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18
03
2022

Michael Reinsch - Foto: Horst Milde

Sport im Krieg: Der Druck des Steuerzahlers – Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Das Innenministerium will Sportverbänden, die ihre Athleten zu Wettkämpfen mit Russen und Belarussen schicken, nicht weiter die Reisekosten finanzieren. Diese Haltung ist nötig. Denn nicht alle haben verstanden, worum es geht.

Wer sich mit den Schmuddelkindern des internationalen Sports einlässt, sollte nicht damit rechnen, dass der Steuerzahler ihm auch noch die Reise bezahlt. Das ist, knapp drei Wochen nach den Olympischen Winterspielen in China, ein frischer politischer Ansatz.

Am Mittwoch hat das Innenministerium die Sport-Verbände davon informiert, dass es keinerlei Zuwendungen gewähren werde für die Teilnahme an Wettbewerben mit Konkurrenz aus Russland und Belarus, den Ländern, die ihren Nachbarn Ukraine vor bald zwei Wochen überfallen und in einen schrecklichen Krieg verwickelt haben.

Autonomie des Sports hin oder her: Der Staat sagt, wo es langgeht. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies nötig ist, obwohl die meisten Organisationen den Spitzensport mit Russen und Belarussen längst ablehnen. Aber manche glauben immer noch, sie könnten mit der Neutralitätsgeste im Rennen bleiben. Dabei dienten die Trikots der sogenannten neutralen Athleten und der Mannschaft des Russischen Olympischen Komitees, die Kleidung mit verbrämten staatlichen Insignien, ohnehin nur dazu, die Unentschlossenheit des Internationalen Olympischen Komitees zu bemänteln.

Das wichtigste Gremium des Weltsports hatte es zugelassen, dass russische Athleten bei den Spielen von Rio und Pyeongchang, Tokio und jüngst in Peking antraten, obwohl ihr Land systematisches Doping organisiert und die Sportwelt bei den Winterspielen 2014 dreist betrogen hatte.

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Nun stellt sich vor allen anderen dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) die Frage, wie er zu der vermeintlichen Neutralität steht. Bei der WM im Juli in Budapest und auch bei Veranstaltungen im Freiwasserschwimmen, im Wasserspringen und im Wasserball will der Weltverband neutrale Athleten aus Russland und Belarus zulassen.

Wie es auch im Judo, im Radsport* und beim Skateboard vorgesehen ist. Will der DSV das akzeptieren und auf eigene Kosten reisen? Oder soll er, wie es bei den Paralympics gelang, den Ausschluss durchsetzen?

Der Steuerzahler erwartet eine Antwort.

Man könnte an die Einführung des Anti-Doping-Gesetzes 2015 erinnern zum Hinweis darauf, dass der Sport, trotz jahrelangen Widerstandes, nicht damit durchkommt, alle seine Probleme innerhalb der Familie zu regeln. Das liegt nicht nur an der wirtschaftlichen Abhängigkeit vieler Sportarten vom Staat. Das ist auch in der gesellschaftlichen Bedeutung des Sports begründet.

Schon einmal hat der Innenminister, das war 2018 und er hieß de Maizière, entschieden, dass er einer deutschen Mannschaft nicht die Reise zu Europaspielen in Minsk bezahlt, mit denen Diktator Lukaschenko seinem schmutzigen Regime Glanz verschaffen wollte. Es kam anders. Mit der Erklärung, dort gehe es um die Qualifikation für Olympische Spiele, stimmte der damalige Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Hörmann, den Nachfolger de Maizières um, seinen Parteifreund Seehofer.

Nun also der nächste Versuch des größten Sponsors des deutschen Sports. Es ist die Bundesregierung, die zu verhindern versucht, dass Deutschlands Beste, Athleten wie Sarah und Florian Wellbrock, ins kalte Wasser springen müssen.

Mit Konkurrenten, deren Heimatländer in der Welt geächtet sind für ihren todbringenden Überfall auf die Ukraine. Das müsste jeder Sportverband längst erkannt haben.

Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag , dem 10. März 2022

 

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

 

author: GRR