sportlich aktiv sein sollten?
CM Medical Center für akute Probleme
Um Läufern mit gesundheitlichen Problemen auch noch kurz vor dem Marathon eine medizinische Anlaufstelle zu bieten, wurde von der Organisation des VCM bereits vor Jahren das VCM Medical Center gegründet:
Im "VCM Medical Center" auf der Sportmesse "Wien Aktiv" steht den LäuferInnen am Freitag und Samstag vor dem Rennen ein Team aus Internisten, Sportärzten, Orthopäden und Physiotherapeuten zur Verfügung. Das VCM Medical Center unter der Leitung von Univ.‐Prof. Dr. Christian Gäbler ist ein kostenloses Service für die VCM‐Teilnehmer und in dieser Form und Qualität einmalig in Österreich.
Alle Fachleute, die sich dabei in den Dienst der LäuferInnen stellen, haben ein spezielles Verständnis für die Probleme von Sportlern, gerade kurz vor einem Rennen, in das man viel Energie und Zeit zur Vorbereitung gesteckt hat.
Dabei werden Läufer beraten, die mit akuten Problemen kämpfen und unsicher sind, ob sie sich den Marathon zumuten können. Etwa wenn in den letzten Tagen vor dem Lauf eine Verkühlung oder Schmerzen am Bewegungsapparat aufgetaucht sind. Sehr vielen Hobbysportlern konnte mit einem Check ihres Gesundheitszustandes die nötige Sicherheit samt individuellen Tipps gegeben werden. Einigen wenigen musste davon abgeraten werden, an den Start zu gehen.
Gratis‐Untersuchungen bei Tag der Offenen Tür
Am 14. März 2009 gab es bereits einen Tag der offenen Tür in der Sportordination Wien (www.sportordination.com) für alle Teilnehmer des VCM 2009. Im Rahmen dieser Veranstaltung konnten sich bereits ein Monat vor dem Marathon LäuferInnen mit gesundheitlichen Problemen gratis untersuchen lassen.
Doping im Breitensport
Leider geistern immer wieder Meldungen durch die Medien, in denen z.B. Hans Holdhaus postuliert, dass 1/3 aller Hobbysportler gedopt sind bzw. Medikamente einnehmen, die auf der Dopingliste stehen. Man muss allerdings wissen: In Österreich leiden 25% aller Menschen unter Allergien und Asthma – und müssen deswegen zumindest manchmal Medikamente einnehmen, die auf der Dopingliste stehen.
Das ist auch jedem Spitzensportler erlaubt – er muss es nur melden bzw. sich die Einnahme bewilligen lassen. Aber die Breitensportler werden fast kriminalisiert deswegen! Das ist ohne sachliche Grundlage!
Ich persönlich empfinde das als unlautere Diskriminierung von Menschen, die trotz einer medizinischen Indikation Sport machen wollen, weil es ihnen dadurch besser geht und die Medikamenteneinnahme oftmals sogar reduziert werden kann. Ein tatsächliches systematisches Doping im Breitensport, vor allem bei den Hobbyläufern, ist kaum existent.
Es muss auch einem Hobbysportler erlaubt sein, bei körperlichen Problemen unter ärztlicher Betreuung eine entsprechende medikamentöse Therapie zu bekommen – wie auch jeder Spitzensportler Medikamente nehmen darf (auch Medikamente, die auf der Dopingliste stehen), wenn eine medizinische Indikation dazu besteht.
Univ. Prof. Dr. Christian Gäbler
Rennarzt VCM 2009 und Leiter des VCM Medical Center 2009
gaebler@sportordination.com
0676 / 60 588 27
www.sportordination.com
Hobbylaufsport nicht in den Dunstkreis Doping rücken – Dr. Willi Heepe (Berlin) zu Aussagen über Medikamentengebrauch im Hobbylaufsport
Die Diskussion, dass der Hobbylaufsport ein großes Dopingproblem hätte, gibt es international nicht. Die von Herrn Holdhaus genannten Zahlen von rund 30% Hobbyläufern, die Medikamente nehmen, welche auch auf der Dopingliste stehen, haben überhaupt keine Aussagekraft. Es ist eine Befragung, eine Feststellung des Medikamentengebrauchs von Personen, aber keine „Studie“ oder „Untersuchung“. Es ist nicht statistisch abgesichert, es ist nicht durch Urinkontrollen belegt. Die Befragung ist auch nicht veröffentlicht.
Natürlich werden aus einer größeren Gruppe Personen rund 30% verschiedene Medikamente zu sich nehmen. Aber das kann nicht in den Zusammenhang mit Doping oder Medikamentenmissbrauch gebracht werden. Es ist klar, dass in einem Läuferfeld, in dem 20‐Jährige und 80‐Jährige starten, Leute dabei sind, die Medikamente nehmen. Es sind Medikamente, die schützen, aber nicht Medikamente, die dopen. Wenn jemand mit Bluthochdruck ohne Medikamente Sport betreibt, ist das gefährlich. Wenn ich mit meiner Laufgruppe Herzkranker unterwegs bin, haben wir selbstverständlich 100% mit Medikamenteneinnahme. Auch Mittel, die auf der Dopingliste stehen. Es ist Blödsinn, so etwas in den Dunstkreis Doping zu rücken.
