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Eliud Kipchoge (KEN) war einer der herausragenden Athleten der internationalen Straßenlaufszene des Jahres 2016. ©Helmut Winter

Rückblick auf die internationale Straßenlaufszene im Jahr 2016 (Teil 2): Zweimal knapp am (Marathon-)Weltrekord vorbei – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Traditionsgemäß ballen sich im April in der internationalen Straßenlaufszene vor allem in Europa die hochkarätigen Events.

Am 3. April wurde aus Mailand ein neuer Masters-Weltrekord (über 40 Jahre) im Marathon durch den Dritten Kenneth Mungara (KEN) in 2:08:38 gemeldet, der seine eigene Bestmarke in Jahresfrist zum dritten Mal steigern konnte. Sieger wurde in 2:08:15 Ernest Ngeno (KEN).

Gleichfalls beeindruckend war der neue Kursrekord der Frauen beim Hamburg Marathon durch Meselech Malkamu (ETH) in 2:21:54 sowie die Zeit des Siegers in Rotterdam von 2:06:11 durch Marius Kipserem. In Paris waren 57000 Teilnehmer gemeldet, von denen aber nur 43300 die Startlinie passierten. Cyprian Kotut (KEN), Bruder des ehemaligen Topstars Martin Lel, war nach 2:07:11 als Erster im Ziel.

Wieder enttäuschend schwach waren die Zeiten der Elite beim Boston Marathon, wo man auch im Jahr 3 nach dem Bombenattentat noch nicht zur Normalität zurückgefunden hat. Leider auch vom Leistungsniveau her. Die Siegerzeiten der äthiopischen Eliteläufer Hayle Lemi Berhanu und Atsede Baysa von 2:12:45 und 2:29:19 waren kaum noch World Marathon Majors würdig. Noch irritierender waren die Dinge am Tag zuvor im holländischen Enschede, wo im Jahr zuvor Evans Cheruiyot (KEN) in 2:09 Stunden siegte. Diesmal musste man 2:31:34 auf den Sieger David Stevens (BEL) lange warten.

Die Paradoxie in der Grenzstadt zu Deutschland: Drei Frauen, inklusive der Siegerin Sarah Jebet in 2:27:59, waren schneller als alle Männer.

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Atsede Baysa (ETH) gewann bei den Frauen den Boston Marathon 2016. (c) Veranstalter

Der Grund dafür war der Verzicht auf (ostafrikanische) Eliteläufer, der nicht nur in Enschede umgesetzt wurde. Diese Entwicklungen dürften gravierende Veränderungen in der Szene der Stadtmarathons in Gang setzen, deren Konsequenzen aktuell noch kaum zu ermessen sind. Sie dürften in jedem Fall die „Arbeitsplätze" vieler, vor allem aus Ostafrika stammenden Athleten betreffen, die nach wie vor die Szene fast im Monopol dominieren.

Beim London Marathon war und ist das nach wie vor nicht der Fall.

In britischer Höflichkeit verschwieg man, welche Summen es (wieder) gekostet hatte, die absolute Weltklasse an der Startlinie zu versammeln. Dieses Jahr gab es mit den Ausnahmekönnern der Szene auch die entsprechenden Leistungen. Nach einem Beginn im Regime eines „2-Stunden-Marathon" war bis kurz vor Schluss der Weltrekord in Gefahr, den Eliud Kipchoge am Ende in 2:03:05 denkbar knapp verfehlte.

Bei den Frauen siegte Jemima Sumgong (KEN) mit der weniger spektakulären Zeit von 2:22:58. Ebenso wie Kipchoge konnte auch sie in Rio den Erfolg von London mit dem Olympiasieg bestätigen. Über zwei Stunden später nach dem Einlauf der Elite gab es ein weiteres außergewöhnliches Ereignis in London.

Die Veranstalter begrüßten den Millionsten Finisher seit Beginn des Events im Jahr 1981, wo bereits 6255 Läufer das Ziel erreichten. Im kommenden Jahr deutet sich schon heute mit Kipchoge, Kipsang und Bekele ein „Jahrhundert-Rennen" auf den Straßen der britischen Hauptstadt an.

