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30
09
2021

Der LT Bernd Hübner vor dem Brandenburger Tor -   LT vor dem Brandenburger Tor - Foto: Thomas Wiese

RUNFORJOY oder so viele Freund:innen und Freude hat ein Marathon – Impressionen vom 47. Berlin-Marathon am 26. September 2021 – Dr. Erdmute Nieke

By GRR 0

Tag zwei danach und ich bin noch immer auf der Strecke, die Bilder vom Wochenende sind fest in meinem Kopf und in meinem Herzen!

Die Freude am Laufen wurde verstärkt durch so viele Freundinnen und Freunde, die dabei waren: Die Mitläufer:innen, die Helfer:innen, die Zuschauer:innen an der Strecke und auch die in der Ferne, die Organisator:innen, die Musiker:innen…

Sie alle haben so mitgefiebert und mich durch 42,195 heiße Kilometer getragen! DANKE!

Es begann am Donnerstag Abend mit dem Besuch auf der Marathon-Messe. Das blaue Band #runforjoy legt sich am Eingang um mein Handgelenk, nachdem mein Impfstatus gecheckt ist. Eine erste Freude! Meine Lauffreundin Dina vom LT Bernd Hübner wartet extra auf mich, mein Arbeitstag war etwas länger geworden als geplant. Die Helferin bei der Startnummernausgabe freut sich, dass es wieder läuft!

Wir bummeln gemeinsam über die Messe, treffen andere Hübis, schwatzen am GRR-Stand und lassen uns inspirieren für weitere Marathons – Salzburg? Luxembourg? Bei einem Erdinger spinnen wir über die Laufzukunft. So viel Vorfreude!

Freitag und Samstag treffen so viele SMS und Mails von Freund:innen ein. Wir werden da und dort sein, wir denken an Dich, wir wollen Dich tracken und wir wünschen Dir Glück! Das steigert meine Freude auf den Sonntag. In meinem Kopf laufe ich bereits die Strecke ab und überlege, wer wo stehen vielleicht wird.

Am Samstag Nachmittag mache ich mich auf zum ökumenischen Marathon-Gottesdienst in die Gedächtniskirche. Dina hat mir einen Platz in der vollen Kirche frei gehalten. Eine Stunde Zeit zum Innehalten und zum Rückschauen. Eineinhalb Jahre hat die Corona-Pandemie unser aller Leben bestimmt.

Horst Milde, Ute Szameitat, der Handbiker Heinz Frei, Pastoralreferent Helmut Jansen, Pfarrer Lars Charbonnier und Pfarrer Peter Burkowski – alle auch Sportler:innen – erzählen, wie es ihnen ergangen ist im letzten Jahr des einsamen Laufens, was fehlte, was trug. Neben mir sitzt Dina, wir schauen uns mehrfach an, diese Erfahrungen können wir so sehr teilen! Die kleine Freude über ein Laufen zu zweit, einsames Laufen durch die Natur, keine Wettkampfziele, die Überwindung dennoch zu laufen – jetzt bloß nicht heulen, denn morgen dürfen wir wieder gemeinsam laufen und das ist Vorfreude!

Die beiden Pfarrer predigen über die Beauftragung des Elia (1 Kön 19, 5-8). Elia wird zweimal von einem Engel geweckt und zum Essen aufgefordert, da er einen langen Weg vor sich hat – 40 Tage soll Elia durch die Wüste zum Berg Horeb wandern. Wir werden nur 42 Kilometer laufen. Dennoch ist es eine Freude, in dem alten heiligen Buch der Bibel Texte zu finden, die von Menschen erzählen, die auch durch Bewegung manches verändert haben. Am Ende des Gottesdienstes werden Gebete gesprochen, für die Läufer:innen, für die Helfer:innen und die Organisatoren und für die Läufer:innen, die ihre Ziele nicht erreichen und enttäuscht sein werden. Gesegnet und mit fröhlicher Orgelmusik verlassen wir die Kirche. Meine Vorfreude bekommt mehr Gelassenheit durch diese Stunde.

Der Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor am Sonntag, dem 26.9.2021 um 7.30 Uhr – Foto: Horst Milde

Sonntag Morgen auf dem S-Bahnhof, ich erkennbar als Läuferin, spricht mich ein Paar an, eigentlich auch Läufer, sie haben nicht genug trainiert und sind als Helfer:innen für Zielversorgung unterwegs. Freude! Das ist Marathon in Berlin!

