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04
01
2011

Ein Wechsel hat bereits auf Platz 4 stattgefunden. München hat Köln in jeder Beziehung überholt.

SPIRIDON – Hitparade Marathon 2010 – München überholt Köln – Manfred Steffny in SPIRIDON

By GRR 0

Es ist Bewegung in die jahrelang festgefügte Hierarchie der deutschen Marathonläufe gekommen. Der einsame Spitzenreiter Berlin ist im Jahr 2010 nicht mehr der schnellste Marathon in Deutschland, sondern musste diese Position an Frankfurt nach dem dortigen geballten Auftritt afrikanischer Läufer und Läuferinnen abgeben.

Dennoch bleibt Berlin in unserer Punktewertung unangefochten an der Spitze. Dank der schieren Größe, die bei unserer Wertung nur bis 15.000 Finisher belohnt wird, dank des Frauenanteils mit erneut leicht ansteigenden 7.399 im Ziel und dank seiner 1.341 Marathonis, die unter drei Stunden blieben. Letzteres zeigt, dass Regen und Wind gar nicht so leistungsfeindlich waren, wie zum Teil dargestellt wurde. Im Regen tut die erste Hälfte weh und bleibt man in der zweiten frisch. Und das war für viele besser als der zu warme Marathontag 2009. Das zeigen auch die schnelleren Siegerzeiten. Dennoch musste Berlin bei den Finishern eine leichte Einbuße hinnehmen. Warmduscher blieben zu Hause.

Leichte Anstiege gab es dagegen auf den Plätzen 2-4. Hamburg nutzte das Jubiläum von 25 Jahren zu einem kleinen Ruck nach vorne auf allen Ebenen. Mit der Hamburger Sparkasse hat man ab 2011 einen potenten Titelsponsor gefunden, der sich langfristig verpflichtet. Neue Sponsoren braucht das Land, und das gilt auch für die beiden anderen Großen. BMW steigt in Berlin für real ein und löst kurz darauf auch in Frankfurt die Commerzbank ab, mit der die Hessen gut gefahren waren. Die Commerzbank war zwar vertragsmäßig noch bis 2011 Titelsponsor, doch einigte man sich auf eine vorläufige Ablösung. Die Bayerischen Motorenwerke bereiten einen größeren Einstieg in die Laufszene vor.

Mit Berlin und Frankfurt sicherten sie sich für drei Jahre die Titel der beiden einzigen deutschen Läufe, die vom Welt-Leichtathletik-Verband IAAF mit dem Gold Label ausgezeichnet wurden, werden sich auch in München engagieren, verhandeln mit Köln und binden sich in die Serie von Sport Scheck ein. Das ist die bedeutendste Sponsorschaft im deutschen Marathonlager seit Ende der 1980er Jahre, als es eine DB-Serie der Deutschen Bundesbahn mit Läufen in Frankfurt, München und Leipzig gab.

Jubel herrscht allein in Frankfurt, wo im neunten Jahr unter dem verantwortlichen Renndirektor Jo Schindler der Durchbruch zum absoluten Spitzenlauf gelungen ist. Kleiner Schönheitsfehler: mit 9.558 Finishern blieb man knapp unter der begehrte fünfstelligen Finisher-Zahl. Qualität zeigt man nicht nur mit Spitzenzeiten, sondern auch mit beachtlichen 650 Läufern und Läuferinnen unter 3 h. Langfristig möchte die Wirtschaftsmetropole Frankfurt der Hansestadt Hamburg den zweiten Platz in der deutschen Marathonszene abnehmen.

Ein Wechsel hat bereits auf Platz 4 stattgefunden. München hat Köln in jeder Beziehung überholt. Veranstalter runabout hat in die Werbekiste gegriffen, neue Ideen entwickelt, trotz des neuen Halbmarathons die Marathonbeteiligung gesteigert und fein dosiert auch das Niveau teilweise bescheidenen Siegerleistungen angehoben. Köln musste dagegen mit einem Sparkurs, über den auch der langjährige Renndirektor Harald Rösch stolperte, empfindliche Rückgänge hinnehmen. Die taten zwar der Organisationsstrukturen ganz gut, die in erfreulichem Maße verbessert wurden, doch wird sich das erst fürs nächste Jahr herumsprechen. Nur 80 Leute unter 3 h, das ist für einen Marathon dieser Größe beschämend.