Das Pflaster in London war für den neuen deutschen Marathon-Rekordmann, Arne Gabius, nicht vom Erfolg gekrönt. Bei seinem ersten Start in London kam er nie ins Rennen und stieg nach der Hälfte aus. Auch bei der EM in Amsterdam am 10. Juli, wo diesmal nur einen halben Marathon lief, ging er frühzeitig aus dem Rennen, beendete die Saison und verpasste damit auch den Start bei Olympia.

Die EM-Titel gewannen Sara Moreira (POR) in 1:10:19 sowie Tadesse Abraham (SUI) in 1:02:03, wobei die Kritik an einer Meisterschaft nur einen Monat vor den Olympischen Spielen nicht zu überhören war.

Bei den „Spielen" im August war es zwar Winter in Brasilien, die Bedingungen vor allem beim Marathonlauf der Frauen trotzdem grenzwertig. Deshalb war die Kritik an den „Hahner-Twins" für das gemeinsame Passieren der Ziellinie nach 2:45 Stunden etwas überzogen. Von deutscher Seite überzeugte die Senkrechtstarterin der Saison, Anja Scherl, mit Platz 44 in 2:37:23. Im April hatte sich die „Freizeitläuferin" beim Hamburg Marathon in tollen 2:27:50 überraschend für Rio qualifizieren können.

In der Tat beeindruckend in Rio war die Vorstellung des Gewinners der Goldmedaille im Marathon der Männer.

Nach verhaltenem Beginn zog das Tempo nach 30 km enorm an und Eliud Kipchoge gewann souverän in 2:08:44, nachdem er den Schlussteil ab 20 Meilen (vor dort sind es 10 km bis ins Ziel) in einmaligen 29:07 Minuten zurücklegte; das lag unter dem Tempo des Marathon-Weltrekords. Während Kipchoge somit die Ehre der Kenianer im Olympischen Marathon wieder herstellte, waren seine Mitstreiter Stanley Biwott und Wesley Korir vom Pech verfolgt. Ihre Betreuer hatten deren Trinkflaschen vertauscht, so dass Beide mit Magenbeschwerden aufgeben mussten. Zusammen mit skandalösen Vorfällen durch Mitglieder des Verbandes hatte dies ein erhebliches Nachspiel in deren Heimatland Kenia.

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Die Posse um vertauschte Trinkflaschen für die Kenianer Korir und Biwott beim Olympischen Marathon hatte ein erhebliches Nachspiel. (c) ScreenshotZDF

Ein Nachspiel hatte auch die Geste gekreuzter Oberarme beim Zieleinlauf des Silbermedaillengewinners Feyisa Lelisa (ETH) in 2:09:54, mit der er auf politische Zustände in seinem Heimatland aufmerksam machen wollte. Lelisa reiste anschließend nicht mehr nach Äthiopien zurück, sondern beantragte Asyl in den USA. Und aus den USA kam mit Galen Rupp der Gewinner der Bronzemedaille, der in 2:10:05 erst seinen zweiten Marathon bestritt und auf Grund seiner Leistungen auf den Unterdistanzen noch eine viel versprechende Karriere auf der Marathondistanz vor sich haben dürfte.

Zu Beginn der Herbstsaison eine weitere Notiz aus China, wo in Wuzhong am Gelben Fluss 25.000 Läufer an den Start gingen. Bei widrigen Bedingungen gewann Joshua Kipkorir in 2:17:44. Preisgelder von insgesamt 150.000 US$ lassen aber erwarten, dass man (auch) hier für Topathleten immer attraktiver wird. Diesbezüglich ist man beim Great North Run von Newcastle nach South Shields schon weiter, beim größten Halbmarathon auf globaler Skala war die Konkurrenz für Superstar Mo Farah (GBR) sehr überschaubar. Mo siegte am 11. September in 1:00:04 zum dritten Mal in Folge knapp vor Dathan Ritzenhein (USA).

