Dr. Dr. med. Lutz Aderhold - Spezifische Aspekte für Senioren ©privat
Spezifische Aspekte für Senioren – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Dem Alter kann sich niemand entziehen, weder im normalen Leben und schon gar nicht im Laufsport, wo die Stoppuhr untrügliches Zeichen der erzielten Leistung ist. Die Leistungsfähigkeit von Untrainierten geht vom 35. Lebensjahr an alle 10 Jahre um 10-15 % zurück. Ausdauertrainierte Läufer haben ab dem 50. Lebensjahr einen Leistungsrückgang von ein 0,5 – 1% pro Jahr (Leyk et al. 2007 u. 2008).
Der Prozess des natürlichen Leistungsrückgangs setzt besonders jenseits von 54 Jahren deutlich ein (Leyk et al. 2010). Durch arteriosklerotische Veränderungen der Gefäße steigt der Blutdruck, gleichzeitig geht die Kapillarisierung zurück und die Durchblutung der Organe nimmt ab. Mit der verminderten Herz-, Kreislauf- und Lungenfunktion sinkt die maximale Sauerstoffaufnahme und in der Folge die Ausdauerleistungsfähigkeit. Nach allgemeiner Auffassung lässt sich der Leistungsknick durch körperliches Training aber verschieben.
Sport-Neueinsteiger im Seniorenalter zeigen, dass auch ältere Nichtsportler durch ein regelmäßiges Training bemerkenswerte Leistungen erzielen können. Dies geht aus der Analyse von 552 528 Marathon- und 373 425 Halbmarathonzeiten von 20- bis 79-jährigen Langstreckenläufern hervor (Leyk et al. 2010).
Durch Training lassen sich viele Alterungsprozesse verzögern. Der Lifestyle hat mehr Einfluss auf die Leistungsfähigkeit als das Alter. Die meisten „Begleiterscheinungen", die mit dem Alterungsprozess einhergehen, sind nicht altersbedingt, sondern rühren daher, dass der Körper „nicht mehr benutzt wird". Aber auch durch einen erhöhten Trainingsaufwand kann man sich wegen der nachlassenden anabolen Prozesse dem altersbedingten Leistungsabfall nicht entziehen.
Die Abnahme der Laufgeschwindigkeit über längere Distanzen von ca. 0,5 – 1 % pro Jahr ist völlig normal (Leyk et al. 2007). Es ist besser, den Leistungsrückgang bewusst und gestaltend anzunehmen.
Es gibt vor allem zwei Typen von Läufern: die einen liefen schon, bevor sie 30 waren, die anderen fingen erst jenseits der 30 oder noch später an.
Die 1. Gruppe muss sich spätestens ab dem 35. Lebensjahr damit abfinden, dass die alten Bestzeiten immer unerreichbarer werden. Die 2. Gruppe freut sich zunächst über enorme Fortschritte, macht aber nach den Aufbaujahren ähnliche Erfahrungen wie die 1. Gruppe. Waren persönliche Bestzeiten und Rekorde anfangs noch sehr wichtig, gilt es mit zunehmendem Alter sich neu zu motivieren. Meist wird jetzt der Erlebniswert einen höheren Stellenwert einnehmen. Gedanken an persönliche Bestzeiten gehören der Vergangenheit an. Jetzt heißt es, loslassen zu können und die jahrelang gehegten Tugenden wie Ehrgeiz und Leistungserwartung zurück zu stellen. Gerade die „ewigen" Wettkämpfer haben damit häufig Probleme.
Regelmäßig und gut trainierende Seniorenläufer sind bis hoch in die vierziger Jahre, manche auch bis in die fünfziger Jahre sehr leistungsfähig und erfahren nur geringe Leistungseinbußen. Voraussetzungen für Laufleistungen im Alter sind das Ausbleiben bzw. Vermeiden von Verletzungen und die notwendige Motivation.
Ältere Läufer können nicht mehr die Trainingsleistungen wie jüngere erbringen. Das hängt mit der geringeren Belastbarkeit durch die längere Regenerationszeit zusammen. Man geht heute davon aus, dass es nicht die intensiven Trainingseinheiten sind, die dem Bewegungsapparat zusetzen sondern eher zu hohe Kilometerumfänge und zu wenig Regeneration zwischen den Belastungen. Die Gelenke stellen dabei die wesentlichen Schwachpunkte des alternden Menschen bei der sportlichen Betätigung dar (Weineck 2010). Der Schwerpunkt sollte daher weniger auf dem Umfang als auf der Qualität liegen, denn die anaerobe Leistungsfähigkeit nimmt im Alter schneller ab als die aerobe Leistungsfähigkeit (Gent u. Norton 2013).
