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Berlin versucht den Brückenschlag zwischen globalisiertem Sport- und Showgeschäft auf der einen und der Alltagskultur der Bewegung auf der anderen Seite.

Sport-Kommentar – Berliner Brückenschlag – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

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07. Dezember 2009 Vielleicht geht es im Sport doch nicht immer weiter, immer stärker und immer höher. Während die internationale Leichtathletik aus der Golden im kommenden Jahr eine Diamond League mit vierzehn Veranstaltungen macht und sie bis an den Golf, nach China und in die Vereinigten Staaten ausdehnt, sucht das größte deutsche Sportfest in Berlin Bodenhaftung.

Das Istaf, die Fortsetzung der Leichtathletik-Wettbewerbe der Olympischen Spiele von 1936, muss wieder einmal die Kurve kriegen.

Die Veranstaltung stand in diesem Jahr, trotz der Weltmeisterschaften von Berlin und nicht zum ersten Mal, vor dem Aus. Veranstalter und Meetingdirektor Gerhard Janetzky räsonierte über den Umzug in ein kleineres Stadion und die Einstellung der Veranstaltung. Auch deshalb geht die Diamond League, im Jahr eins nach der WM, an Deutschland vorbei.
 
Nun ist Janetzky Präsident des Berliner Leichtathletikverbandes geworden und verhandelt ehrenamtlich, was er vorher beruflich gemanagt hatte. Dabei sind ein Fernsehvertrag, eine Bürgschaft des Berliner Senats und der Termin am 22. August herausgekommen. Das Istaf bleibt, wo es hingehört: im Olympiastadion.

Dessen mehr als 70.000 Plätze allerdings werden auch Wundersprinter und Sprungwunder, wie sie die Leichtathletik zu bieten hat, mit ihrer Anziehungskraft allein nicht füllen können. Der Sponsor, der in den vergangenen Jahren das Istaf-Publikum aus ganz Deutschland in Hunderte von Bussen herankarrte, hat sich verabschiedet, und auch von den Förderern, die bei den Weltmeisterschaften blockweise Tickets aufkauften und unters Volk brachten, ist nichts mehr zu sehen.

Hoffen auf deutsche Stars

Das führt zu Bescheidenheit. Auf fünf, sechs Deutsche jedenfalls hofft Janetzky, die bei den Europameisterschaften in Barcelona – dem Höhepunkt der Saison 2010 – erfolgreich sein werden. Zudem erwartet er, dass die Stars aus Übersee, wenn sie in Europa Start- und Preisgeld nachjagen, für einen Abstecher auf die blaue Berliner Bahn zu gewinnen sind. Immerhin liegen acht Tage und der Istaf-Sonntag zwischen den letzten Diamond-League-Meetings in Zürich und Brüssel.

Vor dem Istaf und damit vor dessen Toren soll 2010 ein Tag des Berliner Sports stattfinden. Kinder und Jugendliche, Hobbyläuferinnen und Jedermänner werden das Olympiagelände spielend und hechelnd in Besitz nehmen. Vielleicht werden sie sich dadurch der Leichtathletik von Welt so zugeneigt fühlen, dass sie Tickets lösen. Janetzky, gewiss kein Pessimist, erwägt, die oberen Ränge des Riesenstadions mit Planen abzuhängen.

Berlin versucht den Brückenschlag zwischen globalisiertem Sport- und Showgeschäft auf der einen und der Alltagskultur der Bewegung auf der anderen Seite.

Man ahnt, wie groß die Kluft ist.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 7. Dezember 2009 

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