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Superstar Mo Farah (GBR) gewann nach Doppel-Gold bei Olympia auch den Great North Run über die Halbmarathon-Distanz. (c) ScreenshotBBC

Weit schneller war eine Woche später Barselius Kipyego (KEN) mit 59:15 in Usti nad Labem, wo RunCzech den letzten Lauf einer Serie ab April mit Läufen in Prag, Karlovy Vary, Budejoice und Olomuc veranstaltete. Am 10. September verfehlte Violah Jepchumba bei einem 10 km-Lauf in Prag mit 30:24 den Weltrekord von Paula Radcliffe um ganze 3 Sekunden. Bereits am 2. April war die gleiche Läuferin ebenfalls in Prag den Halbmarathon in 1:05:51 gelaufen und wurde damit die drittschnellste Läuferin aller Zeiten über diese Distanz. Den Lauf über die volle Marathondistanz in Prag gewann am 8. Mai Lawrence Cherono (KEN) in 2:07:24. Konsequent die Synergien einer gemeinsamen Organisation nutzend, ist RunCzech aktuell dabei, die globale Laufszene gravierend aufzumischen. Mit den „Golden Labels" der IAAF versehen, leistet man in punkto Elitefelder und medialer Präsentation beispielhafte Arbeit.

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James Wangari (KEN) lief beim Kopenhagen mit einer Durchgangszeit von 27:15 bei 10 km die schnellste Zeit des Jahres über diese Distanz. (c) Kopenhagen HM

Am 18. September schaffte der Äthiopier Asefa Negewo beim Marathon in Kapstadt mit 2:08:42 die schnellste Zeit, die jemals auf südafrikanischen Boden erzielt wurde. Und am gleichen Tag stürmten beim Kopenhagen Halbmarathon auf dem Kurs der WM von 2014 gleich sieben Kenianer unter einer Stunde ins Ziel, darunter – wie zuvor schon erwähnt – auch der Sieger James Wangari in 59:07 mit Weltjahres-Bestzeit. Da in Kopenhagen der Start und die 10 km-Marke nur etwa 3,8 km Luftlinie auseinander liegen, erzielte Wangari bei 10 km in 27:15 auch noch die schnellste Zeit des Jahres über diese Distanz.

Wird fortgesetzt (Teil 3)

Die TOP10 im Marathon der Männer 2016 (Quelle: IAAF)

1. Kenenisa Bekele ETH 2:03:03 Berlin, 25. September
2. Eliud Kipchoge KEN 2:03:05 London, 24. April
3. Wilson Kipsang ETH 2:03:13 Berlin, 25. September
4. Stanley Biwott KEN 2:03:51 London, 24. April
5. Tesfaye Abera ETH 2:04:24 Dubai, 22. Januar
6. Lemi Berhanu ETH 2:04:33 Dubai, 22. Januar
7. Tsegaye Mekonnen ETH 2:04:46 Dubai, 22. Januar
8. Wilson Erupe KEN 2:05:13 Seoul, 20. März
9. Sisay Lemma KEN 2:05:16 Dubai, 22. Januar
10. Daniel Wanjiru KEN 2:05:21 Amsterdam, 16. Oktober

Die TOP10 im Marathon der Frauen 2016 (Quelle: IAAF)

1. Tirfi Tsegaye ETH 2:19:41 Dubai, 22. Januar
2. Aberu Kebede ETH 2:20:45 Berlin, 25. September
3. Amane Beriso ETH 2:20:48 Dubai, 22. Januar
4. Helah Kiprop KEN 2:21:27 Tokyo, 28. Februar
5. Florence Kiplagat KEN 2:21:32 Chicago, 9. Oktober
6. Amane Gobena ETH 2:21:51 Tokyo, 28. Februar
7. Meselech Melkamu ETH 2:21:54 Hamburg, 17. April
8. Kayoko Fukushi JPN 2:22:17 Osaka, 31. Januar
9. Meselech Melkamu ETH 2:22:29 Dubai, 22. Januar
10. Edna Kiplagat KEN 2:22:36 Tokyo, 28. Februar

Helmut Winter

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