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08
06
2007

Die Ausschussvorsitzende Karin Seidel-Kalmutzki (SPD) verkündete die Entscheidung gestern am Ende der Ausschusssitzung nach dem Besuch des Berliner Olympiageländes - unter dem Punkt Verschiedenes und unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Sanierungsstau auf dem Olympia-Areal – Japan-Reise des Sportausschusses zur Leichtathletik-WM nach politischen Bedenken abgesagt – Gilbert Schomaker und Stefan Schulz in der Berliner Morgenpost

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Die Reise war gut durchgeplant. Der Sportausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses wollte Ende August ins japanische Osaka fliegen. Offizieller Grund: Die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2007. Auch die Kosten standen bereits fest: etwa 28 000 Euro. Gestern erfolgte die Kehrtwende. Nachdem die FDP-Fraktion Bedenken gegen Sinn und Zweck der Reise vorgebracht hatte, sagte der Ausschuss die Reise ab.

Dabei sah das Reiseprogramm einige attraktive Punkte vor, zum Beispiel der Besuch eines morgendlichen Sumo-Ringer-Trainings. Die Abgeordneten wollten aber auch mit dem Sportausschuss Osakas reden und der deutsch-japanischen Gesellschaft und die Marathonstrecke besichtigen.
Wichtigstes Ereignis sollte am Abschiedsabend dann jedoch die feierliche Flaggenübergabe von Osaka an den Veranstaltungsort der nachfolgenden WM, Berlin, sein. Die Ausschussmitglieder wären nicht die einzigen Berlin-Vertreter vor Ort gewesen. Schon fest zugesagt haben der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Sportstaatssekretär Thomas Härtel (beide SPD).

Sport nicht im Mittelpunkt der Reise

Letzteres war auch einer der Punkte, warum die Liberalen die Reise letztlich ablehnten. Wenn das Land Berlin mit diesen beiden Repräsentanten vertreten sei, müsse nicht auch noch der Sportausschuss nach Osaka reisen. Zudem habe nicht der Sport im Mittelpunkt der Fahrt gestanden, bemängelte der sportpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Sebastian Czaja. „Es ist eine richtige Entscheidung, die Reise abzusagen. Sie hatte keinen substanziellen Gehalt und sah eher wie eine Spaßreise aus“, so Czaja.
Es gebe einfach zu wenige politische Inhalte, die insbesondere das Thema Sport in den Mittelpunkt stellten, um die Kosten der Reise, die das Land zu tragen hat, für die Öffentlichkeit rechtfertigen zu können, sagte der liberale Abgeordnete.

Die Ausschussvorsitzende Karin Seidel-Kalmutzki (SPD) verkündete die Entscheidung gestern am Ende der Ausschusssitzung nach dem Besuch des Berliner Olympiageländes – unter dem Punkt Verschiedenes und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Man habe keinen Konsens aller Fraktionen herstellen können, deswegen sei die Reise abzusagen. Eigentlich hatte sie die Fahrt zuvor noch unterstützt und als sinnvoll erachtet.
Auch Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) sagte, dass er eine Ausschussreise nach Osaka für richtig halte.

So sehen es auch die Grünen. Sportexpertin Felicitas Kubala: „Entweder es fahren alle oder keiner. Aber was an dem Programm fehlte, ist mir schleierhaft. Das war ein sehr volles Programm und keine Vergnügungsreise.“

Der SPD-Fraktions- und Landesvorsitzende Michael Müller sagte, die FDP habe die Fahrt bis fast zuletzt unterstützt, jedenfalls drei Monate der Planung ohne Bedenken ins Land streichen lassen. Es habe eine Verständigung der Fraktionen gegeben, nicht nur den Senat nach Osaka fahren zu lassen, sondern dass auch das Parlament vertreten sei. „Die FDP ist aber erneut aus dem verabredeten Konsens ausgeschieden. Sie versucht öffentlich zu punkten, indem sie sich gegen solche Reisen stellt.“
Dieses „Spielchen“ habe man nicht mitmachen wollen und deswegen die Reise abgesagt.