Dann das alljährliche Foto mit dem LT vor dem Brandenburger Tor und weiter in das gesperrte Start-Ziel-Gebiet. Birgit, Antje, Dina und ich – wir vertreiben uns die Zeit bis zur letzten Startwelle zwischen Kleiderabgabe und Dixischlange, um schließlich zum Startblock zu schlendern. Auf dem Weg dahin läuft mir schon wieder der GRÜNE Bendedikt Lux über den Weg – wie bei den beiden Berliner Halbmarathons im August! Benedikt – meinen Glückwunsch zu Deinem Wahlerfolg – erster direkt gewählter GRÜNER aus Steglitz-Zehlendorf im Abgeordnetenhaus von Berlin!

Die zweite Startwelle auf dem Weg durch die Stadt – Foto Horst Milde

Pünktlich um 10.30 Uhr startet die vierte Welle. Die Zeitnahmematten fiepen, die Laufuhr ist gestartet, die Maske in der Hosentasche verstaut und die Goldelse ist schon umrundet, und ich sehe Fiona aus meiner Schule, sie steht mit den Adidas-Runnern am Charlottenburger Tor, Freude!

Am Ernst-Reuter-Platz die erste Hübi-Gruppe in rot: Judith, Iki, Andreas und Frau, sie pushen mich mit riesigen roten Handschuhen. Freude! Dann steht mein treuster Fan Manu und feuert mich an. Freude!

Bei Kilometer vier ruft es von hinten meinen Namen. Yvonne überholt mich, sie kommt aus München, ich habe sie vor zwei Wochen bei einer digitalen Weiterbildung kennengelernt. Sie kommt nicht allein. Sie ist Guide für einen blinden Läufer. Gänsehaut-Freude: Du bist es in echt – kommt gut ins Ziel!

In Moabit vorbei am Gefängnis – wird es bald wieder den Gefängnislauf geben? Dann Regierungsviertel, Schweizer Botschaft – Stimmung wie immer! Durch die Mitte – Erinnerungen an meine Studienzeit an allen Straßenecken. Über die Spree geht es nach Kreuzberg. Das Seniorenheim vom Pflegewerk hat wieder alle Bewohner:innen an die Strecke gesetzt. Welch ein rührender Anblick. Stille Freude über die engagierten Pfleger:innen!

Kottbusser Tor – der Platz ist treffend besungen, die Melodie „Kotz am Kotti“ vom Lied „Schwarz zu Blau“ von Peter Fox taucht in meinem Kopf auf, denn die türkische Rockband fehlt auf der Verkehrsinsel, es weht nur ein strenger Uringeruch um meine Nase.

Dann am Hermannplatz: Antjes Mann mit der Kamera und dem Plüschdino und meine ehemalige Kollegin Sabine mit ihrer Familie.
Südstern – die Band „Blackmail“ macht gerade Pause  – dafür viele Menschen auf der Gneisenaustraße, eine große Menschenschlange an einem Wahllokal freut sich über das abwechslungsreiche Warten. Yorkbrücken – in diesem Jahr zähle ich sie, ich komme auf 29, dann echte Musik! Freundin Gudrun spielt Posaune im MagicWinds, Blasorcheser der Leo Kestenberg Musikschule! Ich lege eine Pause ein und esse meinen ersten Müsliriegel und lausche der herrlichen Musik. Große Freude und Dank an das ganz Orchester!

Kurz nach meiner Musikpause überholte ich einen Läufer, der auf zwei Beinprothesen läuft, er wird von den anderen Läufer:innen als Hero angesprochen und beklatscht. Wieder diese Gänsehaut-Freude über den Mut und die Kraft, die dieser Läufer ausstrahlt.

Dann wieder Sabine und Familie und Thomas mit dem Dino zum zweiten Mal, die U-Bahn hilft euch! Doppelte Freude! Am Rathaus Schöneberg haben die Musiker gerade eingepackt, mein Protest wird mit dem Satz gekontert: „Lauf schneller!“ Nun ja – eher weniger Freude.

Dann Peter aus dem LT am nächsten Versorgungsstand. Wasser ist kühlende Freude, denn ich schwitze unendlich – die Sonne meint es zu gut mit uns.

Am Innsbrucker Platz – wie alle Jahre – die fröhliche Balkonfamilie mit den riesigen Musikboxen tanzend! Bewegte Freude!

Dann am Rathaus Friedenau, steht Lauffreundin Ulrike – auch in Erinnerung an ihren lieben Mann Hans  – mit Cola und Salzigem! Energie und Freude! Weiter!

