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22
06
2024

Durch ein dichtes Zuschauerspalier geht es zum Ziel am Luisenplatz - Foto: laufreport.de

Selbst der Oberbürgermeister war begeistert Jubel und Trubel wie in den besten Zeiten herrschte beim 46. Darmstädter Stadtlauf – Ludwig Reiser berichtet

By GRR 0

Mit 1700 Anmeldungen war der einstige „Pizzalauf“ eine absolute Alternative zum EM-Fußball-Sommer 2024

An diese Stimmung und diese Begeisterung auf und neben dem engen Innenstadtkurs konnten sich vor allem die Stammläufer des Stadtlauf-Klassikers nur zu gut erinnern.

Michael Heist und Markus Philipp, als geniales Moderatorenduo für drei Stunden im Zielbereich „on fire“, konnten sich nicht erinnern, dass es einen derartigen Trubel in den letzten Jahren gegeben hatte – die 46. Auflage des Kultlaufes durch Darmstadts City jedenfalls unterstrich, dass der zweitälteste deutsche Stadtlauf kein Fleckchen Rost über die Jahrzehnte hinweg angesetzt hatte und frisch und munter daherkommt. Die Verlegung weg vom angestammten Mittwochstermin (wegen des EM-Vorrundenspiels der deutschen Nationalmannschaft) erwies sich gewiss als kluger Schachzug und eine willkommene Alternative zum EM-Fußball-Sommer.

Stadtlauf-Chef Wilfried Raatz, der zumeist im Startbereich anzutreffen war und dabei neben dem Startsprecher Jonas Vasikorus die Interviews mit den Promis an der Startpistole durchführte, entlockte den Vertretern der Sponsoren ohne Ausnahme bekennende Begeisterung zum Stadtlauf. Die Startschüsse für die beiden Bambini-Läufe, für die das Stadtlauf-OK einen „sturzmindernden“ Softstart kreierte, gab Darmstadts OB Hanno Benz, der sich begeistert über die startfreudigen „Heiner“ und die Stadt-Anrainer und die dicht gedrängt stehenden Zuschauer am Streckenrand äußerte. Als bekennender Marathonläufer wird sich Hanno Benz kaum vor einem Start im kommenden Jahr drücken können.

Den Einschnitt mit dem Verzicht auf die Elitefelder, den die Stadtlaufmacher vor acht Jahren machten, vermisste man in keiner Weise, denn die Rennen in der Fußgängerzone zeigten sich durchgängig spannend bis zum Zieleinlauf am Luisenplatz – und so mancher lokalen Größe wurde begeistert zugejubelt. Angesichts des dichtgedrängten Zeitplanes, der unmittelbar mit Geschäftsschluss um 19.00 Uhr gestartet wurde, wurden die Tagesschnellsten von den Bambinis bis hin zu den Masters in einer Flower-Zeremonie direkt im Ziel auf der Bühne geehrt.

Selbst Idriss Gonschinska, der Vorstandsvorsitzende des in Darmstadt ansässigen Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) machte sich vor Ort ein Bild über die Laufbegeisterung in Darmstadt – und fand sich spontan bei einer Siegerehrung sogar auf der Bühne wieder.

Der Darmstädter Stadtlauf ist keineswegs mit den landauf landab üblichen glattgebürsteten Cityläufen zu vergleichen, denn neben dem Bad in der Menge ist schweißtreibende Action angesagt, denn die legendäre Treppenpassage an der Piazza erfordert höchste Konzentration wie auch der „Anstieg“ (samt dem sich direkt anschließenden Gefälle) zur „Kääsglock“, der weithin sichtbaren Kuppelkirche St. Ludwig fordert einige Körner, wie es sich m Läuferjargon plausibel formulieren lässt.

