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07
03
2010

Siebter Cross-Titel bedeutet zugleich 25. deutschen Meistertitel – Überraschung durch Christian Glatting – Carsten Schlangen schlägt Wolfram Müller auf der Mittelstrecke – Deutsche Crossmeisterschaften in Stockach mit 1000 Teilnehmern und dem Comeback des Winters

Sabrina Mockenhaupt feiert in Stockach Jubiläum – Wilfried Raatz berichtet von den 64. Deutschen Crossmeisterschaften

By GRR 0

Die 64. deutschen Crossmeisterschaften waren so ganz nach dem Geschmack der Laufszene, denn packende Duelle um die Medaillen prägten nahezu alle Wettbewerbe auf dem überaus selektiven, komplett einsehbaren Rundkurs am Wiesengelände Osterholz an der Aach. Nur schade, dass trotz des stadtnahen Parcours Zuschauer Mangelware waren.

Dichtes Schneetreiben, starke Windböen wechselten dabei in bunter Folge mit partiellem Sonnenschein bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und forderten mit dem Comeback des Winters von den rund 1000 Athleten alles ab. Während Sabrina Mockenhaupt in souveräner Manier ihren siebten Crosstitel und den 25. Erfolg bei Deutschen Meisterschaften feiern konnte, gab es auch eine kräftige Überraschung durch den Sieg des 23jährigen Wattenscheiders Christian Glatting vor dem früheren Triathlon-Junioren-Europameister Steffen Justus und Titelverteidiger Arne Gabius.

Anna Hahners Courage erfreut auch Mocki

 

Eine Woche nach dem 3000 m-Hallentitel machte Sabrina Mockenhaupt die Titelsammlung „rund“, denn die siebte Crossmeisterschaft bedeutet zudem für die 1,55 m große Powerfrau des Kölner Verein für Marathon den 25. deutschen Meistertitel. Nach 21:59 Minuten war die One-Woman-Show der Sabrina Mockenhaupt vorbei. Unspektakulär, aber überzeugend.

Fast eine Minute dahinter spitzte sich allerdings der Kampf um die weiteren Medaillen auf der 6,8 km langen Cross-Strecke dramatisch zu und endete mit einem Happyend für ein Jungtalent aus Osthessen: Die 20jährige Anna Hahner krönte ihren couragierten Auftritt nicht nur mit dem Sieg in der Juniorinnenklasse, sondern setzte schon einmal ein Ausrufezeichen, wohin es mit dem Talent im Trikot des PSV Grün-Weiß Kassel hingehen könnte. „Es freut mich, dass heute vor allem junge Läuferinnen hinter mir eingelaufen sind. Das gibt doch Hoffnung, dass vielleicht hinter uns Etablierten einmal wieder etwas nachkommt!“ so „Mocki“ ganz im Stile einer abgeklärten und reifen Athletin.

Ungewohnt dabei ihr eher verhaltener Start angesichts der nicht gerade mächtigen Konkurrenz. „Ich hatte keine Lust, von Beginn an völlig alleine vorweg zu laufen“, gestand Sabrina Mockenhaupt im Ziel, „die Mädels sind allerdings auch sehr flott angelaufen- Ich habe in der Vorbereitung auf den Berliner Halbmarathon in dieser Woche 160 km gelaufen und bin natürlich nicht erholt. Und am Donnerstag steht bereits der nächste Wettkampf an“ sagt sie in der Reflektion auf eine gute Trainingsphase und allerdings zugleich nach vorne.

Im belgischen Seebad Ostende erwartet die Bundeswehr-Angehörige allerdings ein härteres Kaliber, denn bei den Militär-Weltmeisterschaften fordern leistungsstärkere Läuferinnen die Deutsche, die zudem als Titelverteidigerin ins Rennen gehen wird.

Neue Macht im Frauenbereich: PSV Grün-Weiß Kassel

Anna Hahner steht für die junge Generation (zu der auch Ingalena Heuck, Saskia Janssen, Mareike Schrulle und die derzeit verletzte Julia Viellehner gehören), die sich anschickt, in der deutsche Laufszene für Furore zu sorgen. In zunehmendem Maße, in dem bewährte Kräfte wie Irina Mikitenko, Melanie Kraus, Susanne Hahn und natürlich auch Sabrina Mockenhaupt eine Orientierung in Richtung Straße vollzogen haben, desto stärker tritt ein Vakuum in der Laufszene auf der Bahn und im Gelände auf.