Es gibt auch im Hobbylaufsport einige, die einen „Neurosengarten“ pflegen, und verbissen etwas hinterher jagen. Dass tatsächliches Doping im Laufsport nur selten vorkommt, hat einen einfachen Grund. Beinahe das einzige Medikament, das einem Hobbyläufer helfen würde, seine Leistung zu steigern, ist EPO. Es wird nicht viele Leute geben, 10‐20.000 Euro für eine EPO‐Kur zahlen, um sich von 4:20 Stunden auf 4:10 Stunden zu verbessern. Wenn man Doping im Breitensport sucht, wird man wohl am ehesten im Kraft‐ und Kampfsport fündig. Anabolika und Hormone haben dort eine unmittelbare Wirkung. Im Ausdauerlaufsport gibt es dadurch keine Steigerung, eher im Gegenteil.
Wir müssen erkennen, dass Bewegung ein Medikament ist. Die Lebenserwartung steigt bei regelmäßig ausgeführtem Training um 4‐5 Jahre. Die Risiken für viele Krankheiten sinken enorm. Viele Leute, die nehmen Medikamente unter ärztlicher Aufsicht, damit es ihnen besser geht und damit sie laufen können! Meistens können sie ihre Medikamentendosis deutlich reduzieren dadurch. In dieser Thematik müssen wir viel mehr differenzieren.
Die Verantwortung des Vienna City Marathons – VCM‐Veranstalter Wolfgang Konrad zu Doping im Breitensport
Leider wurden zuletzt Behauptungen zum Thema Doping im Breitensport von vielen Personen und den österreichischen Medien ungefiltert, unrecherchiert und ohne Prüfung auf den Wahrheitsgehalt so übernommen.
Vor 25 Jahren wurde der 1. Wien Marathon gestartet. Seit dieser Zeit hat sich diese Veranstaltung zur größten Bewegungsinitiative Österreichs entwickelt. Ich bin seit 21 Jahren verantwortlich für diese Veranstaltung und durfte einen wesentlichen Beitrag zum Aufschwung des Vienna City Marathons leisten. Der Vienna City Marathon versteht sich aber auch als Motor der gesamten Laufsportszene in Österreich. Rund 1 Million ÖsterreicherInnen betreiben regelmäßig Laufsport, das heißt mindestens 1mal wöchentlich.
Unter der Berücksichtigung, dass die österreichische Bevölkerung immer mehr an Adipositas (Fettleibigkeit) erkrankt, kann man erkennen, wie wichtig die Institution „Laufsport“ für die Gesundheit der Österreicher ist. Ich bin stolz darauf, welche enorme Strahlkraft der VCM auf den österreichischen Sport ausübt. 21 Jahre meines Lebens habe ich damit verbracht, mir 365 Tage im Jahr Gedanken zu machen, wie wir den Laufsport in Österreich und den VCM im speziellen positiv und nachhaltig wirken lassen.
Wie ernst der Vienna City Marathon das Thema Doping im Spitzenbereich nimmt, erkennt man an den strengen Wettkampfregeln für internationale Top‐Athleten und ÖLV‐Kaderathleten. So ist bereits durch Abgabe einer positiven Doping A‐Probe, unabhängig vom Ergebnis einer eventuellen B‐Probe, eine Teilnahme am VCM für den Athleten oder die Athletin für immer unmöglich. Wir akzeptieren zum Beispiel aus einem Bauchgefühl heraus bereits seit mehreren Jahren keine Athleten, die uns von einem bestimmten stark in Diskussion stehenden Sportmanager angeboten werden. Anmerken will ich auch, dass in der 25‐jährigen Geschichte des Vienna City Marathons trotz regelmäßiger Kontrollen kein einziger Dopingfall vorliegt.
Genauso erschreckend, wie die offenbar kriminellen Strukturen in Teilen des Spitzensports sind die Versuche, den Laufsport in seiner Breite und Gesamtheit in den Dopingsumpf zu ziehen. Diese Diskussion nützt niemandem. Es ist für mich ein Ablenkungsmanöver. Wir haben Jahrzehnte in Österreich vertuscht und verschleiert. Dieses System scheint jetzt zusammenzubrechen. Jeder, der Interesse an sauberem Sport hat, kann sich nur freuen darüber. Aber damit den Hobbylaufsport anzugreifen, ist unverständlich. Niemand, der verantwortlich handelt, kann dies wollen.
Web: www.vienna‐marathon.com