Nova Kienast (16) deutsche Rekordhalterin im Hammerwerden, SV Preußen - Foto: Stephanie Steinkopf
SPORT SOLLTE EIN SICHERER RAUM FÜR ALLE SEIN: Rassismus, Sexismus und Gewalt muss geahndet werden, sagt Nova Kienast, deutsche Rekordhalterin im Hammerwerfen der unter 18-Jährigen – SPORT in BERLIN
Es gibt Menschen, die würden in Interviews keinen Ton hervorbringen – gerade, wenn es um große, komplexe Themen wie „Integrität im Sport“ geht.
Und es gibt 16-Jährige wie die Hammerwerferin Nova Kienast, die souverän antwortet: „Ich glaube, dass das Wort nicht unbedingt jeden Tag im Sport vorkommt. Aber die Dinge, die Integrität im Sport bedeutet, sind lebensnah. Zum Beispiel starke moralische Prinzipien zu haben und sich dafür einzusetzen.“
Die Nachwuchsathletin des SV Preußen Berlin, die den deut- schen Rekord der unter 18-jährigen Frauen hält, ist ein Ausnah- metalent. Nicht nur, weil sie Drei-Kilo-Kugeln 70,91 Meter weit werfen kann, wie sie im Mai 2023 bewiesen hat, als sie diese Weite erreichte. Sondern auch, weil sie besondere Reife an den Tag legt. Am Berliner Schul- und Leistungssportzentrum (SLZB) in Hohenschönhausen glänzt die Schülerin mit guten Noten, hat bereits eine Klasse übersprungen.
Auch zum Thema Integrität hat sie einiges zu sagen, auch wenn sie dazu nie Vorträge gehört hat. „Integrität ist ein Grundprin- zip, das man gelebt haben sollte, bevor man Leistungssportler wird. Dann sollte es nicht schwer sein, sich zu erinnern, fair zu bleiben, im Wettkampf und außerhalb, also dass man tolerant gegenüber Mitmenschen ist, ihnen mit Empathie und Respekt begegnet.“
Umso trauriger, dass Kienast aufgrund ihrer Hautfarbe gegenteilige Erfahrungen machen musste. „Im Wettkampf wird in vielen Sportarten respektloses Verhalten immer weniger, denn auf den Gedanken des Fairplay wird besonders stark geachtet. Aber außerhalb habe ich selbst miterlebt, wie sich Personen mir gegenüber verhalten haben. Das ist die Seite, die Trainer und Zuschauer nicht unmittelbar sehen, die aber fast noch wichtiger ist als Fouls, die im Wettkampf passieren“, sagt sie.
Sie meint rassistische Anfeindungen und Drohungen durch andere Sportler, die sie erlebt hat, wenn auch aus anderen Sportarten. „Wenn man in Landes- und Bundeskader kommt, unterschreibt man auch Vereinbarungen, dass man unter anderem Rassismus und grenzüberschreitendes Verhalten ablehnt. Aber ich fürchte, das ist für viele, die sich so verhalten, ein leeres Blatt.“ Kienast suchte das Gespräch mit den verant- wortlichen Aufsichtspersonen, die wiederum weitere Gesprä- che führten.
„Es ist wichtig, dass Rassismus, Sexismus, Gewalt oder Bedro- hungen auch geahndet werden und transparent ist, was auf jemanden zukommt, der sich so verhält“, findet Kienast. „vor allem damit, wenn Sportler Opfer werden, sie wissen, wo sie sich melden können und dass auch etwas passiert.“
Nova Kienast (16) deutsche Rekordhalterin im Hammerwerden, SV Preußen – Foto: Stephanie Steinkopf
Sie habe auch viel Zuspruch erhalten, wisse aber auch von Fällen, wo Betroffene nicht sprächen.
Kienast macht es nichts aus, offen über Rassismus zu reden, aber es wäre schade, wenn ihre sehr guten Leistungen da- durch in den Schatten gestellt würden. Im August nahm sie an der U-20-EM in Jerusalem teil und auch wenn Paris noch zu früh käme, hofft sie auf Olympia 2028 in Los Angeles.
„Das wäre natürlich total cool, wenn man da starten könnte. Aber das ist jetzt noch fünf Jahre hin.“
Zunächst einmal will Kienast bis 2025 Abitur machen, danach vielleicht Sportsoldatin werden. Doch bevor das Gespräch abdriftet und sie erzählen soll, wie sie eigentlich zum Hammer- werfen kam, weist sie darauf hin, dass sie noch nicht fertig sei zum Thema Integrität: „Faires Auftreten ist wichtig, weil Sport eigentlich ein sicherer Raum ist für alle, wo weder Herkunft noch Status in der Gesellschaft zählen sollten, sondern nur die Leistung und das Talent.“
Ein Satz, dem eigentlich nichts hinzuzufügen ist. Und den trotzdem viele nicht verstehen, die deutlich älter sind als 16 Jahre.
Quelle: SpORT in BERLIN – Dominik Bardow