Das Training im Bereich der anaeroben Schwelle (Tempodauerlauf, 15 s/km langsamer als die 10-km-Besteit) und schneller (Wiederholungsläufe – WHL) kann langsam bis auf 25 % der Gesamtkilometer im Training gesteigert werden. Nach intensiven Trainingseinheiten sollten zwei Tage mit regenerativen Maßnahmen, alternativem Training oder extensivem Lauftraining folgen. Eine mögliche Alternative bietet auch das Expresstraining (Aderhold u. Weigelt 2012).
Der Seniorensportler sollte Schwerpunkte in der Beweglichkeit und der Kraftfähigkeit setzen. Hier bestehen häufig die größten Defizite (Pöhlitz 2010). Von den konditionellen Fähigkeiten bleibt mit zunehmendem Alter am ehesten die Ausdauer und weniger die Kraftausdauer und die Schnelligkeit erhalten.
Halten Sie sich nicht an Trainingsplänen fest, hören Sie immer auf das Körpergefühl und pausieren Sie bei Müdigkeit. Sie sollten sich realistische und erreichbare Ziele setzen. Reduzieren Sie die Zahl der voll gelaufenen Wettkämpfe und verlängern Sie die Regenerationsphasen. Allerdings gibt es keine verbindlichen Altersnormen zu Umfang und Intensität im Training, Wettkampfhäufigkeit und Regenerationszeiten. Der ältere Läufer sollte sich regelmäßig belasten und dabei auch wohlfühlen.
Für den Gesundheitssportler ist eine sinnvolle Mischung aus Ausdauer, Kraft, Koordination und Beweglichkeit die beste Wahl.
Mit dem Alter nimmt die Fähigkeit, Schweiß zu produzieren und Hitze zu vertragen, ab. Gleichzeitig ist das Durstgefühl häufig reduziert. Als Seniorensportler sollten Sie besonders darauf achten, dass Sie genügend trinken – vor, während und nach Training bzw. Wettkampf. Durch ein abwechslungsreiches Trainingsprogramm kann man Motivationsprobleme bekämpfen. Mit Kräftigungsübungen und Hügeltraining beugt man einer Muskelatrophie vor. Eine untrainierte Muskulatur und die altersbedingt nachlassende Muskelkraft begünstigen die Entwicklung von Arthrosen, Rückenschmerzen und orthopädischen Problemen.
Extensive und regenerative Einheiten können gut durch z.B. Schwimmen und Radfahren ersetzt werden. In trainingslosen Zeiten verlieren ältere Läufer deutlich langsamer ihr Leistungs-Level als jüngere. Durch ein ausgewogenes Verhältnis von Be- und Entlastung können normale physiologische Entwicklungen wie das Absinken der maximalen Herzfrequenz, Schwächung der Herzmuskulatur, Verschlechterung der muskulären Flexibilität und Abnahme der Muskulatur zugunsten des Fettgewebes hinausgezögert werden.
Der Seniorensportler muss sich nach den gleichen Trainingsprinzipien wie der jüngere Sportler belasten, allerdings muss das Niveau niedriger angesetzt werden.
Richtig dosiertes Training ist für den Seniorensportler von großer Bedeutung.
„Viele möchten leben, ohne zu altern und sie altern in Wirklichkeit, ohne zu leben" (Alexander Mitscherlich).
Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Literatur:
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.
Gent DN, Norton K. Aging has greater impact on anaerobic versus aerobic power in trained master athletes. J Sports Sci 2013; 31: 97-103.
Leyk D, Erley O, Ridder D, Leurs M, Rüther T, Wunderlich M, Sievert A, Baum K, Essfeld D. Age-related Changes in Marathon and Half-Marathon Performances. Int J Sports Med 2007; 28: 513-7.
Leyk D, Wunderlich M, Rösch H, Lackmann S, Sievert A, Rüther T. Der Marathon als leistungsphysiologisches und präventivmedizinisches Untersuchungsmodell. Prävention und Gesundheitsförderung 2008; 3: 253-8.
Leyk D, Rüther T, Wunderlich M, Sievert A, Essfeld D, Witzki A, Erley O, Küchmeister G, Piekarski C, Löölgen H. Leistungsfähigkeit im mittleren und höheren Lebensalter. Dtsch Arztebl 2010; 107: 809-16.
Pöhlitz L. Leistungsreserven im Seniorensport. Laufmagazin Spiridon 2010; 36 (7): 22-4.
Weineck J. Sportbiologie. Balingen: Spitta 2010.
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Aderhold/Weigelt: Laufen! Die Buchvorstellung aus dem Schattauer Verlag