Die GRR-Preisträgerin 2008 verkörpert einen Jahrgang, der sich nicht scheut, auch einmal mit Mut und Courage Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn es gilt, einer enteilten Simret Restle hinterher zu jagen und – um diese mit einem kurzen Antritt auch sogleich zu passieren. „Eigentlich wollte ich nur die Juniorenspitze einnehmen, dass es aber dann noch mehr geworden ist, das ist verrückt!“ freute sich die 21jährige Studentin, die zusammen mit ihrer Zwillingsschwester und der mit einer Magen-Darm-Erkrankung gehandicapten Simret Restle auch für (neue) klare Verhältnisse in der Mannschaftswertung sorgen konnte.

Mit 19 Punkten und 30 Punkte Differenz zum Vizemeister LG Telis Finanz Regensburg stellt der PSV Grün-Weiß Kassel die veränderten Machtverhältnisse klar.   

Christian Glatting: Früherer A-Jugendmeister triumphiert nun auf der Männer-Langstrecke

Eine faustdicke Überraschung sollte das Langstreckenrennen der Männer zum Abschluss der Titelkämpfe bringen. Steffen Justus, Triathlon-Junioren-Europameister und Sohn des früheren 1500 m-Europameisters Klaus-Peter Justus, brachte die starke Spitzengruppe mit Titelverteidiger Arne Gabius (LAV asics Tübingen), Steffen Uliczka (TSV Kronshagen/ Kieler TB), Sebastian Hallmann (LG Stadtwerke München) und Christian Glatting (TV Wattenscheid) mit einem Schnellstart in Zugzwang – und sollte bis ins Ziel hinein ein überaus harter Prüfstein für die nationale Laufelite sein. Zwei Runden vor Schluss setzte sich mit dem 23jährigen Christian Glatting ein junger Läufer erstmals an die Spitze, den nur wenige auf der Rechnung hatten.

Doch der Bochumer Medizinstudent zeigte sich an diesem Samstagnachmittag in blendender Verfassung – und lief nach seiner Cross-Jugendmeisterschaft 2005 zum ersten Titel bei den Aktiven. „Bislang habe ich es nur zu einigen Medaillen gebracht, aber ein Titel ist bei den Junioren oder Männer noch nie herausgesprungen!“ so der aus dem schwäbischen Aalen stammende Glatting. „Ich konnte den zwischenzeitlichen Rückstand recht locker wettmachen und dabei festgestellt, dass die anderen immer wieder in Schwierigkeiten waren. Deshalb habe ich dann bergab Druck gemacht und mich etwas absetzen können. Meine 15er Dornen haben mir dabei die nötige Sicherheit gegeben. Auf einen Spurt jedenfalls habe ich es nicht ankommen lassen wollen!“  

Hinter Steffen Justus, der nach der Straße (Halbmarathon in Aichach) nun auch bei den Crosstitelkämpfen die angestammten Laufasse als wiederum Zweiter düpierte, setzte sich in einem dichten Zieleinlauf letztlich dann Arne Gabius gegen Steffen Uliczka durch. „“Natürlich ist es hart, innerhalb von einer Woche zwei Titel zu verlieren“, gestand der Tübinger ein. „Mir fehlt durch die Mehrfachbelastung mit Training und Krankenhaus etwas die Form. Aber: Wir sehen uns auf der Bahn wieder!“ setzt der 29jährige angehende Arzt schon einmal ein Signal in Richtung Europameisterschafts-Saison. „Aber wenn ich ehrlich bin, die vier Titel im Vorjahr waren schon außergewöhnlich. Und es ist schön für die Langstreckenszene, dass wir gute Konkurrenz haben. Deshalb bin ich über den dritten Platz nicht unzufrieden!“  

Mit Skilanglauftraining zum Sieg in der Halle und im Cross

Das spannende Duell auf der Mittelstrecke zwischen Wolfram Müller (Erfurter LAC), Carsten Schlangen (LG Nord Berlin) und Christoph Lohse (TV Wattenscheid) endete diesmal mit einem Erfolg für den Berliner, der nach dem 3000 m-Hallentitel nun auch Crossmeister werden konnte. „Eigentlich wollte ich keinen Cross laufen“, gestand er im Ziel, „aber nach dem Hallentitel konnte ich nichts mehr verlieren! Durch den langen Winter habe ich durch viele Skilanglauf-Einheiten im Volkspark Friedrichshain gute Kraft aufgebaut. Und das ist mir heute zugute gekommen“.