Zwar gab es auch in Köln einen kenianischen Männer-Sieg trotz gekappter Preisgelder wie in insgesamt zehn von 20 hier aufgelisteten Läufen. Doch das nur, weil die Kenianer inzwischen eigene Sponsoren gefunden haben. Köln versuchte die Zahl der Finisher zu kaschieren, indem es in der Ergebnisliste alle Aussteiger als DNF aufführte und auch alle gemeldeten und nicht gestarteten Läufer unter dem Kennzeichen DNS aufführte. Nicht transparent sind auch die Finisher-Zahlen von Münster, wo die Marathonstaffeln mitgezählt werden und die ostdeutschen Läufe Rennsteig und Oberelbe, die keine Gesamtwertung, sondern nur unübersichtliche Altersklassenwertungen anbieten. So werden Rückgänge kaschiert.

Durch den Ausfall des Karstadt-Marathon kommen diesmal nur 20 Marathons im Bereich tausend Läufer und mehr in die Wertung. Vom Aus an der Ruhr konnte im Grunde nur der Nachbar Duisburg etwas profitieren. Das Verhältnis Frühjahr-Herbst änderte sich kaum mit 29.013 Finishern im ersten und 62.595 im zweiten Halbjahr. Gegenüber dem Vorjahr ist dies ein Minus von ca. 10%. Düsseldorf scheiterte mit seinem sportlich ausgerichteten Konzept knapp an der 3.000-Marke, bestätigte aber den Aufwärtstrend der Läufe ohne Nebenwettbewerbe.

Zeitgleich mit Düsseldorf hat sich Hannover mit sehr ähnlichen Siegerzeiten und Zugängen wieder dauerhaft unter den ersten zehn etabliert. Dennoch tauschen Münster und Hannover die Plätze. Und das aufgrund unserer leicht modifizierten Wertung. Diese sieht jetzt wie folgt aus: bis 15.000 Finisher gibt es wie bisher einen Punkt pro 1.000. Die Frauenzahlen werden nun ohne prozentuale Berücksichtigung direkt dazu gezählt.

Ziel ist nach wie vor, den Frauensport zu fördern und langfristig den schon in der ersten Ausgabe von SPIRIDON 1975 als erstrebenswert gesehenen Anteil Männer-Frauen von 1:1 zu erreichen. Dies ist bereits in einigen US-Marathons erreicht. Als weiteres Qualitätsmerkmal wurde die Belohnung für Zeiten unter 3 h angehoben auf 3 Promille-Punkte.

Die Skala für Spitzenleistungen bis 10 Punkte bleibt unverändert. So kam Berlin auf die hohe Gesamtpunktzahl von 36,3. Aber man könnte Berlin wie folgt ablösen: 20.000 Finisher (15 P.), davon 10.000 Frauen (10 P.), 1.500 sub 3:00 h (4,5 P.), 1. Mann 2:09 h, 1. Frau 2:28 h (9,0 P). Das ergäbe 38,5 Punkte. Zur Zeit wäre dies nur möglich mit einer Frauenquote wie es sie teilweise in London und New York gibt oder stark reduzierten Startgeldern für Frauen oder Familien.

Von Gedankenspielen zurück zur Realität. Mainz mit seinen zwei Runden und zwei Strecken-Optionen ist zwar Jahr für Jahr schnell ausverkauft, doch im Dauerregen 2010 stoppten viel mehr als gedacht bei Halbmarathon ab. Daher nur 1.480 Marathon-Finisher. Der Bonus einer deutschen Meisterschaft zählt nicht mehr.

Kassels Trainer und Macher Winfried Aufenanger spottete bereits, dass in Frankfurt zur hessischen Meisterschaft mehr Läufer angetreten seien als zur deutschen Meisterschaft in Mainz. In Hamburg soll dies ab 2011 besser werden, wo man sich für drei Jahre die DM gesichert hat. In Mainz tröstet man sich mit dem neuen Schuhsponsor Saucony und der Vertragsverlängerung mit dem Titelsponsor Novo Nordisk.

Herausgefallen aus der Wertung ist Regensburg, das sich mit dem termingleichen bayerischen Nachbarn Würzburg zerrieben hat. Nun versucht man es 2011 erneut mit einem neuen Kurs. Rückgänge hat auch Bremen einstecken müssen, obwohl man nicht mehr den Termin von Berlin hat. Aufgestiegen ist dagegen der Drei-Länder-Marathon am Bodensee mit Start in Lindau und Ziel in Bregenz.

Deutsche Männersiege – mit mediokren Zeiten – gab es in drei der 20 Rennen dieser Hitparade, dagegen zehn deutsche Frauensiege. Dies ist aber weniger ein Qualitätsmerkmal, sondern dem Umstand von örtlich geringeren oder gar keinen Preisgeldern geschuldet.   

 

Manfred Steffny in SPIRIDON 12/2010

SPIRIDON

 

 

                    Hitparade der deutschen Marathonläufe 2010

 

 

 

author: GRR

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