Vielleicht ist es nur halb so schlimm, denn im Sportausschuss kündigte Uwe Hammer vom Landessportbund an, die Abgeordneten über die WM in Osaka und die eigenen Vorbereitungen für Berlin 2009 zu informieren.

Sportstaatssekretär Härtel kündigte gestern an, dass das Land Berlin in Vorbereitung auf die Leichtathletik-WM das Hanns-Braun-Sportfeld auf dem Olympiagelände sanieren werde. Dazu soll unter anderem die Laufbahn erneuert werden, so Lutz Imhof, verantwortlicher Mitarbeiter für den Olympiapark in der Sportverwaltung.
Insgesamt gebe es aber nach wie vor einen riesigen Sanierungsstau auf dem Gelände. Die Zukunft des Tanklagers sei ungeklärt. Das Schwimmstadion müsste für 25 Millionen Euro renoviert werden. Auf Antrag der CDU muss der Senat bis zum Jahresende einen Bericht über das künftige Vorgehen erstellen.

Gilbert Schomaker und Stefan Schulz
Berliner Morgenpost
Sonnabend, dem 26. Mai 2007

PS:
Blamage der Berliner Sportpolitik

Vom 15. bis zum 23. August 2009 finden in Berlin im Olympiastadion die 12. IAAF Weltmeisterschaften der Leichtathletik statt.
Nach Olympischen Spielen und der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft sind die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in der Bedeutung das drittgrösste und wichtigste Sportereignis der Welt.
Berlin hat sich mehrfach um die Austragung der WM beworben und ist gescheitert.

Als dann vor drei Jahren das IAAF-Council den ersehnten Zuschlag für Berlin erteilte, war die Freude gross, die Kernsportart der Olympischen Spiele in Berlin beherbergen zu dürfen.
Was sich jetzt allerdings jetzt im Berliner Parlament abspielt ist eigentlich eine Provinzposse bester Berliner Machart.
Statt die Ärmel aufzukrempeln und ähnlich wie bei der Fussball-WM 2006 die Welt auf das sportliche Ereignis in Berlin vorzubereiten und alles zu tun, um die Jugend der Welt nach Berlin einzuladen und in Osaka 2007 zu werben, noch zu lernen, zu kopieren und notfalls besser zu machen, wird mit Parteiengezänk unter dem Deckmantel der Sparsamkeit eisern gespart.

Wenn André Heller für seine Eröffnungsprogramme der Fussball-WM 2006 in Deutschland fast 45.0 Mio. Euro in Hand nehmen sollte, ist das gerade das Gesamtbudget der WM in Berlin.
Wer bei der WM 2005 in Helsinki erlebte wie die Japaner für „ihre WM in Osaka und Japan 2007“ Promotion betrieben und mit großem finanziellen und materiellen Aufwand die IAAF Leichtathletik-Familie in ihre Werbung einschlossen, der kann über den Kleinmut der Berliner Politik, bzw. der Parteien, nur den Kopf schütteln.

Die grossen deutschen Städte überbieten sich im Kampf bei der Bewerbung um die Ausrichtung von Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und sogar Olympischen Spiele, jeder will die „Sporthauptstadt Deutschlands“ sein – aber in Berlin feiert der Kleinmut wieder fröhliche Urständ.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat sich bei den Bewerbungen bei der IAAF immer mächtig für Berlin ins Zeug gelegt, möglicherweise wird er in Osaka nicht nur die Fahne der IAAF überreicht bekommen, vielleicht verteilt er dann dort sogar noch persönlich an die Zuschauer Werbeflyer für die WM 2009 in Berlin, weil nicht genügend Geld für Hilfskräfte vorhanden ist.

Horst Milde

author: GRR

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