Dagegen möchte Wolfram Müller die Winterphase so schnell wie möglich abhaken und freut sich schon auf das am Montag beginnende Trainingslager in Marokko. „Mir hat die Strecke nicht gefallen. Außerdem war ich mit 9 mm-Dornen etwas schlecht beraten. Aber Hauptsache, gesund durchgekommen!“ Denn mit Verdruss denkt der Neu-Erfurter an sein Crossrennen im November in Pforzheim, als er im unebenen Gelände umknickte und mit einer Sprunggelenksverletzung mehrere Wochen pausieren musste.

Richard Ringer läuft nach Hallenfrust zum Crosstitel

Hochspannung war auch bei den Junioren angesagt, denn hier traf mit dem hochbegabten Musa Roba-Kinkal (TV Wattenscheid), dem ausgewiesenen Cross-Spezialisten Alexander Hahn (TSV Bayer Leverkusen) und dem aus dem nahen Friedrichshafen stammenden 5000 m-Jugendmeister Friedrich Ringer drei Favoriten aufeinander. Als Vierter im Bunde mischte der eigentliche Bergläufer Manuel Stöckert (TSV Ostheim) allerdings derart kräftig mit, dass selbst die Favoriten um ihre Positionen bangen mussten.

Am Ende durfte Richard Ringer jubeln: „Eigentlich wollte ich nur mein schwaches Abschneiden in der Halle korrigieren!“ Geschlagener Zweiter der aus Äthiopien stammende Musa Roba-Kinkal („Mir liegt diese Kälte nicht. Ich habe heute gegen meinen Körper gekämpft!“). Zweiter Strahlemann im Ziel natürlich der auf Rang drei einlaufende Manuel Stöckert. Der Bergläufer aus Ostheim in der Rhön ist zwar als guter Crossläufer bekannt und gehörte auch schon zum DLV-Team bei der Cross-WM in Mombasa, aber dass er gegen die läuferisch starken Konkurrenten eine klasse Vorstellung geben konnte, das überraschte schon in Stockach.    

Corinna Harrer und Marcel Fehr mit meisterlichen Vorstellungen

Bei den Jugendlichen durften Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg) und Marcel Fehr (LG Limes-Rems) einmal mehr eine Kostprobe ihres Könnens abliefern. Beide Talente wussten sich gegen ihre gleichaltrigen Konkurrenten zeitig abzusetzen und kamen mit zwanzig bzw. zehn Sekunden Vorsprung ins Ziel. Insbesondere die GRR-Förderpreisträgerin 2009 aus Regensburg präsentierte sich im dichten Schneetreiben in einer vorzüglichen Form, nachdem sie vor Wochenfrist in Karlsruhe mit einer eher bescheidenen Leistung hinterher gelaufen war. „Letzte Woche ging gar nichts, doch heute weiß ich wenigstens wieder, dass ich laufen kann“, freute sich die Abiturientin über den Titelgewinn gegen Stephanie Platt, mit der sie Bronze bei den Cross-Europameisterschaften in Dublin gewonnen hatte.

Nicht minder überzeugend der Auftritt des Hallenmeisters Marcel Fehr, der nach bislang nur enttäuschenden Resultaten im Crosslaufen nun auch im Gelände seine Stärken unter Beweis stellen konnte. „Eigentlich hatte ich mit einer Spurtentscheidung gerechnet. Damit habe ich mich wohl selbst überrascht!“

Vom SC Rönnau 74 kommt die B-Jugendsiegerin Maya Rehberg, die sich als Jahrgangsjüngere gegen gleich drei bayerische Läuferinnen durchsetzen konnte. Doch der Verein aus dem hohen Norden taucht auch bei der männlichen A-Jugend auf Rang fünf auf, in Verbindung mit Stig Rehberg, Mayas drei Jahre älterem Bruder. Sehr zur Freude von Mutter Carmen, die ihre zweifellos talentierten Sprösslinge auch trainiert.

Den Feiertag rundeten übrigens die Rönnauer mit der Vizemeisterschaft im Mannschaftswettbewerb der männlichen A-Jugend ab.  

Wilfried Raatz

Die Resultate finden Sie in der DLV  Ergebnisrubrik:

Ergebnisse Deutsche Crossmeisterschaften in Stockach

author: GRR

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