Und Marek Spriestersbach aus Diez an der Lahn gefielen als eigentlicher Hindernisläufer diese dreimal zu belaufende Treppenpassage, schließlich gelang dem in Darmstadt Maschinenbau studierenden Läufer nach den Siegen 2022 und 2023 nun mit dem dritten Sieg ein lupenreiner Hattrick. „Als Hindernisläufer kann man gut abschätzen, wenn man etwas überspringen muss. Deshalb konnte ich die Treppe mit voller Geschwindigkeit anlaufen und mir hier immer einen kleinen Vorsprung sichern! Denn diesmal hatte ich richtig Konkurrenz!“ Mit 15:01 Minuten war er gleich fast eine halbe Minute schneller als im Vorjahr. Als Jäger trat dabei der bei Christian Stang in Schriesheim trainierende Jonas Uster.

Die Stimmung entlang der Strecke, so die beiden unisono, hätten einen weiteren Schub gegeben, sodass Marek Spriestersbach sogar einen Vergleich mit dem Trierer Silvesterlauf heranzog. „Ich würde fast sagen, dass man das mit Trier vergleichen kann. Überall Zuschauer, überall Musik. Das macht dann schon sehr, sehr, sehr viel Spaß!“ Als Dritter schnupperte der deutsche U20-10 km-Jugendmeister Lukas Bugar schon einmal die raue Luft der Männerkonkurrenz, zumal sich der eigentliche Triathlet schon Gedanken über einen Start für den DLV bei den Cross-Europameisterschaften macht und hier auf hochkarätige Konkurrenz treffen würde.

Ungewohntes Terrain auch für ein neues, junges Gesicht in der Darmstädter Laufszene, denn die 24jährige Äthiopierin Emebet Yihune ist seit April in Darmstadt und trainiert in der Laufgruppe des ASC-Trainers Wilfried Raatz. „Das gewiss vorhandene Potential“, so Wilfried Raatz, münzte sie sogleich in einen klaren Sieg in 17:33 Minuten um, bevor Kerstin Bertsch im Trikot des SSC Hanau-Rodenbach als Stammläuferin großen Beifall für ihren erneute Spitzenplatz erhielt. Die eigentliche Bergspezialistin lief mit 18:06 nicht minder rekordverdächtig schnell wie auch die dahinter folgenden Meike Freudenreich von den Roadrunners Südbaden oder die in Darmstadt lebenden Sylvie Müller, Viktoria Hossbach, Maike Baldus und die Niederländerin Katja Sluiter. Das spannende Duell der W50-Mastersfrauen sicherte sich Marina Lefort vor Alexandra Rechel.

Auch bei den Masters-Männer gab es einen Sieg eines Ur-Darmstädters, dem schon als Jugendlichen bei Wilfried Raatz trainierenden Fabian Straulino, der inzwischen als Oberarzt in Hanau arbeitet und beim VfL Münster in der zweiten Triathlon-Bundesliga startet. Dahinter schafften mit Giuseppe Troia und Jürgen Zehnder zwei lokale Urgesteine der Laufszene die nächsten Ränge.

Gespickt mit vielen Talenten waren die Wettbewerbe der Schüler über 2000 m, einschließlich der Treppenpassage und dem „Wilhelminenbuckel“, die entweder für ihre Schule oder ihre Vereine starteten. Dabei waren es keineswegs nur Leichtathletik-Vereine, die bei der Kultveranstaltung Flagge zeigten, sondern auch Hockey-, Triathlon- und Fußball-Schüler zeigten beachtliche Ausdauerwerte. Dabei gab es auch für den gastgebenden ASC Darmstadt durch Max Elbracht und Leni Angermeier zwei jahrgangsübergreifende Siege im Wettbewerb der Schüler-Challenge I.

Heiß wie immer, so bestimmte das Wetter das Geschehen in der Darmstädter Innenstadt. Deshalb waren gewiss auch die beiden Wasserstationen der Sponsoren gefragte Anlaufpunkte. Attraktiv wie immer das begehrte Stadtlauf-Shirt, das im Layout das Weltkulturerbe Mathildenhöhe des nahe Darmstadt arbeitenden Grafikers Jürgen Kiffe zeigte.

„So kann es weiter gehen“, freut sich Stadtlauf-Macher Wilfried Raatz schon auf die 47. Auflage des Stadtlauf-Klassikers, der als Pizzalauf in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht nur bundesweit für Aufsehen sorgte.

Ludwig Reiser

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