An der Kaisereiche höre ich meinem Namen, mein ehemaliger Schüler Stefan mit dem Rennrad an der Strecke, wie viele Stunden im digitalen Homeunterricht sah ich auf dem Bildschirm dieses Rennrad an seiner Zimmerwand hängen? Stefan fährt ein Stück mit, wir quatschen, ein Mitläufer will ihm sogar das Rennrad abschwatzen. Humor und Freude!

Am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in der Lentzallee stehen Gabi und Reinhard mit Cola, ich mache eine Pause und esse meinen letzten Riegel. Freude und Energie!

Am Roseneck die nächste Energiequelle! Unser Bernd Hübner sitzt mit seiner Moni und Judit und Iki und noch viel mehr Leuten vom Lauftreff vor einem großen Annalena-Plakat und versorgt mich mit allem: Salzigem, Cola und Neuigkeiten, zwei von uns haben aufgegeben – Ihr Zwei: Bitte lauft trotzdem weiter, denn morgen macht es bestimmt schon wieder Freude, das Laufen! Bernd meint, dass ich soll bloß langsam laufen soll. Freude über diese Unterstützung!

Der Hohenzollerndamm – immer etwas dröge – wird aufgehellt von Lauffreundin Raika. Sie steht mit ihren beiden Kindern und feuert mich frenetisch an. Jubelnde Freude! Kurz darauf Christoph aus dem Lauftreff, er hätte Gummibärchen. Freude!

Kurz vor dem Kudamm – Überraschung – mein Kollege Ferdinand mit seiner Freundin. Er behauptet, dass ich noch gut aussehe. Ich fühle mich gerade anders, noch neun Kilometer bis zum Ziel. Aufbauende Freude.

Auf dem Kudamm Rita und am VP Knackpunkt noch eine Menge Leute vom Lauftreff als Helfer:innen: Marlies, Peter, Dietmar, Verena! Dankbare Freude und ermutigende Worte!

Dann Gedächtniskirche – Elia gestern – in der Wüste war es wohl noch wärmer als hier heute. Am Nollendorfplatz springt Dirk aus dem Lauftreff auf mich zu, er hat schon gefinisht und schenkt mir seine Endorphine. Nur noch vier Kilometer! Aufbauende Freude!

Das Brandenburger Tor nicht mehr weit …  – Foto: Horst Milde

Denn inzwischen habe ich schon einige Sanitäter, Feuerwehrleute und Notärzte im Einsatz gesehen. Das mahnt mich zur Vorsicht und ab und zu zum Blick auf meinen Puls. Alles o.k. – stille Freude, dass mein Körper mich nicht im Stich lässt!

Hinter dem Potsdamer Platz an der Mall of Berlin die letzte Cola-Tank-Stelle für die letzten drei Kilometer. Gendarmenmarkt und ab auf die Linden und DAS Brandenburger Tor kommt in Sicht. Die Stimmung steigt und – genau wie die vier Mal davor – kann ich meine Tränen nicht mehr bremsen.

 Die letzten Meter vor dem Ziel – Foto: Horst Milde

Die letzten Meter mit verschleiertem Blick, die jubelnden Fans, laute Musik, der blaue Teppich schwimmt. Die Zielmatte piept und dann steht da Ines vom Lauftreff, sonst steht sie immer als Helferin am Start – heute Doppelschicht – sie nimmt mich in die Arme und meint nur, lass sie raus die Tränen, die Tränen riesiger Freude und großer Erleichterung!! Eben einfach: MEIN fünfter Berlin-Marathon und MEIN elfter Marathon – ist gelaufen!!!!  Und das nach dem Jahr 2020 ohne Marathonläufe!

Dann Medaille, Maske, Zielfoto, Wasser, Erdinger, Versorgungsbeutel, Kleidersack, Umziehen, Gravur und schnell zur S-Bahn. Denn ich will noch wählen!

Auf dem Handy kommen Glückwünsche an, nicht nur die Berliner Freund:innen: Gransee, Nürnberg, Würzburg, München, …! Ihr habt mich alle getragen auf den 42 Kilometern, gerade wenn es schwerer wurde! DANKE an alle die Freund:innen, die zur gemeinsamen Freude beitragen!

Marathon ist Anstrengung – doch die Lebensfreude und die Freude am gemeinsamen Laufen wirken länger und mehr! Deshalb: Lasst uns laufen in Berlin und auf der ganzen Welt – einfach nur Laufen!

RUN FOR JOY!

Dr. Erdmute Nieke

 

 

 

author: GRR